Vor 50 Jahren
3. August 1968
Das Zölibat im Zwielicht
Hamburg (dpa). Die katholischen Priester verwalten das Sakrament der Ehe, aber sie dürfen dieses Sakraments nicht teilhaftig werden. So bestimmt es die katholische Kirche verbindlich seit 800 Jahren. Nach jahrhundertealten Streitigkeiten gebot das zweite Laterankonzil im Jahre 1139, daß die Ehen von Klerikern ungültig seien. Dennoch verzeichnet die Kirchengeschichte des Hoch- und Spätmittelalters bis hinein in die Frühneuzeit laufende Mißachtung dieses Konzilbeschlusses.
Erst die innere Erneuerung der Katholischen Kirche im Verlauf der Gegenreformation schuf klare Verhältnisse. Mit erneuerter Autorität erklärte das Konzil von Trient die Ehelosigkeit zur zwingenden Voraussetzung des geistlichen Berufes. Der Priester sollte durch keinerlei Familienpflicht abgelenkt und einzig und allein der Kirche dienen.
Vierhundert Jahre später zeigt dieser Grundstein katholisch-geistlicher Moral in den Fugen Risse, die sich allem Anschein nach immer tiefer ins Gemäuer fressen. Nachdem sich im Gefolge anderer Länder nun auch in der Bundesrepublik die Diskussion um die Ehelosigkeit der Priester verstärkt, fragen sich die Beobachter dieses zähen innerkirchlichen Ringens ob und wie lange der Papst unnachgiebig bleiben, bzw. nur zu leichten Frontbegradigungen bereit sein wird.
Auf dem zweiten Vatikanischen Konzil erstarb sich die anbahnende Debatte unter Pauls VI. striktem Gegenkurs. Am Ende sprach sich die Kirchenversammlung im November 1965 mit 2005 gegen 65 Stimmen für die Beibehaltung Zölibats aus. Daß dieses erdrückende Verhältnis die Stimmungslage nicht ganz getreu wiedergab, erhellt daraus, daß die öffentliche Diskussion der Kirche über diesen Punkt schon ein Jahr später, wie der Berliner „Tagesspiegel“ feststellte, „geradezu modisch geworden“ war.
Diffiziles Thema
Papst Paul nahm das diffizile Thema darauf Mitte 1967 mit einer Enzyklika voll ins Visier. Das Zölibat, so formulierte er, sei Jahrhunderte hindurch als „glänzender Edelstein“ bewahrt worden und behalte auch in unserer Zeit tiefer geistiger und struktureller Wandlung seinen Wert. Das geistliche Oberhaupt der katholischen Welt trug der Kirche auf, diesem Edelstein „neuen Glanz“ zu geben.
Abermals ein Jahr später, im Juni 1968, ergab eine Umfrage unter katholischen Theologiestudenten der Universität Tübingen, wie schwer es ist, den Edelstein aufzupolieren. Von 600 Studentenbeteiligten sich 327 oder 55 Prozent an der Umfrage über den heutigen Wert der Ehelosigkeit im geistlichen Beruf. 95,6 Prozent plädierten für eine freie Gewissensentscheidung. Das Umfrageergebnis wurde dem Vorsitzenden der deutschen katholischen Bischofskonferenz, Julius Kardinal Döpfner, mit der Bitte übersandt, in Rom zu intervenieren.
Einen prominenten Befürworter der freien Gewissensentscheidung haben die Tübinger Priesteramts-Kandidaten in den eigenen Mauern: den Fundamentaltheologen Prof. Dr. Hans Küng (40). Unmittelbar nach der Veröffentlichung der Zölibat-Enzyklika forderte Küng, den Priestern die Entscheidung über die Ehelosigkeit wieder wie ursprünglich freizustellen. Er bezeichnete den Zwang, unverheiratet zu bleiben, als biblisch nicht begründet und als hinderlich für die Bereitschaft zum Priesterberuf.
Tatsächlich hat ja Jesus dem einzelnen die Entscheidung in diesem Punkt überlassen. Im Kapitel Matth. 19 meinen die Jünger, es sei wohl „nicht gut, ehelich werden“. Er aber sprach: „Das Wort faßt nicht jedermann, sondern denen es gegeben ist.“ Petrus, der als erster Papst gilt, war verheiratet, und Paulus erteilt den Korinthern den Rat: „Sie aber sich nicht enthalten, so laß sie freien.“
Wie in vielen Fällen, so enthält die Schrift auch zu diesem Thema Zitate eher gegenteiliger Tendenz, und eine zweite Frage ist, welche Textstellen wiederum mit hinreichender Sicherheit als echt zu gelten haben und welche nicht. Das alles beweist aber nur, daß eben mit der Bibel im Sinne des Zölibat-Zwanges nicht gefochten werden kann.
Das Zölibat im Zwielicht
Hamburg (dpa). Die katholischen Priester verwalten das Sakrament der Ehe, aber sie dürfen dieses Sakraments nicht teilhaftig werden. So bestimmt es die katholische Kirche verbindlich seit 800 Jahren. Nach jahrhundertealten Streitigkeiten gebot das zweite Laterankonzil im Jahre 1139, daß die Ehen von Klerikern ungültig seien. Dennoch verzeichnet die Kirchengeschichte des Hoch- und Spätmittelalters bis hinein in die Frühneuzeit laufende Mißachtung dieses Konzilbeschlusses.
Erst die innere Erneuerung der Katholischen Kirche im Verlauf der Gegenreformation schuf klare Verhältnisse. Mit erneuerter Autorität erklärte das Konzil von Trient die Ehelosigkeit zur zwingenden Voraussetzung des geistlichen Berufes. Der Priester sollte durch keinerlei Familienpflicht abgelenkt und einzig und allein der Kirche dienen.
Vierhundert Jahre später zeigt dieser Grundstein katholisch-geistlicher Moral in den Fugen Risse, die sich allem Anschein nach immer tiefer ins Gemäuer fressen. Nachdem sich im Gefolge anderer Länder nun auch in der Bundesrepublik die Diskussion um die Ehelosigkeit der Priester verstärkt, fragen sich die Beobachter dieses zähen innerkirchlichen Ringens ob und wie lange der Papst unnachgiebig bleiben, bzw. nur zu leichten Frontbegradigungen bereit sein wird.
Auf dem zweiten Vatikanischen Konzil erstarb sich die anbahnende Debatte unter Pauls VI. striktem Gegenkurs. Am Ende sprach sich die Kirchenversammlung im November 1965 mit 2005 gegen 65 Stimmen für die Beibehaltung Zölibats aus. Daß dieses erdrückende Verhältnis die Stimmungslage nicht ganz getreu wiedergab, erhellt daraus, daß die öffentliche Diskussion der Kirche über diesen Punkt schon ein Jahr später, wie der Berliner „Tagesspiegel“ feststellte, „geradezu modisch geworden“ war.
Diffiziles Thema
Papst Paul nahm das diffizile Thema darauf Mitte 1967 mit einer Enzyklika voll ins Visier. Das Zölibat, so formulierte er, sei Jahrhunderte hindurch als „glänzender Edelstein“ bewahrt worden und behalte auch in unserer Zeit tiefer geistiger und struktureller Wandlung seinen Wert. Das geistliche Oberhaupt der katholischen Welt trug der Kirche auf, diesem Edelstein „neuen Glanz“ zu geben.
Abermals ein Jahr später, im Juni 1968, ergab eine Umfrage unter katholischen Theologiestudenten der Universität Tübingen, wie schwer es ist, den Edelstein aufzupolieren. Von 600 Studentenbeteiligten sich 327 oder 55 Prozent an der Umfrage über den heutigen Wert der Ehelosigkeit im geistlichen Beruf. 95,6 Prozent plädierten für eine freie Gewissensentscheidung. Das Umfrageergebnis wurde dem Vorsitzenden der deutschen katholischen Bischofskonferenz, Julius Kardinal Döpfner, mit der Bitte übersandt, in Rom zu intervenieren.
Einen prominenten Befürworter der freien Gewissensentscheidung haben die Tübinger Priesteramts-Kandidaten in den eigenen Mauern: den Fundamentaltheologen Prof. Dr. Hans Küng (40). Unmittelbar nach der Veröffentlichung der Zölibat-Enzyklika forderte Küng, den Priestern die Entscheidung über die Ehelosigkeit wieder wie ursprünglich freizustellen. Er bezeichnete den Zwang, unverheiratet zu bleiben, als biblisch nicht begründet und als hinderlich für die Bereitschaft zum Priesterberuf.
Tatsächlich hat ja Jesus dem einzelnen die Entscheidung in diesem Punkt überlassen. Im Kapitel Matth. 19 meinen die Jünger, es sei wohl „nicht gut, ehelich werden“. Er aber sprach: „Das Wort faßt nicht jedermann, sondern denen es gegeben ist.“ Petrus, der als erster Papst gilt, war verheiratet, und Paulus erteilt den Korinthern den Rat: „Sie aber sich nicht enthalten, so laß sie freien.“
Wie in vielen Fällen, so enthält die Schrift auch zu diesem Thema Zitate eher gegenteiliger Tendenz, und eine zweite Frage ist, welche Textstellen wiederum mit hinreichender Sicherheit als echt zu gelten haben und welche nicht. Das alles beweist aber nur, daß eben mit der Bibel im Sinne des Zölibat-Zwanges nicht gefochten werden kann.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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