Unsere Jahre im Busch - Im Wildschutzgebiet von Etoscha
Überhaupt sollten wir doch erst Ende August kommen? Wir sagten, wir sollten in einem Stallgebäude untergebracht werden. Stallgebäude? Keine Ahnung. Das alte Stallgebäude aus der deutschen Zeit sei doch runtergerissen. Stimmte haargenau. Im neuen, ganz ordentlichen saß der Baukontraktor mit zwei Maats und wusste von nichts. Feindschaft auf der ganzen Linie. Schließlich erlaubte man uns großmütig, in einem der sechs fertigen Gästebungalows zu wohnen.
Gestern habe ich den ganzen Tag geheult. Als ich nach Milch und Eiern fragte, hieß es, die Milchkuh sei trocken und die Hühner legten nicht. Milchpulver oder Büchsenmilch hatte ich vergessen, in Outjo zu kaufen. Dieter [Aschenborn, Anm. d. Red.] nahm mich aus Mitleid mit an den Rand der Pfanne, wo wir mit dem Fernglas Herden von Zebras, Gnus und Strauße beobachteten.
Heute geht es mir schon besser. Ich habe seit drei Tagen die erste Mahlzeit auf dem Petroleumofen gekocht. Harmse hat nämlich als Friedensangebot ein Stück Springbockbraten geschickt.
2. August 1952
Heute tauchte Charley Lange auf und löste auf die angenehmste Art und Weise unser Ernährungsproblem, indem er eine Menge Fressalien mitbrachte, auch Butter, die ich schwer benötigte. In seinem neuen chicen Volkswagen fuhren wir an den Rand der Pfanne und zum Wasserloch. Unterwegs beäugten uns Giraffen erst misstrauisch, ließen uns dann aber ganz nahe herankommen. Bald galoppierten sie im Auf und Ab ihrer langen Hälse davon, vier an der Zahl, standen dann wie Silhouetten gegen den Abendhimmel, übrig gebliebene Fabelwesen einer verschollenen Welt. Gegen den brandroten Himmel zog eine Herde Springböckchen, den weißen, kalkigen Staub wie eine Nebelwolke um sich her. Als ich sie durchs Fernglas betrachtete, sah ich ihre klare Zeichnung, fast flächenhaft wirkend, wie Buchmannszeichnungen auf Felsen. Rennende Strauße bewegten ihre Beine wie Lokomotivstangen. Es war schon dunkel, als wir Gnus begegneten. Eine Zebraherde stob vor uns davon und verschand spukhaft im wallenden Staub. An der Wasserstelle fanden wir nur Flamingos vor, das Rosarot ihres Gefieders vom silbernen Licht des Halbmondes überschüttet. Da lag die Pfanne vor uns, einsam und wüstenhaft, ohne Baum, Strauch oder Halm, vertrocknetes Urmeer. Schmale Pfade, von zierlichen Tierhufen getreten, breiteten kreuz und quer ihr Netz darüber. Schädel und Gebein eines Gnus verrieten die Stelle, wo der Löwe Mahlzeit gehalten hatte.
4. August 1952
Karl-Heinz nahm uns mit zu Steinmetz, unsern nächsten deutschen Nachbarn, 19 Meilen von hier. Bei Ombika sahen wir Kudukühe mit Kälbern. Die Bullen standen im Busch und brausten, wie wir, davon. Ein Volk Perlhühner setzte mit schrillem Gegacker zu einem trägen Flug an. Das rotbraune Laub der Mopane, die Lieblingskost der Elefanten, erinnerte mich an deutschen Laubwald im Herbst. Das feine Gras ist gelb wie ein Löwenfell, der Himmel darüber wolkenlos und von lichtem Blau. Der graue, pulvrige Staub, der von den holprigen Wegen aufstieg, lag dick auf unsern Haaren und auf dem neuen Wagen. Ehe wir nach Farm Oberland einbogen, mussten wir bei Voster vorbei. Der stand vor seinem trockenen, gepflügten Land und hatte einen drei Tage alten Bart im Gesicht. Charley riss sich mit der Grandezza eines spanischen Kavaliers den Hut vom Schädel und sprach händeschüttelnd: "Lange is die van, hoe is die pad?" Voster, sich nun seinerseits vorstellend, meinte, die "pad" sei "baie sleg".
Die erste Meile war es auch, doch die nächsten drei Meilen auf dem Grund und Boden der Deutschen waren besser im Schuss. Als wir uns dem Farmhaus näherten, stürzte verwundert eine Frau aus der Tür. Besuch sei hier rar, ein Wagen im Augenblick nicht vorhanden, weil der Herr des Hauses in Windhoek arbeite. Frau Steinmetz haust mit ihrer alten Mutter, die vor zwei Jahren ihr kleines fränkisches Städtchen verließ, allein im Busch. Die beiden Frauen hatten Sonntagsstaat angelegt. Ich fühlte mich etwas beschämt in meinen langen Hosen. 15 Jahre Aufenthalt in der Union von Südafrika haben mich leider schon verändert, während hier in Südwest doch noch deutsche Sitte herrscht. Das merkten wir auch, als die Kaffeemühle in der Küche gedreht wurde und der Rodonkuchen auf dem Tisch erschien.8. August 1952
Dieter kam gestern von Tsumeb zurück mit einer funkelnagelneuen Ford-Ein-Tonner, einem Fass Benzin, einigen Kisten zum Möbelbau, einem Haufen Proviant, Zeitschriften und hübschen Geschenken für mich und die Kinder. Es war wie Weihnachten. Die Deutschen, die hier kampierten, hatten mich kurz zuvor aus dem Bett gelotst und mit ans Lagerfeuer geschleppt. Dort saßen wir dann einträchtig zusammen und sangen Lieder, vom Spiel der Ziehharmonika begleitet.
10. August 1952
Gestern waren wir in Namutoni und bei Böhmes. Die Fahrt über die zum Teil saumäßigen Straßen ließ mich auf den hartgefederten Sitzen des neuen Autos wie einen Gummiball auf- und niederhüpfen. Später entwickelte ich eine Methode, mich zu schützen - eine Art Wellenritt - halb stehend, den Schwung auffangend und mitschwingend.
Die Pfanne zu unserer Linken glitzerte mit ihrer weißen Salzkruste wie ein See. Das flimmernde grelle Licht tat den Augen weh. Herden von Gnus und Zebras stoben davon. Springböcke taten ihre possierlichen Sprünge. Unter den Aloen machten sie Halt. Wir sahen deutlich ihre hübsche Färbung, die "Tränenspuren" in ihren Gesichtern. In der Buschmannmythologie gehören sie darum zu den Gefolgsleuten des Todes. An der ersten Wasserstelle trafen wir unter der Obhut Augusts, des mächtigen Ambo-Polizisten, ein Völklein Buschmänner mit Frauen und Kindern. Wie erbärmlich sahen sie aus, die Armen.
Über der Pfanne trieben Geier im Aufwind dahin, ohne ihre Flügel zu bewegen. Windhosen bliesen grauweißen Staub wie wirbelnde Wolken zum blauen Himmel. Violettes, hartes Gestrüpp, Brackbusch, das an Heidekraut erinnert, wuchs am Rande des Weges. Nun veränderte sich die kahle staubige Steppenlandschaft, die kaum noch Weidegras aufwies, Mopane-Wälder begannen. Über der Piste lag ein geknickter, entwurzelter Baum. Er war einem Elefanten im Weg gewesen. Das rote Laub erinnert mich an den Herbstwald meiner Heimat im bergischen Land. Aber dort rieselten Quellen, feucht und frisch - hier dorrt uns die Sonne aus, und die Zunge klebt uns am Gaumen.
Doch in der Ferne, verheißend weiß in der Sonne blinkend, tauchte unter Palmen Namutoni, das alte Schutztruppenfort, auf. Wir rasteten an der schwefelhaltigen Quelle, tauchten unsere Füße ins Wasser, das von einem gekalkten Becken, noch aus deutscher Zeit, aufgefangen wird. Es roch nach Wasser und nach dem Duft der Lorbeerrose, wie die deutsche Bezeichnung für Oleander. Hier soll auch ein Restkamp gebaut werden. Ich würde hier viel lieber wohnen als in Okaukuejo. Es ist romantischer und das Wasserbecken ist da. Nur die Polizeigebäude passen nicht zu dem Stil.
1857 versuchten die Missionare der rheinischen Mission, Hahn und Raht, begleitet vom Händler Green, eine Station in Ondonga zu errichten. Das Unternehmen misslang. Auch ihr Weg führte über Namutoni. 1870 gelang es den Finnen Fuß zu fassen.
1886 kam ein Züricher Botaniker mehr tot als lebendig in Namutoni an. Der Botaniker hatte das Ovamboland vom Westen nach Osten durchkreuzt, bis ihn der Häuptling auswies. Glücklicherweise konnte er die Ausbeute seines Fleißes retten.
1895 wurde die Nord- und Ostgrenze des Hererolandes gegen die von Zentralafrika nahende Rinderpest abgesperrt, die den einzigen Reichtum der Bantuhirtenvölker bedrohte. Man glaubte, dass außer Rindern auch Antilopen die Seuche verschleppten. Die Truppe erhielt den Befehl, die Antilopen abzuschießen. In der Zeit bekamen die Reiter Malaria und Skorbut. Die Besatzung wurde zurückgezogen, den Antilopen geschah nichts.
1899 erhielt der Oberarzt Jodtka den Befehl, auf Namutoni, dem strategisch wichtigsten Punkt auf der Grenze zwischen Herero und Ovamboland, eine Feste zu bauen. So gab die Feste bald Raum und Station für sechs bis acht Reiter, die, hunderte von Kilometern von den Nachbarstationen Grootfontein und Outjo entfernt, die das deutsche Reich und den Schutz gegen das Ovamboland repräsentierten.
Am 28. Januar 1904 überfielen 500 Ovambo Namutoni. Sieben Reiter unter der Führung von Sergeant Grossmann wiesen den Überfall ab. Nach dem Sieg zog sich die Besatzung, die ihre Munition verbraucht hatte, nach Grootfontein zurück. Die Ovambo kamen wieder und brannten die Feste bis auf die Grundmauern nieder. 1905 wurde die Feste wieder aufgebaut und bekam vier Ecktürme, vier Zugangswege aus den vier Himmelsrichtungen führten durch die Mitte der vier Fronten in den Hof.
1912 wurden Namutoni und Koes, die beiden schönsten Stationen Südwests, aus Sparsamkeitsgründen des deutschen Reiches geräumt. Seit der Zeit verfällt das Fort immer mehr. Aber nun will man es für die Touristen wieder aufbauen. Wie gern würde ich am Aufbau des neuen Restkamps mithelfen.
Aber wir mussten weiter. Böhmes Farm liegt inmitten von grünen Bäumen und Luzernefeldern. Da kam er selbst: der Löwenjäger, lang und hager, den leeren Hemdärmel gelassen, doch mit Würde tragend. Ein Löwe hatte ihm bei einem Kampf den rechten Arm abgerissen. Interessant, sich mit ihm und seiner tüchtigen, resoluten Frau Ella zu unterhalten; aber Böhmes mussten fort und wir mussten uns auf den Heimweg machen. Wir bekamen Milch, Zitronen und Gemüse geschenkt, sahen junge Zebras mit Eselinnen und einem Elandkind mit einer Kuhmutter im Kraal. Es lag hilflos da, doch voller Grazie, die schönen sanften Augen von langen Wimpern beschattet.
Die Sonne ging unter, als wir die Rückreise antraten. Die Salzpfanne sah jetzt smaragdgrün aus. Ein Widerschein davon stand über dem brennenden Rot am Horizont. Die Dornbäume bekamen ihre Filigransilhouetten und die Aloen am Wege sahen in der Dunkelheit aus, als warteten sie auf jemanden. Die schlechten Straßen machten im Scheinwerferlicht einen öden und verlassenen Eindruck. An einem Feuer warteten Buschleute auf uns. Wir nahmen sie mit nach Okaukuejo. Ich war froh, als wir zu hause waren.
Die Hälfte des Monats ist schon um. Wie die Zeit fliegt.21. August 1952
Wir haben Löwen gesehen. Gestern Abend fuhren wir mit dem Wohnwagen nach Leeubron. Dieter hatte Magen, Leber, Nieren und Därme des Zebras, das er für die Buschleute schoss, an den Rand der Wasserstelle gelegt. Ein magerer Schakal kam angelaufen, beschnupperte die Därme und zog sich pfeilschnell wieder zurück. Er lief nach Hundeart im Kreis um uns herum, fand einen Bissen und verschlang ihn gierig. Endlich fand er einen großen Knochen und schleppte ihn ins hohe Gras. Auf einmal schwirrten alle Vögel weg - und wir hörten den König der Steppe. Mit einem grollenden Gebrumm kündigte er sein Herannahen an. Jetzt hörten wir noch andere Löwenstimmen. Gespannt und atemlos warteten wir. Zuerst kamen zwei Kleine springend und spielend zum Wasser gelaufen, die Mutter folgte.
Es kamen noch weitere weibliche Löwen mit ihrem Nachwuchs, sowie zwei Halbwüchsigen und einer trächtigen Löwin - ein unglaublich schönes Bild, die stolzen Tiere mit ihren possierlichen Jungen in freier Wildbahn zu sehen. Die Sonne ging gerade unter und das Goldrot des brennenden Himmels spiegelte sich im Wasser. Die Löwenkinder tollten umher, während die Mütter ihren Nachwuchs nicht aus den Augen ließen. Und nun kam mit halblautem Gebrüll ein Löwe mit prachtvoller Mähne heran. Es war schon fast dunkel und wirkte beinahe nur noch wie eine Silhouette. Wir schreckten auf, als laut brüllend ein zweiter erschien. Leider konnten wir nichts mehr sehen und legten uns in den Wohnwagen zum Schlafen. Wir hörten noch lange das Gebrüll, ich bekam eine Gänsehaut. So wie sein Fell einen Geruch nach Verwesung ausströmt, so mahnt sein Schrei an den Tod. Auch er gehört, wie es die alten Märchen erzählen, in die Unterwelt.
9. September 1952
Wir sind im Stallhaus. Bis auf die Installation von Bad und Küchenbassin ist alles fertig. Dieter ist begeistert vom Wohn-Schlafzimmer. Wir haben aus Namutoni Eichenmöbel aus der Schutztruppenzeit mitgebracht. Auch die Kinder haben ihr eigenes kleines Reich. Übrigens hat der Stall nie seiner eigentlichen Bestimmung gedient. Die Polizei hat nie Pferde halten können, weil sie scheuten, wenn sie auch nur den Geruch der Löwen witterten.
Sonntag waren wir in Outjo zum Flugtag. Abends gab es auf dem Flugplatz Braaivleis und Bier, viel Gesang und Akkordeonmusik, die Fritze Kaufmann spielte. Samstag gab es Flugvorführungen und Tanz hinterher. Wieder zu Hause angekommen, fanden wir ein Telegramm vom hohen Chef vor: Kom Vrydag, Saterdag of Sondag. Sondag war's nun schon. Darum fuhr Dieter gleich wieder los nach Otjiwarongo.
25. September 1952
Es war wieder allerlei los. Zwiebels, Hugos, Du-Plessis und Hellmuth Finkeldey waren hier. Es ist schwül und sieht nach Regen aus. Dieter ist mit dem hohen Chef und Piet Erasmus unterwegs auf Jagd.
Über das Wochenende übernachteten einige Besucher an der Fonteine, darunter eine Familie de Waal aus dem Kap. Sie wollten unbedingt Löwen sehen. Den ganzen Tag waren sie unterwegs, vergeblich, keine "leeus". Als die Männer am Lagerfeuer Skat kloppten, sagte die zahnlose Oma mit zittriger Stimme: "Daar is die leeus", und deutete auf den Busch. Sie wurde heftig ausgelacht und man spielte weiter, bis acht Löwen erschienen und die de Waals elf Mann hoch auf den Laster flüchteten. Die Löwen inspizierten inzwischen das Gelände, warfen den Kaffeekessel um und zerrissen drei Kinderkleider, die sie von der Leine zerrten.30. September 1952
Nun haben wir die Löwen auch am helllichten Tag gesehen. Wir wären beinahe vorbeigefahren, so sehr ist ihre Färbung der Umgebung angepasst. Ihre Haarbüschel sehen wie die Gräser ringsumher aus. Der etwas dunklere Mähnenlöwe richtete sich zur vollen, imposanten Größe hoch, sperrte seinen Rachen auf und fauchte. Die Löwin lag faul im Gras und blinzelte uns aus bernsteingelben Augen hochmütig an.
Minister Naude mit Frau und Sohn André waren hier. Die Gäste wurden von uns ausgezeichnet versorgt. Der Minister soll ein gutes Wort beim Parlament einlegen, dass die Südwester Wildreservate unter "board of parks" fallen sollen. Das bedeutet Pensionsberechtigung für Dieter und mehr Staatszuschüsse.
16. Oktober 1952
Von einem Architekten wurden sechs Gästehäuser wie in einer Strafkolonie in einer Reihe aufgebaut. Um das Bild der Phantasielosigkeit abzurunden, wurde dazu noch jeder Baum und Strauch in der Nähe gefällt, abgekappt und ausgerottet. Dieter hat wilde Bäume: Witgat, Omumborumbonga und Kannidoot aus dem Busch geholt und pflanzte Aloen. Mit Hilfe der Ovambo will er strohgedeckte Rundhütten errichten.
17. Dezember 1952
Die Möbel für die Gästehäuser sind angekommen. Im Januar will ich anfangen, Gardinen zu nähen. Dieter hat Rietmatten vor die Fester spannen lassen.
2. Januar 1953
Das Jahr fängt gut an. Heute erhielt ich zwei Exemplare des Stadtanzeigers aus Wuppertal mit meinem Artikel über das Wildgehege der Etoscha-Pfanne mit drei Federzeichnungen von Dieter dabei.
Frau Böhme hat uns den Omuramba gezeigt, das Flussbett des trockenen Riviers, der nur alle zehn Jahre Wasser führt. Hohe Fächerpalmen ragen über die Dornbüsche empor und geben der vertrauten Landschaft etwas fremdländisches, tropisches. Das Flussbett ist mit riesigen Hardekolbäumen bestanden, Omumborumbonga von den Herero genannt. Es ist ihr heiliger Baum. Die ersten Menschen sind aus ihm heraus geschritten. Seltsam, dass ein schwarzes Volk im südlichen Afrika mit dem germanischen Volk im nördlichen Europa denselben Glauben teilt, dass ein Baum den ersten Mann und das erste Weib beherbergte. Im Norden ist es die Esche, die große Weltesche.
Die Landschaft am Rivier ist parkähnlich. Rooibos wächst hier und der zartblättrige Hakkies, der im September rahmfarbene flauschige kugelige Blüten trägt. Unterwegs sahen wir Zebrafüllen mutig an der Seite ihrer Mütter traben und junge braunfarbene Gnukälber. Strauße rannten im 30-Meilentempo neben uns her.
10. Januar 1953
Gestern waren wir in Leeubron. Dort, wo noch vor kurzem alles grau und kahl war, sprießt jetzt nach dem Regen das junge Gras. Tausende von Zebras und Gnus weideten auf der Fläche. Hunderte und aberhunderte von schwarzen Storchenvögeln stocherten mit ihren langen Schnäbeln in der Erde. Wir sahen in einem Vogelbuch nach, denn Dieter meinte, es seien Ibisse oder schwarze Störche. Auf der Abbildung glich der Storch einem Vogel vom Nil, der mit Nimmersatt bezeichnet wird.
4. Februar 1953
Heute sahen wir zum ersten Mal den Riesen aus der Urzeit, den Elefanten, als wir durch die lähmende Mittagshitze nach Ombika fuhren. Er hatte den Rüssel gefährlich gehoben. Mein Herz klopfte vor Aufregung und ich bat Dieter, langsam zu fahren. Er lachte mich aus. Jetzt sah ich es selbst ganz deutlich: Es war eine Giraffe. Bei Ombika entdeckten wir frische Losung, aber keinen Elefanten.
Wir fuhren noch ein Stückchen weiter. Und da stand er. Im Mopane-Wald schüttelte er den grauen Staub, mit dem er sich gepudert hatte, von seinem mächtigen Körper und reckte uns bedrohlich die kurzen Stoßzähne entgegen. Seine winzigen Augen gucken uns argwöhnisch an, und seine Ohren bewegte er wie Riesenfächer. Um welche Zeit mag wohl sein Urahn das Gebiet der Etoscha-Pfanne durchstreift haben? Vor noch nicht langer Zeit wurde er fast von den Elfenbeinjägern ausgerottet. Heute freuen wir uns, wenn wir überhaupt einen im Wildschutzgebiet zu sehen bekommen.
9. August 1953
Gestern bin ich zum ersten Mal in meinem Leben geflogen. Der deutsche Generalkonsul, Dr. Holzhausen, war mit dem Flugzeug hier. Der Pilot, Herr Schenk, nahm mich zum Dank für die genossene Gastfreundschaft mit in die Luft. Das Land unter uns war sandig und trocken, die kleinen Buschgruppen sahen aus wie die Haarkringel auf einem Buschmannkopf. Spielzeugklein lag Okaukuejo da mit seinen Gästehäusern. Und dort war die Fonteine, ein kleines grünes Wasserauge, mit den neu gebauten Riedhütten. Gemsböcke sahen zu uns hoch und jagten dann in elegantem Galopp davon. Da lag sie unter uns, die gleißend weiße Pfanne, mit den Adern der Wildwechsel im Sand. Der Horizont verschwamm mit dem grellen Grünweiß der Pfanne. So einsam, gewaltig und öde breitete sich das vertrocknete Urmeer unter uns aus, ein großartiger Anblick.
Als Krönung des ereignisreichen Tages sahen wir abends bei Ombika eine Herde Elefanten. Die Sonne war schon untergegangen. Als wir schon alle Hoffnung aufgegeben hatten, erblickten wir sie, wie sie würdevoll zum Wasser zogen.
Hannelise Kendzia
Gestern habe ich den ganzen Tag geheult. Als ich nach Milch und Eiern fragte, hieß es, die Milchkuh sei trocken und die Hühner legten nicht. Milchpulver oder Büchsenmilch hatte ich vergessen, in Outjo zu kaufen. Dieter [Aschenborn, Anm. d. Red.] nahm mich aus Mitleid mit an den Rand der Pfanne, wo wir mit dem Fernglas Herden von Zebras, Gnus und Strauße beobachteten.
Heute geht es mir schon besser. Ich habe seit drei Tagen die erste Mahlzeit auf dem Petroleumofen gekocht. Harmse hat nämlich als Friedensangebot ein Stück Springbockbraten geschickt.
2. August 1952
Heute tauchte Charley Lange auf und löste auf die angenehmste Art und Weise unser Ernährungsproblem, indem er eine Menge Fressalien mitbrachte, auch Butter, die ich schwer benötigte. In seinem neuen chicen Volkswagen fuhren wir an den Rand der Pfanne und zum Wasserloch. Unterwegs beäugten uns Giraffen erst misstrauisch, ließen uns dann aber ganz nahe herankommen. Bald galoppierten sie im Auf und Ab ihrer langen Hälse davon, vier an der Zahl, standen dann wie Silhouetten gegen den Abendhimmel, übrig gebliebene Fabelwesen einer verschollenen Welt. Gegen den brandroten Himmel zog eine Herde Springböckchen, den weißen, kalkigen Staub wie eine Nebelwolke um sich her. Als ich sie durchs Fernglas betrachtete, sah ich ihre klare Zeichnung, fast flächenhaft wirkend, wie Buchmannszeichnungen auf Felsen. Rennende Strauße bewegten ihre Beine wie Lokomotivstangen. Es war schon dunkel, als wir Gnus begegneten. Eine Zebraherde stob vor uns davon und verschand spukhaft im wallenden Staub. An der Wasserstelle fanden wir nur Flamingos vor, das Rosarot ihres Gefieders vom silbernen Licht des Halbmondes überschüttet. Da lag die Pfanne vor uns, einsam und wüstenhaft, ohne Baum, Strauch oder Halm, vertrocknetes Urmeer. Schmale Pfade, von zierlichen Tierhufen getreten, breiteten kreuz und quer ihr Netz darüber. Schädel und Gebein eines Gnus verrieten die Stelle, wo der Löwe Mahlzeit gehalten hatte.
4. August 1952
Karl-Heinz nahm uns mit zu Steinmetz, unsern nächsten deutschen Nachbarn, 19 Meilen von hier. Bei Ombika sahen wir Kudukühe mit Kälbern. Die Bullen standen im Busch und brausten, wie wir, davon. Ein Volk Perlhühner setzte mit schrillem Gegacker zu einem trägen Flug an. Das rotbraune Laub der Mopane, die Lieblingskost der Elefanten, erinnerte mich an deutschen Laubwald im Herbst. Das feine Gras ist gelb wie ein Löwenfell, der Himmel darüber wolkenlos und von lichtem Blau. Der graue, pulvrige Staub, der von den holprigen Wegen aufstieg, lag dick auf unsern Haaren und auf dem neuen Wagen. Ehe wir nach Farm Oberland einbogen, mussten wir bei Voster vorbei. Der stand vor seinem trockenen, gepflügten Land und hatte einen drei Tage alten Bart im Gesicht. Charley riss sich mit der Grandezza eines spanischen Kavaliers den Hut vom Schädel und sprach händeschüttelnd: "Lange is die van, hoe is die pad?" Voster, sich nun seinerseits vorstellend, meinte, die "pad" sei "baie sleg".
Die erste Meile war es auch, doch die nächsten drei Meilen auf dem Grund und Boden der Deutschen waren besser im Schuss. Als wir uns dem Farmhaus näherten, stürzte verwundert eine Frau aus der Tür. Besuch sei hier rar, ein Wagen im Augenblick nicht vorhanden, weil der Herr des Hauses in Windhoek arbeite. Frau Steinmetz haust mit ihrer alten Mutter, die vor zwei Jahren ihr kleines fränkisches Städtchen verließ, allein im Busch. Die beiden Frauen hatten Sonntagsstaat angelegt. Ich fühlte mich etwas beschämt in meinen langen Hosen. 15 Jahre Aufenthalt in der Union von Südafrika haben mich leider schon verändert, während hier in Südwest doch noch deutsche Sitte herrscht. Das merkten wir auch, als die Kaffeemühle in der Küche gedreht wurde und der Rodonkuchen auf dem Tisch erschien.8. August 1952
Dieter kam gestern von Tsumeb zurück mit einer funkelnagelneuen Ford-Ein-Tonner, einem Fass Benzin, einigen Kisten zum Möbelbau, einem Haufen Proviant, Zeitschriften und hübschen Geschenken für mich und die Kinder. Es war wie Weihnachten. Die Deutschen, die hier kampierten, hatten mich kurz zuvor aus dem Bett gelotst und mit ans Lagerfeuer geschleppt. Dort saßen wir dann einträchtig zusammen und sangen Lieder, vom Spiel der Ziehharmonika begleitet.
10. August 1952
Gestern waren wir in Namutoni und bei Böhmes. Die Fahrt über die zum Teil saumäßigen Straßen ließ mich auf den hartgefederten Sitzen des neuen Autos wie einen Gummiball auf- und niederhüpfen. Später entwickelte ich eine Methode, mich zu schützen - eine Art Wellenritt - halb stehend, den Schwung auffangend und mitschwingend.
Die Pfanne zu unserer Linken glitzerte mit ihrer weißen Salzkruste wie ein See. Das flimmernde grelle Licht tat den Augen weh. Herden von Gnus und Zebras stoben davon. Springböcke taten ihre possierlichen Sprünge. Unter den Aloen machten sie Halt. Wir sahen deutlich ihre hübsche Färbung, die "Tränenspuren" in ihren Gesichtern. In der Buschmannmythologie gehören sie darum zu den Gefolgsleuten des Todes. An der ersten Wasserstelle trafen wir unter der Obhut Augusts, des mächtigen Ambo-Polizisten, ein Völklein Buschmänner mit Frauen und Kindern. Wie erbärmlich sahen sie aus, die Armen.
Über der Pfanne trieben Geier im Aufwind dahin, ohne ihre Flügel zu bewegen. Windhosen bliesen grauweißen Staub wie wirbelnde Wolken zum blauen Himmel. Violettes, hartes Gestrüpp, Brackbusch, das an Heidekraut erinnert, wuchs am Rande des Weges. Nun veränderte sich die kahle staubige Steppenlandschaft, die kaum noch Weidegras aufwies, Mopane-Wälder begannen. Über der Piste lag ein geknickter, entwurzelter Baum. Er war einem Elefanten im Weg gewesen. Das rote Laub erinnert mich an den Herbstwald meiner Heimat im bergischen Land. Aber dort rieselten Quellen, feucht und frisch - hier dorrt uns die Sonne aus, und die Zunge klebt uns am Gaumen.
Doch in der Ferne, verheißend weiß in der Sonne blinkend, tauchte unter Palmen Namutoni, das alte Schutztruppenfort, auf. Wir rasteten an der schwefelhaltigen Quelle, tauchten unsere Füße ins Wasser, das von einem gekalkten Becken, noch aus deutscher Zeit, aufgefangen wird. Es roch nach Wasser und nach dem Duft der Lorbeerrose, wie die deutsche Bezeichnung für Oleander. Hier soll auch ein Restkamp gebaut werden. Ich würde hier viel lieber wohnen als in Okaukuejo. Es ist romantischer und das Wasserbecken ist da. Nur die Polizeigebäude passen nicht zu dem Stil.
1857 versuchten die Missionare der rheinischen Mission, Hahn und Raht, begleitet vom Händler Green, eine Station in Ondonga zu errichten. Das Unternehmen misslang. Auch ihr Weg führte über Namutoni. 1870 gelang es den Finnen Fuß zu fassen.
1886 kam ein Züricher Botaniker mehr tot als lebendig in Namutoni an. Der Botaniker hatte das Ovamboland vom Westen nach Osten durchkreuzt, bis ihn der Häuptling auswies. Glücklicherweise konnte er die Ausbeute seines Fleißes retten.
1895 wurde die Nord- und Ostgrenze des Hererolandes gegen die von Zentralafrika nahende Rinderpest abgesperrt, die den einzigen Reichtum der Bantuhirtenvölker bedrohte. Man glaubte, dass außer Rindern auch Antilopen die Seuche verschleppten. Die Truppe erhielt den Befehl, die Antilopen abzuschießen. In der Zeit bekamen die Reiter Malaria und Skorbut. Die Besatzung wurde zurückgezogen, den Antilopen geschah nichts.
1899 erhielt der Oberarzt Jodtka den Befehl, auf Namutoni, dem strategisch wichtigsten Punkt auf der Grenze zwischen Herero und Ovamboland, eine Feste zu bauen. So gab die Feste bald Raum und Station für sechs bis acht Reiter, die, hunderte von Kilometern von den Nachbarstationen Grootfontein und Outjo entfernt, die das deutsche Reich und den Schutz gegen das Ovamboland repräsentierten.
Am 28. Januar 1904 überfielen 500 Ovambo Namutoni. Sieben Reiter unter der Führung von Sergeant Grossmann wiesen den Überfall ab. Nach dem Sieg zog sich die Besatzung, die ihre Munition verbraucht hatte, nach Grootfontein zurück. Die Ovambo kamen wieder und brannten die Feste bis auf die Grundmauern nieder. 1905 wurde die Feste wieder aufgebaut und bekam vier Ecktürme, vier Zugangswege aus den vier Himmelsrichtungen führten durch die Mitte der vier Fronten in den Hof.
1912 wurden Namutoni und Koes, die beiden schönsten Stationen Südwests, aus Sparsamkeitsgründen des deutschen Reiches geräumt. Seit der Zeit verfällt das Fort immer mehr. Aber nun will man es für die Touristen wieder aufbauen. Wie gern würde ich am Aufbau des neuen Restkamps mithelfen.
Aber wir mussten weiter. Böhmes Farm liegt inmitten von grünen Bäumen und Luzernefeldern. Da kam er selbst: der Löwenjäger, lang und hager, den leeren Hemdärmel gelassen, doch mit Würde tragend. Ein Löwe hatte ihm bei einem Kampf den rechten Arm abgerissen. Interessant, sich mit ihm und seiner tüchtigen, resoluten Frau Ella zu unterhalten; aber Böhmes mussten fort und wir mussten uns auf den Heimweg machen. Wir bekamen Milch, Zitronen und Gemüse geschenkt, sahen junge Zebras mit Eselinnen und einem Elandkind mit einer Kuhmutter im Kraal. Es lag hilflos da, doch voller Grazie, die schönen sanften Augen von langen Wimpern beschattet.
Die Sonne ging unter, als wir die Rückreise antraten. Die Salzpfanne sah jetzt smaragdgrün aus. Ein Widerschein davon stand über dem brennenden Rot am Horizont. Die Dornbäume bekamen ihre Filigransilhouetten und die Aloen am Wege sahen in der Dunkelheit aus, als warteten sie auf jemanden. Die schlechten Straßen machten im Scheinwerferlicht einen öden und verlassenen Eindruck. An einem Feuer warteten Buschleute auf uns. Wir nahmen sie mit nach Okaukuejo. Ich war froh, als wir zu hause waren.
Die Hälfte des Monats ist schon um. Wie die Zeit fliegt.21. August 1952
Wir haben Löwen gesehen. Gestern Abend fuhren wir mit dem Wohnwagen nach Leeubron. Dieter hatte Magen, Leber, Nieren und Därme des Zebras, das er für die Buschleute schoss, an den Rand der Wasserstelle gelegt. Ein magerer Schakal kam angelaufen, beschnupperte die Därme und zog sich pfeilschnell wieder zurück. Er lief nach Hundeart im Kreis um uns herum, fand einen Bissen und verschlang ihn gierig. Endlich fand er einen großen Knochen und schleppte ihn ins hohe Gras. Auf einmal schwirrten alle Vögel weg - und wir hörten den König der Steppe. Mit einem grollenden Gebrumm kündigte er sein Herannahen an. Jetzt hörten wir noch andere Löwenstimmen. Gespannt und atemlos warteten wir. Zuerst kamen zwei Kleine springend und spielend zum Wasser gelaufen, die Mutter folgte.
Es kamen noch weitere weibliche Löwen mit ihrem Nachwuchs, sowie zwei Halbwüchsigen und einer trächtigen Löwin - ein unglaublich schönes Bild, die stolzen Tiere mit ihren possierlichen Jungen in freier Wildbahn zu sehen. Die Sonne ging gerade unter und das Goldrot des brennenden Himmels spiegelte sich im Wasser. Die Löwenkinder tollten umher, während die Mütter ihren Nachwuchs nicht aus den Augen ließen. Und nun kam mit halblautem Gebrüll ein Löwe mit prachtvoller Mähne heran. Es war schon fast dunkel und wirkte beinahe nur noch wie eine Silhouette. Wir schreckten auf, als laut brüllend ein zweiter erschien. Leider konnten wir nichts mehr sehen und legten uns in den Wohnwagen zum Schlafen. Wir hörten noch lange das Gebrüll, ich bekam eine Gänsehaut. So wie sein Fell einen Geruch nach Verwesung ausströmt, so mahnt sein Schrei an den Tod. Auch er gehört, wie es die alten Märchen erzählen, in die Unterwelt.
9. September 1952
Wir sind im Stallhaus. Bis auf die Installation von Bad und Küchenbassin ist alles fertig. Dieter ist begeistert vom Wohn-Schlafzimmer. Wir haben aus Namutoni Eichenmöbel aus der Schutztruppenzeit mitgebracht. Auch die Kinder haben ihr eigenes kleines Reich. Übrigens hat der Stall nie seiner eigentlichen Bestimmung gedient. Die Polizei hat nie Pferde halten können, weil sie scheuten, wenn sie auch nur den Geruch der Löwen witterten.
Sonntag waren wir in Outjo zum Flugtag. Abends gab es auf dem Flugplatz Braaivleis und Bier, viel Gesang und Akkordeonmusik, die Fritze Kaufmann spielte. Samstag gab es Flugvorführungen und Tanz hinterher. Wieder zu Hause angekommen, fanden wir ein Telegramm vom hohen Chef vor: Kom Vrydag, Saterdag of Sondag. Sondag war's nun schon. Darum fuhr Dieter gleich wieder los nach Otjiwarongo.
25. September 1952
Es war wieder allerlei los. Zwiebels, Hugos, Du-Plessis und Hellmuth Finkeldey waren hier. Es ist schwül und sieht nach Regen aus. Dieter ist mit dem hohen Chef und Piet Erasmus unterwegs auf Jagd.
Über das Wochenende übernachteten einige Besucher an der Fonteine, darunter eine Familie de Waal aus dem Kap. Sie wollten unbedingt Löwen sehen. Den ganzen Tag waren sie unterwegs, vergeblich, keine "leeus". Als die Männer am Lagerfeuer Skat kloppten, sagte die zahnlose Oma mit zittriger Stimme: "Daar is die leeus", und deutete auf den Busch. Sie wurde heftig ausgelacht und man spielte weiter, bis acht Löwen erschienen und die de Waals elf Mann hoch auf den Laster flüchteten. Die Löwen inspizierten inzwischen das Gelände, warfen den Kaffeekessel um und zerrissen drei Kinderkleider, die sie von der Leine zerrten.30. September 1952
Nun haben wir die Löwen auch am helllichten Tag gesehen. Wir wären beinahe vorbeigefahren, so sehr ist ihre Färbung der Umgebung angepasst. Ihre Haarbüschel sehen wie die Gräser ringsumher aus. Der etwas dunklere Mähnenlöwe richtete sich zur vollen, imposanten Größe hoch, sperrte seinen Rachen auf und fauchte. Die Löwin lag faul im Gras und blinzelte uns aus bernsteingelben Augen hochmütig an.
Minister Naude mit Frau und Sohn André waren hier. Die Gäste wurden von uns ausgezeichnet versorgt. Der Minister soll ein gutes Wort beim Parlament einlegen, dass die Südwester Wildreservate unter "board of parks" fallen sollen. Das bedeutet Pensionsberechtigung für Dieter und mehr Staatszuschüsse.
16. Oktober 1952
Von einem Architekten wurden sechs Gästehäuser wie in einer Strafkolonie in einer Reihe aufgebaut. Um das Bild der Phantasielosigkeit abzurunden, wurde dazu noch jeder Baum und Strauch in der Nähe gefällt, abgekappt und ausgerottet. Dieter hat wilde Bäume: Witgat, Omumborumbonga und Kannidoot aus dem Busch geholt und pflanzte Aloen. Mit Hilfe der Ovambo will er strohgedeckte Rundhütten errichten.
17. Dezember 1952
Die Möbel für die Gästehäuser sind angekommen. Im Januar will ich anfangen, Gardinen zu nähen. Dieter hat Rietmatten vor die Fester spannen lassen.
2. Januar 1953
Das Jahr fängt gut an. Heute erhielt ich zwei Exemplare des Stadtanzeigers aus Wuppertal mit meinem Artikel über das Wildgehege der Etoscha-Pfanne mit drei Federzeichnungen von Dieter dabei.
Frau Böhme hat uns den Omuramba gezeigt, das Flussbett des trockenen Riviers, der nur alle zehn Jahre Wasser führt. Hohe Fächerpalmen ragen über die Dornbüsche empor und geben der vertrauten Landschaft etwas fremdländisches, tropisches. Das Flussbett ist mit riesigen Hardekolbäumen bestanden, Omumborumbonga von den Herero genannt. Es ist ihr heiliger Baum. Die ersten Menschen sind aus ihm heraus geschritten. Seltsam, dass ein schwarzes Volk im südlichen Afrika mit dem germanischen Volk im nördlichen Europa denselben Glauben teilt, dass ein Baum den ersten Mann und das erste Weib beherbergte. Im Norden ist es die Esche, die große Weltesche.
Die Landschaft am Rivier ist parkähnlich. Rooibos wächst hier und der zartblättrige Hakkies, der im September rahmfarbene flauschige kugelige Blüten trägt. Unterwegs sahen wir Zebrafüllen mutig an der Seite ihrer Mütter traben und junge braunfarbene Gnukälber. Strauße rannten im 30-Meilentempo neben uns her.
10. Januar 1953
Gestern waren wir in Leeubron. Dort, wo noch vor kurzem alles grau und kahl war, sprießt jetzt nach dem Regen das junge Gras. Tausende von Zebras und Gnus weideten auf der Fläche. Hunderte und aberhunderte von schwarzen Storchenvögeln stocherten mit ihren langen Schnäbeln in der Erde. Wir sahen in einem Vogelbuch nach, denn Dieter meinte, es seien Ibisse oder schwarze Störche. Auf der Abbildung glich der Storch einem Vogel vom Nil, der mit Nimmersatt bezeichnet wird.
4. Februar 1953
Heute sahen wir zum ersten Mal den Riesen aus der Urzeit, den Elefanten, als wir durch die lähmende Mittagshitze nach Ombika fuhren. Er hatte den Rüssel gefährlich gehoben. Mein Herz klopfte vor Aufregung und ich bat Dieter, langsam zu fahren. Er lachte mich aus. Jetzt sah ich es selbst ganz deutlich: Es war eine Giraffe. Bei Ombika entdeckten wir frische Losung, aber keinen Elefanten.
Wir fuhren noch ein Stückchen weiter. Und da stand er. Im Mopane-Wald schüttelte er den grauen Staub, mit dem er sich gepudert hatte, von seinem mächtigen Körper und reckte uns bedrohlich die kurzen Stoßzähne entgegen. Seine winzigen Augen gucken uns argwöhnisch an, und seine Ohren bewegte er wie Riesenfächer. Um welche Zeit mag wohl sein Urahn das Gebiet der Etoscha-Pfanne durchstreift haben? Vor noch nicht langer Zeit wurde er fast von den Elfenbeinjägern ausgerottet. Heute freuen wir uns, wenn wir überhaupt einen im Wildschutzgebiet zu sehen bekommen.
9. August 1953
Gestern bin ich zum ersten Mal in meinem Leben geflogen. Der deutsche Generalkonsul, Dr. Holzhausen, war mit dem Flugzeug hier. Der Pilot, Herr Schenk, nahm mich zum Dank für die genossene Gastfreundschaft mit in die Luft. Das Land unter uns war sandig und trocken, die kleinen Buschgruppen sahen aus wie die Haarkringel auf einem Buschmannkopf. Spielzeugklein lag Okaukuejo da mit seinen Gästehäusern. Und dort war die Fonteine, ein kleines grünes Wasserauge, mit den neu gebauten Riedhütten. Gemsböcke sahen zu uns hoch und jagten dann in elegantem Galopp davon. Da lag sie unter uns, die gleißend weiße Pfanne, mit den Adern der Wildwechsel im Sand. Der Horizont verschwamm mit dem grellen Grünweiß der Pfanne. So einsam, gewaltig und öde breitete sich das vertrocknete Urmeer unter uns aus, ein großartiger Anblick.
Als Krönung des ereignisreichen Tages sahen wir abends bei Ombika eine Herde Elefanten. Die Sonne war schon untergegangen. Als wir schon alle Hoffnung aufgegeben hatten, erblickten wir sie, wie sie würdevoll zum Wasser zogen.
Hannelise Kendzia
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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