Vorübergehend ausgestiegen - Aus-Zeit
Im Lehrgang für „Wüstenführer“ (Desert Guides), der in den Weiten von Wolwedans an der Namib abgehalten wurde, hat der - weiland - Naturschutzwart Hu Berry seine Studenten daran erinnert, dass Wüsten, insbesondere die Wendekreiswüsten des Orients, neben vielen anderen Bedeutungen auch die Wiege von Weltreligionen sind: des christlichen und mosaischen Glaubens sowie des Islam. War die Wüste bis vor wenigen Jahrzehnten noch ein Bereich, den man wegen seiner wirklichen und vermeintlichen Menschen- und Lebensfeindlichkeit möglichst zu vermeiden und ansonsten am besten schnellstens zu überwinden hatte, haben der heutige Komfort der Lodges und die Leistungsfähigkeit der Allrad-Fahrzeuge lebensbedrohliches Ungemach weitgehend ausgeschaltet.
Der Besucher kann die Wüste somit im Routineablauf des Safari-Programms beiläufig neben anderen Sehenswürdigkeiten abhaken: „Das hab´ ich auch gesehen.“ Aber es gibt viele andere Liebhaber der Wüste, die die kargen Weiten nicht zum Abhaken aufsuchen, sondern in der Stille, unter Sternen und in der Grenzenlosigkeit der Tage und Nächte bewusst in sich gehen, um im Verlauf von Sonnen- und Mondstunden geistige Sternstunden zu suchen, Pfade reflektierender Selbstfindung zu beschreiten.
Die Autorin Erika von Wietersheim hat sich bewusst eine Aus-Zeit von einem Monat genommen, um die schicksalhafte, einzigartige „Liebesgeschichte ihrer Eltern nach langen Recherchen in einem Buch zusammenzufassen“. Es ist sehr viel mehr dabei herausgekommen als der Tatsachenroman über die ungewollte zehnjährige Trennung und das Wiedersehen ihrer Eltern - eine Rezension der Liebesgeschichte „Nur 24 Zeilen“ ist am 22. Dezember in der AZ erschienen.
Einmal hat die Autorin ihre Erfahrungen, Empfindungen und Reflektionen schon in einer fesselnden Radioserie mitgeteilt, die nun unter dem vielsagenden Titel „Aus-Zeit“ auch im Druck verarbeitet wurden.
In den sechziger und siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts haben namibische Maler wie Joachim Voigts, Arnfried Blatt und Heinz Pulon, um nur einige zu nennen, die Wüste ihren Landsleuten „neu“ geschildert, um die Einöde in ihrem geistig-abstrakten Flair aufleben zu lassen.
Was die Maler auf der Leinewand dargestellt haben, schildert Erika von Wietersheim anschaulich und unmittelbar in Worten. „Aus-Zeit“ lautet der vielschichtige Titel über den Wochen der Klausur, als die Autorin in der Halbwüste 35 km von Aus entfernt mutterseelenallein ein verlassenes Farmhaus bewohnt und sich dem Tages- und Nachtrhythmus der Namib öffnet, die Geräusche aufnimmt, den Tieren begegnet und dazu wiederholt Mozart erklingen lässt. So wie Mozart übrigens die Titelmelodie des Liebesfilms „Out of Africa“ nach dem Roman von Karen Blixen geliefert hat.
Vielschichtig unter dem Ortsnamen Aus - !aus (mit Schnalzlaut der Buschleute - Schlange), Aus: hier ist es „aus“, Aus: im 1. Weltkrieg: ca. vier Jahre Stacheldraht und Gefangenenlager für deutsche Soldaten unter britischer Bewachung - geht die Autorin - „raus aus dem gewohnten Trott“ - mit ihrer Klausur um, die jedoch nicht mit der Abgeschiedenheit eines Klosters zu verwechseln ist. Just die siebenjährige Gefangenschaft ihres Vaters in Australien, als aufgegriffener Schiffbrüchiger, bildet im Hauptwerk, das sie bei Aus verfasst hat, einen Teil der Kulisse. „Ich will meine Erfahrungen hier nicht von mitgebrachtem Ballast bestimmen lassen …“ „Man steht hier an jeder Stelle im Mittelpunkt eines riesigen Kreises …“
Die Autorin verfolgte jeden Gedanken, kommt ´mal ins Zweifeln, ob sie sich dem Wüstenkoller nähert, greift Grenzerfahrungen auf, denkt nach über „Gott, Religion und Glaube, … ohne Gebete, ohne Erwartungen …“, macht sich Gedanken über aufreibende Kontraste zwischen Afrika und Europa und folgert, dass Afrikaner „mit Widersprüchen leben können, ohne darunter zu leiden“. Und sie begegnet Schakal, Springbock und Oryx. Das Eine geht locker, ungezwungen, leicht und flüssig erzählt, ins Andere über. Ein wertvolles, offenes Tagebuch - eine beneidenswerte Erfahrung, eine holistische Odyssee äußerer und innerer Wegstrecken, die der namibische Leser wegen prägender Wiedererkennungsmerkmale und der Neuankömmling wegen gleitender Anknüpfungspunkte nicht aus der Hand legen möchte.
Eberhard Hofmann
Der Besucher kann die Wüste somit im Routineablauf des Safari-Programms beiläufig neben anderen Sehenswürdigkeiten abhaken: „Das hab´ ich auch gesehen.“ Aber es gibt viele andere Liebhaber der Wüste, die die kargen Weiten nicht zum Abhaken aufsuchen, sondern in der Stille, unter Sternen und in der Grenzenlosigkeit der Tage und Nächte bewusst in sich gehen, um im Verlauf von Sonnen- und Mondstunden geistige Sternstunden zu suchen, Pfade reflektierender Selbstfindung zu beschreiten.
Die Autorin Erika von Wietersheim hat sich bewusst eine Aus-Zeit von einem Monat genommen, um die schicksalhafte, einzigartige „Liebesgeschichte ihrer Eltern nach langen Recherchen in einem Buch zusammenzufassen“. Es ist sehr viel mehr dabei herausgekommen als der Tatsachenroman über die ungewollte zehnjährige Trennung und das Wiedersehen ihrer Eltern - eine Rezension der Liebesgeschichte „Nur 24 Zeilen“ ist am 22. Dezember in der AZ erschienen.
Einmal hat die Autorin ihre Erfahrungen, Empfindungen und Reflektionen schon in einer fesselnden Radioserie mitgeteilt, die nun unter dem vielsagenden Titel „Aus-Zeit“ auch im Druck verarbeitet wurden.
In den sechziger und siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts haben namibische Maler wie Joachim Voigts, Arnfried Blatt und Heinz Pulon, um nur einige zu nennen, die Wüste ihren Landsleuten „neu“ geschildert, um die Einöde in ihrem geistig-abstrakten Flair aufleben zu lassen.
Was die Maler auf der Leinewand dargestellt haben, schildert Erika von Wietersheim anschaulich und unmittelbar in Worten. „Aus-Zeit“ lautet der vielschichtige Titel über den Wochen der Klausur, als die Autorin in der Halbwüste 35 km von Aus entfernt mutterseelenallein ein verlassenes Farmhaus bewohnt und sich dem Tages- und Nachtrhythmus der Namib öffnet, die Geräusche aufnimmt, den Tieren begegnet und dazu wiederholt Mozart erklingen lässt. So wie Mozart übrigens die Titelmelodie des Liebesfilms „Out of Africa“ nach dem Roman von Karen Blixen geliefert hat.
Vielschichtig unter dem Ortsnamen Aus - !aus (mit Schnalzlaut der Buschleute - Schlange), Aus: hier ist es „aus“, Aus: im 1. Weltkrieg: ca. vier Jahre Stacheldraht und Gefangenenlager für deutsche Soldaten unter britischer Bewachung - geht die Autorin - „raus aus dem gewohnten Trott“ - mit ihrer Klausur um, die jedoch nicht mit der Abgeschiedenheit eines Klosters zu verwechseln ist. Just die siebenjährige Gefangenschaft ihres Vaters in Australien, als aufgegriffener Schiffbrüchiger, bildet im Hauptwerk, das sie bei Aus verfasst hat, einen Teil der Kulisse. „Ich will meine Erfahrungen hier nicht von mitgebrachtem Ballast bestimmen lassen …“ „Man steht hier an jeder Stelle im Mittelpunkt eines riesigen Kreises …“
Die Autorin verfolgte jeden Gedanken, kommt ´mal ins Zweifeln, ob sie sich dem Wüstenkoller nähert, greift Grenzerfahrungen auf, denkt nach über „Gott, Religion und Glaube, … ohne Gebete, ohne Erwartungen …“, macht sich Gedanken über aufreibende Kontraste zwischen Afrika und Europa und folgert, dass Afrikaner „mit Widersprüchen leben können, ohne darunter zu leiden“. Und sie begegnet Schakal, Springbock und Oryx. Das Eine geht locker, ungezwungen, leicht und flüssig erzählt, ins Andere über. Ein wertvolles, offenes Tagebuch - eine beneidenswerte Erfahrung, eine holistische Odyssee äußerer und innerer Wegstrecken, die der namibische Leser wegen prägender Wiedererkennungsmerkmale und der Neuankömmling wegen gleitender Anknüpfungspunkte nicht aus der Hand legen möchte.
Eberhard Hofmann
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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