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Zur Floskel verflacht

Nach der Unabhängigkeit haben viele Namibier verstärkt Interesse an der eigenen Geschichte gezeigt, die in den Schulbüchern zuvor höchstens am Rande und dazu in der politisch korrekten Lesart der Hegemonialmacht Südafrika dargeboten wurde. Ovaherero und Nama, deutschsprachige Namibier sowie lokale und auswärtige Historiker sind mit neuem Eifer der mündlichen Überlieferung nachgegangen und haben schriftliche Quellen aufgesucht, mit und ohne Vorurteil. So mancher ist auf faszinierende Erkenntnisse gestoßen.

Seit sechs Jahren steht wiederholt die Reparationsforderung für Genozid an den Herero im Raum. Seit vergangener Woche beim Gedenken für den Nama-Chef Cornelius Frederiks wird die Forderung auf Wiedergutmachung für vermeintlichen Völkermord auch von den Nama erhoben. Auch von den Dama hört man Stimmen, dass ihnen Genozidvergütung zustehe. Es hat den Anschein, als wollten noch andere auf den Reparationszug zusteigen, ohne Prüfung der Grundlagen, ohne juristische Frage, was den konkreten Sachverhalt für eine formale Klage ausmachen müsste.

Völkermord - buchstäblich die vorsätzliche und planmäßige Vernichtung eines Volkes - gehört zu den furchtbarsten Verbrechen, die Menschen einander heute noch antun. Wenn der Begriff jedoch pauschal, weil modisch, auf jedwedes Gefecht im ungleichen Kampf und auf jedes Scharmützel angewandt wird, wo eine zeitweilig überlegene Kolonialmacht die unterlegene einheimische Bevölkerung unterwirft, verflacht die Vokabel zur Floskel und verliert mit der Zeit ihre Bedeutung und Wirkung. Der Begriff verflacht, flößt kaum noch Respekt ein, weil er immer häufiger aus dem Kontext gerissen wird. Vizepremier Dr. Libertine Amathila und der deutsche Botschafter haben auf der Haifischinsel beide das Leiden und die Menschenverluste gewürdigt, aber die Vokabel kam bei ihnen nicht vor.

Die NBC und andere sind dagegen naiv und inflationär damit umgegangen. Dazu hat die NBC selbst noch "Massaker deutscher Truppen an Frauen und Kindern der Nama" hinzugefügt, ohne Quelle oder Hinweis auf Ort und Zeit. Geschichtsklitterung und unbedarfter Umgang mit schwerem Inhalt sind billig zu haben. Sie exponieren ihre Betreiber in banaler Ignoranz. Schlimm, wenn Geschichte als Quelle der Lehre zu törichtem Geschwätz verkommt.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2025-06-02

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