Weiße Techniker unerwüscht
An jenem heißen Mittsommertag vor 27 Jahren hielt Frederik Willem de Klerk, der letzte weiße Präsident Südafrikas, seine erste Rede anlässlich der traditionellen Eröffnung des Parlaments. Erst ein knappes halbes Jahr im Amt, galt de Klerk damals als erzkonservativ und alles andere als ein politischer Reformer.
Folglich erwarteten auch die Medienvertreter nicht viel, als sie sich frühmorgens im Kapstädter Parlament einfanden. Doch de Klerk überraschte sie alle. Bis heute wird seine Ansprache deshalb als „Die Rede“ bezeichnet, weil sie das Land vom Kopf auf die Füße stellte. De Klerk verkündete die Zulassung der lange verbotenen (schwarzen) Opposition, die bedingungslose Freilassung aller politischen Gefangenen, darunter Nelson Mandela, und die Abschaffung der fast 50 Jahre zuvor eingeführten Rassentrennung. Zur Erinnerung an das politische Erdbeben lädt die von ihm gegründete, gleichnamige Stiftung seit ein paar Jahren am 2. Februar regelmäßig zu einer Zusammenkunft in Kapstadt ein, auf der die Lage im Land mit einer Reihe hochkarätiger Sprecher debattiert wird.
Anders als in den Vorjahren klang der inzwischen 80-jährige de Klerk in seiner Rede zur Eröffnung der Konferenz (die in diesem Jahr bezeichnenderweise unter dem Titel „At another crossroads“ / „An einer neuen Kreuzung“ stand) diesmal düsterer als in den Vorjahren. Was angesichts der akuten Bedrohung der Demokratie am Kap auch nicht wirklich überraschen kann. Ohne Umschweife wies er darauf hin, dass die versuchte Übernahme des Staates (state capture) durch Präsident Jacob Zuma und die eng mit ihm verbandelte indische Unternehmerfamilie Gupta die Verfassung des Landes unterminiert und fast alle Institutionen am Kap schwer in Misskredit gebracht habe, insbesondere die Strafverfolgungsbehörden, aber auch viele andere wie etwa den Staatssender SABC oder den Strommonopolisten Eskom.
Besonders besorgt zeigte sich de Klerk dabei über die von Zuma und seinem (seit 1994 allein regierenden) Afrikanischen Nationalkongress (ANC) ohne Rücksicht auf die gesellschaftlichen Realitäten forcierte rassische Quotenregelung, die den Minderheitsgruppen kaum eine andere Wahl als die Auswanderung ließe. Bei der heutigen Demografie sei eine „mathematische Gewissheit“, so de Klerk, dass die wirtschaftlich noch immer dominanten Weißen in Südafrika schon in 50 bis 60 Jahren „nicht mehr repräsentiert“, also quasi von der Bildfläche verschwinden würden. Zwar stellten die Weißen derzeit noch knapp 25% aller Südafrikaner über 65 Jahre, doch gleichzeitig weniger als 5% der Altersgruppe unter fünf Jahren.
Verwaltung, Armee und Polizei zahlen bereits seit Jahren mit ihrer immer größeren Ineffizienz den Preis für den überstürzten und nicht am Verdienst, sondern inzwischen allein an der Hautfarbe ausgerichteten Umbau der Gesellschaft. Das inzwischen fast schon besessene Streben des ANC nach einem künstlichen Rassenproporz hat tatsächlich alle Institutionen nachhaltig und womöglich dauerhaft geschwächt. Unterstützt wurde de Klerk in dieser Sicht der Dinge von Moeletsi Mbeki, dem ebenfalls auf dem Podium sitzenden Bruder des früheren Präsidenten Thabo Mbeki. Der Unternehmensberater und Buchautor sieht in der gegenwärtigen Regierungspolitik einen schweren Schlag gegen das schwarze Unternehmertum, weil die Politik eine kleine Kaste unproduktiver, aber sehr reicher „Kumpel-Kapitalisten“ schaffe, die fast nur aus ANC-Politikern bestehe.
Wohin das führen kann, zeigt das Beispiel des staatlichen Stromkonzerns Eskom. Die Regierung hat hier im Zuge des sogenannten „cadre deployment“ viele ausgediente ANC-Parteimitglieder entsorgt, um gleichzeitig - in Einklang mit den von ihr verordneten, strikten Rassenquoten - viele weiße Techniker zu entlassen. Dass Südafrika zurzeit dennoch wieder ausreichend Strom produziert, liegt allein daran, dass sein Wirtschaftswachstum inzwischen auf fast Null abgestürzt ist und die Stromnachfrage deshalb seit zehn Jahren stagniert. Ein „Erfolg“ also aus falschen Gründen.
Wie De Klerk fordert auch Moeletsi Mbeki, dass Südafrika den Schwarzen lieber mit besserer Bildung und mehr Krediten für Unternehmensgründer unter die Arme greifen, statt immer neue und rigidere Rassenquoten erlassen solle, die seiner Wirtschaft seit Jahren enge Fesseln anlegen. Nur so könne das Land Wachstumsraten von sieben Prozent erreichen wie sie nach Ansicht der Weltbank nötig sind, um eine Arbeitslosigkeit zu verringern, die offiziell bei 27 Prozent, tatsächlich aber bei rund 40 Prozent und unter jungen Schwarzen (18-24) sogar bei mehr als 60 Prozent liegen dürfte.
Leicht wird die Wende zum Besseren trotz der optimistischen Abschlusserklärungen der Diskussionsteilnehmer gewiss nicht werden. Nach der verheerenden Präsidentschaft von Jacob Zuma, der sich wegen immer neuen Korruptionsvorwürfen unter großem Druck befindet, aber womöglich dennoch erst zu den Wahlen Mitte 2019 abtritt, bräuchte Südafrika dringend einen Führer, der seinen Menschen wie einst De Klerk und Mandela eine neue Vision gibt - und Aufbruchsstimmung verbreitet. Doch der ist gegenwärtig am Kap nirgendwo in Sicht.
Wolfgang Drechsler, Kapstadt
Folglich erwarteten auch die Medienvertreter nicht viel, als sie sich frühmorgens im Kapstädter Parlament einfanden. Doch de Klerk überraschte sie alle. Bis heute wird seine Ansprache deshalb als „Die Rede“ bezeichnet, weil sie das Land vom Kopf auf die Füße stellte. De Klerk verkündete die Zulassung der lange verbotenen (schwarzen) Opposition, die bedingungslose Freilassung aller politischen Gefangenen, darunter Nelson Mandela, und die Abschaffung der fast 50 Jahre zuvor eingeführten Rassentrennung. Zur Erinnerung an das politische Erdbeben lädt die von ihm gegründete, gleichnamige Stiftung seit ein paar Jahren am 2. Februar regelmäßig zu einer Zusammenkunft in Kapstadt ein, auf der die Lage im Land mit einer Reihe hochkarätiger Sprecher debattiert wird.
Anders als in den Vorjahren klang der inzwischen 80-jährige de Klerk in seiner Rede zur Eröffnung der Konferenz (die in diesem Jahr bezeichnenderweise unter dem Titel „At another crossroads“ / „An einer neuen Kreuzung“ stand) diesmal düsterer als in den Vorjahren. Was angesichts der akuten Bedrohung der Demokratie am Kap auch nicht wirklich überraschen kann. Ohne Umschweife wies er darauf hin, dass die versuchte Übernahme des Staates (state capture) durch Präsident Jacob Zuma und die eng mit ihm verbandelte indische Unternehmerfamilie Gupta die Verfassung des Landes unterminiert und fast alle Institutionen am Kap schwer in Misskredit gebracht habe, insbesondere die Strafverfolgungsbehörden, aber auch viele andere wie etwa den Staatssender SABC oder den Strommonopolisten Eskom.
Besonders besorgt zeigte sich de Klerk dabei über die von Zuma und seinem (seit 1994 allein regierenden) Afrikanischen Nationalkongress (ANC) ohne Rücksicht auf die gesellschaftlichen Realitäten forcierte rassische Quotenregelung, die den Minderheitsgruppen kaum eine andere Wahl als die Auswanderung ließe. Bei der heutigen Demografie sei eine „mathematische Gewissheit“, so de Klerk, dass die wirtschaftlich noch immer dominanten Weißen in Südafrika schon in 50 bis 60 Jahren „nicht mehr repräsentiert“, also quasi von der Bildfläche verschwinden würden. Zwar stellten die Weißen derzeit noch knapp 25% aller Südafrikaner über 65 Jahre, doch gleichzeitig weniger als 5% der Altersgruppe unter fünf Jahren.
Verwaltung, Armee und Polizei zahlen bereits seit Jahren mit ihrer immer größeren Ineffizienz den Preis für den überstürzten und nicht am Verdienst, sondern inzwischen allein an der Hautfarbe ausgerichteten Umbau der Gesellschaft. Das inzwischen fast schon besessene Streben des ANC nach einem künstlichen Rassenproporz hat tatsächlich alle Institutionen nachhaltig und womöglich dauerhaft geschwächt. Unterstützt wurde de Klerk in dieser Sicht der Dinge von Moeletsi Mbeki, dem ebenfalls auf dem Podium sitzenden Bruder des früheren Präsidenten Thabo Mbeki. Der Unternehmensberater und Buchautor sieht in der gegenwärtigen Regierungspolitik einen schweren Schlag gegen das schwarze Unternehmertum, weil die Politik eine kleine Kaste unproduktiver, aber sehr reicher „Kumpel-Kapitalisten“ schaffe, die fast nur aus ANC-Politikern bestehe.
Wohin das führen kann, zeigt das Beispiel des staatlichen Stromkonzerns Eskom. Die Regierung hat hier im Zuge des sogenannten „cadre deployment“ viele ausgediente ANC-Parteimitglieder entsorgt, um gleichzeitig - in Einklang mit den von ihr verordneten, strikten Rassenquoten - viele weiße Techniker zu entlassen. Dass Südafrika zurzeit dennoch wieder ausreichend Strom produziert, liegt allein daran, dass sein Wirtschaftswachstum inzwischen auf fast Null abgestürzt ist und die Stromnachfrage deshalb seit zehn Jahren stagniert. Ein „Erfolg“ also aus falschen Gründen.
Wie De Klerk fordert auch Moeletsi Mbeki, dass Südafrika den Schwarzen lieber mit besserer Bildung und mehr Krediten für Unternehmensgründer unter die Arme greifen, statt immer neue und rigidere Rassenquoten erlassen solle, die seiner Wirtschaft seit Jahren enge Fesseln anlegen. Nur so könne das Land Wachstumsraten von sieben Prozent erreichen wie sie nach Ansicht der Weltbank nötig sind, um eine Arbeitslosigkeit zu verringern, die offiziell bei 27 Prozent, tatsächlich aber bei rund 40 Prozent und unter jungen Schwarzen (18-24) sogar bei mehr als 60 Prozent liegen dürfte.
Leicht wird die Wende zum Besseren trotz der optimistischen Abschlusserklärungen der Diskussionsteilnehmer gewiss nicht werden. Nach der verheerenden Präsidentschaft von Jacob Zuma, der sich wegen immer neuen Korruptionsvorwürfen unter großem Druck befindet, aber womöglich dennoch erst zu den Wahlen Mitte 2019 abtritt, bräuchte Südafrika dringend einen Führer, der seinen Menschen wie einst De Klerk und Mandela eine neue Vision gibt - und Aufbruchsstimmung verbreitet. Doch der ist gegenwärtig am Kap nirgendwo in Sicht.
Wolfgang Drechsler, Kapstadt
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Allgemeine Zeitung
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