Tötemeyer: "An einen Schuldenerlass denken wir nicht"
Können die verschuldeten und durch Stromschnitt "verfinsterten" Ortschaften wieder hochkommen? Prof. Gerhard Tötemeyer, Vizeminister für Regional- und Kommunalverwaltung und Wohnungsbau, beantwortet Fragen der AZ. Das Interview führte Eberhard Hofmann.
AZ: Etliche Ortschaften erscheinen wiederholt in den Schlagzeilen, dass NamPower ihnen den Strom ausschaltet und NamWater gerade noch so viel Wasser zuleitet, dass die Einwohner nicht verdursten. Aber sie können sich kaum noch waschen. Welche Ortschaften sind am meisten betroffen?
Tötemeyer: Zurzeit sind Katima Mulilo und Okakarara am meisten betroffen. Es scheint, als ob sich in Usakos und Karibib eine Lösung anbahnt.
AZ: Sollte man in der Kommunalmisere solcher Ortschaften einen Unterschied zwischen alt-etablierten wie Karibib und jüngst proklamierten Gemeinden wie Okakarara treffen?
Tötemeyer: Man kann verschiedene Unterschiede antreffen, vor allem zwischen größeren und seit langem etablierten Lokalverwaltungen und kleineren als auch diejenigen, die nach der Unabhängigkeit entstanden sind. Unter letzteren gibt es exzellente Verwaltungen wie Ongwediva, aber auch eine ganze Reihe mit Defiziten an qualifizierten Kräften und Dienstleistungen. Ausgebildete Kräfte für Lokalverwaltung, vor allem für die neugegründete, gab es nach der Unabhängigkeit wenige, da die schwarze Bevölkerung vor der Unabhängigkeit keine eigenen Lokalverwaltungen hatte und somit die Erfahrung fehlte. Es bestand also Nachholbedarf. Das Ministerium hat in Zusammenarbeit mit verschiedenen Nichtregierungsorganisationen Ausbildungskurse veranstaltet, aber nicht immer mit dem erhofften Erfolg.
AZ: Auch vor der Unabhängigkeit sind kleinere Städte in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Lüderitzbucht hat damals seine kommunale Selbstverwaltung verloren und wurde dem zentralen Verwaltungsorgan "Peri Urban Development Board unterstellt". Wie sieht es heute mit der Hafenstadt aus?
Tötemeyer: Lüderitzbuchts Verwaltung hat sich gemausert und wenn es von mir persönlich abhinge, sollte überlegt werden, ob man dem Ort wieder den Status einer "Municipality" geben sollte. Im Augenblick gilt der Stadt Status. Lüderitzbucht hat kürzlich in einer Evaluation von den bestehenden 14 Städten, die wir im Ministerium durchgeführt haben, um Effizienz der Verwaltung und Sauberkeit des Stadtgebietes zu ermitteln, den 3. Platz belegt.
AZ: Welche Ursachen und Faktoren hat das Ministerium für Kommunalverwaltung in den von Krisen geschüttelten Ortschaften fest gestellt, die zur Misere geführt haben?
Tötemeyer: Neben dem Nachholbedarf ist eine weitere Schwierigkeit oft das gespannte Verhältnis zwischen den Ratsmitgliedern und den Beamten, die sich in die Quere kommen, wenn die Trennung zwischen Verwaltung und der Entscheidungsaufgabe der Ratsmitglieder nicht eingehalten wird.
Ein anderes Thema, an dem ich während meiner Amtszeit gearbeitet habe, ist Werkethos, den Bezug zwischen Aufgabe, Ehrlichkeit und Arbeitsverrichtung. Vierzehn Jahre der Unabhängigkeit haben manches erreicht, aber nicht das Optimale, das zu einer effizienten Verwaltung gehört. Ein typisches Beispiel dafür ist die Verwaltung in Katima Mulilo und Okakarara. Das Nichtbezahlen von Wasser- und Elektrizitätsrechnungen in diesen beiden Orten hat verschiedene Gründe. Einmal die Ineffizienz dieser beiden Lokalverwaltungen, Rechnungen zu erstellen und die Schulden einzutreiben, dann aber auch die fehlende wirtschaftliche Grundlage in vielen Orten, die die Verarmung verursacht. In manchen dieser Orte wie Usakos, Okakarara, Bethanien, Karibib und vielen anderen liegt die Arbeitslosigkeit bei 70 Prozent. Ein weiteres Problem ist die immer mehr zunehmende Ausbreitung von HIV/Aids. Es gibt viele Haushalte, an deren Spitze Kinder stehen, die in den Häusern ihrer verstorbenen Eltern wohnen, aber finanziell nicht imstande sind die Abgaben an die Lokalverwaltung zu zahlen.
Lokale Probleme wie Arbeitslosigkeit und HIV/Aids sind nationale Probleme geworden, die unbedingt von der Zentralregierung angesprochen werden müssen. Mein Ministerium ist nicht imstande, die sich aufhäufenden Schulden der Lokalverwaltungen auszugleichen. Damit wäre das Problem auch nicht gelöst. Man kann Lokalverwaltungen nicht aus ihrer Verantwortung befreien. Zur gleichen Zeit haben wir im Ministerium auch eine Verantwortung gegenüber der Bevölkerung, wenn es auch nur aus humanitären Überlegungen sein sollte. Völlig ohne Wasser zu sein, ist inhuman und der Gesundheit nicht zuträglich. Wie auch im Falle von Katima Mulilo schadet es auch der lokalen Wirtschaft und dem Tourismus. Hier kombinieren wir zurzeit beides, einmal als Übergang so viel finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, dass die Minimum-Wasserversorgung garantiert ist, dann mit Hilfe eines Teams des Ministeriums der Verwaltung erneut zur Seite zu stehen, ihre Aufgaben erwartungsgemäß und effizient zu erfüllen und drittens einen Plan zu erarbeiten, wie die schon bestehenden Schulden angesprochen werden sollten.
Das kann in manchen Fällen dazu führen, dass Lokalverwaltungen einen direkten Vertrag mit NamWater schließen, wonach NamWater nicht nur die Lieferung des Wassers übernimmt, sondern auch den Unterhalt der Infrastruktur, die Erstellung der Rechnung und die Eintreibung der verschuldeten Beträge. Der Nachteil hieran verbunden ist, dass den Lokalverwaltungen Einnahmen entnommen werden, die für andere Dienstleistungen nötig wären. Dasselbe gilt für NamPower. Es handelt sich hierbei um ein Rehabilitierungsprogramm, das so lange dauern wird, bis letzthin die Lokalverwaltungen und Räte wieder imstande sind, ihre Kommunen fähig zu verwalten. An einen Schuldenerlass denken wir nicht.
Mit Hilfe der Friedrich-Ebert-Stiftung war es uns möglich, gleich nach der Kommunalwahl Einführungskurse für alle neugewählten Stadträte zu halten, um sie ihrer besonderen Aufgaben bewusst zu machen und welche Verantwortung von ihnen erwartet wird. Ich hoffe, dass dieses zu größerer Effizienz beiträgt.
AZ: Auf welche Weise greift das Ministerium ein? Welche Handhabe hat das Ministerium, dies zu tun?
Tötemeyer: Es sind weitere Bemühungen im Gange, vor allem die Finanzverwaltung der Lokalverwaltung zu verbessern. Obwohl wir die Autonomie von Lokalverwaltungen anerkennen, behalten wir uns dennoch das Recht vor, einzugreifen, wo und wann es nötig ist. Weiterhin haben wir neue Regeln und Regulationen erarbeitet, an die sich Lokalverwaltungen halten müssen und die demnächst im Regierungsblatt proklamiert werden. Dieses wiederum ist Teil einer umfassenden Reform, die zur Zeit für alle Lokalverwaltungen erarbeitet wird.
AZ: Auf welche staatliche oder private Hilfestellung können die Kommunen zurück greifen, um existenzfähig und funktional zu werden?
Tötemeyer: Ich deutete schon an, dass die kommunalen Probleme, die wir zurzeit in vielen Orten haben, zu einer Intervention auf nationaler Ebene führen sollten. Eine Frage, die dabei angesprochen werden sollte, ist die Subvention für die Ortschaften, die aus eigener finanzieller Kraft nicht imstande sind, die laufenden Kosten und Kapitalprojekte aus eigener Schatulle zu finanzieren. Der Staat, das heißt die Zentralregierung, sollte auch im Rahmen der Dezentralisierungspolitik darauf achten, wenn sich neue industrielle Unternehmen, das heißt Groß- und Kleinbetriebe in Namibia ansiedeln, diese zu ermutigen, in andere Orten zu gehen und nicht nur Windhoek, Walvis Bay und Swakopmund.
Wir arbeiten auch an einem PPP-Programm, das heißt Public Private Partnership, um den Privatsektor stärker mit in Entwicklungsprogramme einzubeziehen, wie zum Beispiel Wohnungsbau und Kleinbetriebeentwicklung. Oft hänge ich noch ein viertes P an, stehend für "People". Ohne den Einbezug der Bevölkerung in Entwicklungsprogramme auf lokaler Ebene, findet keine Identifizierung und Internalisierung solcher Programme statt und kann der Erfolg von Anfang an hinterfragt werden. Bei den Einführungskursen für die neugewählten Dorf- und Stadträte, habe ich immer wieder betont, wie wichtig Kommunikation zwischen den Lokalbehörden und der Bevölkerung ist. Daran hapert es noch. Wir begrüßen auch im Ministerium die Partnerschaft (twinning!) zwischen hiesigen Lokalbehörden und Lokalbehörden im Ausland. Dieses hat schon manche kommunale Entwicklung gefördert.
Kommunen können jederzeit eigene Schulungsprogramme für ihre Verwaltungskräfte initiieren. Vor allem in der Finanzverwaltung gibt es Nachholbedarf. Wir bieten den Kommunen unsere eigene Expertise an und schicken regelmäßig eigene Finanzexperten, um die Buchhaltung zu prüfen. Wir sind aber oft desperat, dass man nicht optimal unsere Empfehlungen durchführt. Um strengere Finanzkontrolle zu erwirken, haben wir vor kurzem alle Kommunen beauftragt, uns in dreimonatigen Abständen Finanzberichte über Einkommen und Ausgaben vorzulegen.
AZ: Gibt es eine gezielte Schulung für neue Verwaltungskräfte, um eine gesunde Haushaltspolitik zu betreiben?
Tötemeyer: Leider hat man immer noch nicht eine Beamten-Berufsschule (civic training centre) im Lande etabliert. Es bleibt noch bei Plänen. Wir haben uns nun vorgenommen, stärker mit dem Polytechnikum von Namibia zusammenzuarbeiten und Ausbildungskurse für die untere Beamtenebene einzuführen. Demnächst wird das Land auch von dem von Unam (Universität von Namibia) angebotenen zweijährigen Diplom in Kommunalverwaltung profitieren. Die ersten Absolventen beenden diesen Studiengang Ende des Jahres.
AZ: Sollten Stadt- und Gemeinderäte auch Aufklärung betreiben, beziehungsweise schärfer gegen säumige Zahler unter ihren Einwohnern vorgehen?
Tötemeyer: Selbstverständlich sollten die Stadt- und Gemeinderäte stärkere Kommunikations- und Aufklärungsarbeit leisten. Durchaus negativ hat sich ausgewirkt, dass einige Kandidaten vor der Wahl der Gemeinde- und Stadträte den Wählern im Falle ihrer Wahl einen blanken Schuldenerlass versprachen.
AZ: In welcher jungen Ortschaft sehen Sie gute Fortschritte?
Tötemeyer: Ich hatte schon angedeutet, dass Ongwediva ein glänzendes Beispiel dafür ist, was auf Kommunalebene machbar ist. Dazu hatte vor allem die fähige Stadtsekretärin beigetragen, die leider kürzlich verstorben ist.
AZ: Gibt es schon eine Bilanz/Einschätzung, wie sich das Besitzrecht von Grundstücken in den jungen proklamierten Ortschaften der Kommunalgebiete ausgewirkt hat?
Tötemeyer: Es bleibt noch immer ein Problem, wenn im kommunalen Gebiet eine neue Kommune entsteht. Vor allem die traditionellen Stammesführer tun sich schwer zu akzeptieren, dass sie dann in einem proklamierten städtischen Gebiet nicht mehr über Grund und Boden verfügen. Sollten sich in einem solchen städtischen Gebiet noch Bauerngehöfte befinden, so wird den Besitzern eine Entschädigung angeboten oder alternatives Siedlungsgebiet. Das PTO-System (permission to occupy) ist ersetzt worden mit einem Pachtsystem auf 99 Jahre.
AZ: Haben sich dort auch Weiße durch Grundstückskauf angesiedelt?
Tötemeyer: Ja, bestimmt. Als Beispiel können Oshakati, Ondangwa, Rundu und Katima Mulilo genannt werden.
AZ: Geht es mit der Dezentralisierung weiter, die Sie ja auch persönlich gefördert haben?
Tötemeyer: Die Dezentralisierung schreitet fort, soll aber nicht übereilt werden, sondern in Phasen erfolgen. Der Erfolg kann erst erzielt werden, wenn die verschiedenen Ministerien sich völlig der Dezentralisierung verpflichten, die nötige Infrastruktur dafür besteht und auch der Beamtenstab befähigt ist, die Dezentralisierung erfolgreich durchzuführen. Dafür setzt sich das Direktorat für Dezentralisierungs-Koordination in unserem Ministerium ein. Erst vor zwei Wochen hatten wir eine eintägige Klausur mit diesem Direktorat, die sich mit folgenden Themen beschäftigte: Wo stehen wir zurzeit mit der Dezentralisierung, welche exakten Zielsetzungen verfolgen wir und wann können wir dieselben systematisch erreichen? Auf der Regionalebene schreitet die Dezentralisierung schneller voran als im Kommunalbereich. Eine neue Personalstruktur und präzise Aufgabenbereiche sind für diesen Zweck eingeführt worden. Alle wichtigen Stellen wurden dieses Jahr besetzt. Letzthin kommt der Regionalverwaltung die Aufgabe zu, alle Kommunen in der jeweiligen Region in ihrer Entwicklung zu unterstützen und ihnen die nötige Hilfe in der Ausübung ihrer Aufgaben und ihrer Verantwortung anzubieten.
AZ: Danke für das Gespräch.
AZ: Etliche Ortschaften erscheinen wiederholt in den Schlagzeilen, dass NamPower ihnen den Strom ausschaltet und NamWater gerade noch so viel Wasser zuleitet, dass die Einwohner nicht verdursten. Aber sie können sich kaum noch waschen. Welche Ortschaften sind am meisten betroffen?
Tötemeyer: Zurzeit sind Katima Mulilo und Okakarara am meisten betroffen. Es scheint, als ob sich in Usakos und Karibib eine Lösung anbahnt.
AZ: Sollte man in der Kommunalmisere solcher Ortschaften einen Unterschied zwischen alt-etablierten wie Karibib und jüngst proklamierten Gemeinden wie Okakarara treffen?
Tötemeyer: Man kann verschiedene Unterschiede antreffen, vor allem zwischen größeren und seit langem etablierten Lokalverwaltungen und kleineren als auch diejenigen, die nach der Unabhängigkeit entstanden sind. Unter letzteren gibt es exzellente Verwaltungen wie Ongwediva, aber auch eine ganze Reihe mit Defiziten an qualifizierten Kräften und Dienstleistungen. Ausgebildete Kräfte für Lokalverwaltung, vor allem für die neugegründete, gab es nach der Unabhängigkeit wenige, da die schwarze Bevölkerung vor der Unabhängigkeit keine eigenen Lokalverwaltungen hatte und somit die Erfahrung fehlte. Es bestand also Nachholbedarf. Das Ministerium hat in Zusammenarbeit mit verschiedenen Nichtregierungsorganisationen Ausbildungskurse veranstaltet, aber nicht immer mit dem erhofften Erfolg.
AZ: Auch vor der Unabhängigkeit sind kleinere Städte in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Lüderitzbucht hat damals seine kommunale Selbstverwaltung verloren und wurde dem zentralen Verwaltungsorgan "Peri Urban Development Board unterstellt". Wie sieht es heute mit der Hafenstadt aus?
Tötemeyer: Lüderitzbuchts Verwaltung hat sich gemausert und wenn es von mir persönlich abhinge, sollte überlegt werden, ob man dem Ort wieder den Status einer "Municipality" geben sollte. Im Augenblick gilt der Stadt Status. Lüderitzbucht hat kürzlich in einer Evaluation von den bestehenden 14 Städten, die wir im Ministerium durchgeführt haben, um Effizienz der Verwaltung und Sauberkeit des Stadtgebietes zu ermitteln, den 3. Platz belegt.
AZ: Welche Ursachen und Faktoren hat das Ministerium für Kommunalverwaltung in den von Krisen geschüttelten Ortschaften fest gestellt, die zur Misere geführt haben?
Tötemeyer: Neben dem Nachholbedarf ist eine weitere Schwierigkeit oft das gespannte Verhältnis zwischen den Ratsmitgliedern und den Beamten, die sich in die Quere kommen, wenn die Trennung zwischen Verwaltung und der Entscheidungsaufgabe der Ratsmitglieder nicht eingehalten wird.
Ein anderes Thema, an dem ich während meiner Amtszeit gearbeitet habe, ist Werkethos, den Bezug zwischen Aufgabe, Ehrlichkeit und Arbeitsverrichtung. Vierzehn Jahre der Unabhängigkeit haben manches erreicht, aber nicht das Optimale, das zu einer effizienten Verwaltung gehört. Ein typisches Beispiel dafür ist die Verwaltung in Katima Mulilo und Okakarara. Das Nichtbezahlen von Wasser- und Elektrizitätsrechnungen in diesen beiden Orten hat verschiedene Gründe. Einmal die Ineffizienz dieser beiden Lokalverwaltungen, Rechnungen zu erstellen und die Schulden einzutreiben, dann aber auch die fehlende wirtschaftliche Grundlage in vielen Orten, die die Verarmung verursacht. In manchen dieser Orte wie Usakos, Okakarara, Bethanien, Karibib und vielen anderen liegt die Arbeitslosigkeit bei 70 Prozent. Ein weiteres Problem ist die immer mehr zunehmende Ausbreitung von HIV/Aids. Es gibt viele Haushalte, an deren Spitze Kinder stehen, die in den Häusern ihrer verstorbenen Eltern wohnen, aber finanziell nicht imstande sind die Abgaben an die Lokalverwaltung zu zahlen.
Lokale Probleme wie Arbeitslosigkeit und HIV/Aids sind nationale Probleme geworden, die unbedingt von der Zentralregierung angesprochen werden müssen. Mein Ministerium ist nicht imstande, die sich aufhäufenden Schulden der Lokalverwaltungen auszugleichen. Damit wäre das Problem auch nicht gelöst. Man kann Lokalverwaltungen nicht aus ihrer Verantwortung befreien. Zur gleichen Zeit haben wir im Ministerium auch eine Verantwortung gegenüber der Bevölkerung, wenn es auch nur aus humanitären Überlegungen sein sollte. Völlig ohne Wasser zu sein, ist inhuman und der Gesundheit nicht zuträglich. Wie auch im Falle von Katima Mulilo schadet es auch der lokalen Wirtschaft und dem Tourismus. Hier kombinieren wir zurzeit beides, einmal als Übergang so viel finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, dass die Minimum-Wasserversorgung garantiert ist, dann mit Hilfe eines Teams des Ministeriums der Verwaltung erneut zur Seite zu stehen, ihre Aufgaben erwartungsgemäß und effizient zu erfüllen und drittens einen Plan zu erarbeiten, wie die schon bestehenden Schulden angesprochen werden sollten.
Das kann in manchen Fällen dazu führen, dass Lokalverwaltungen einen direkten Vertrag mit NamWater schließen, wonach NamWater nicht nur die Lieferung des Wassers übernimmt, sondern auch den Unterhalt der Infrastruktur, die Erstellung der Rechnung und die Eintreibung der verschuldeten Beträge. Der Nachteil hieran verbunden ist, dass den Lokalverwaltungen Einnahmen entnommen werden, die für andere Dienstleistungen nötig wären. Dasselbe gilt für NamPower. Es handelt sich hierbei um ein Rehabilitierungsprogramm, das so lange dauern wird, bis letzthin die Lokalverwaltungen und Räte wieder imstande sind, ihre Kommunen fähig zu verwalten. An einen Schuldenerlass denken wir nicht.
Mit Hilfe der Friedrich-Ebert-Stiftung war es uns möglich, gleich nach der Kommunalwahl Einführungskurse für alle neugewählten Stadträte zu halten, um sie ihrer besonderen Aufgaben bewusst zu machen und welche Verantwortung von ihnen erwartet wird. Ich hoffe, dass dieses zu größerer Effizienz beiträgt.
AZ: Auf welche Weise greift das Ministerium ein? Welche Handhabe hat das Ministerium, dies zu tun?
Tötemeyer: Es sind weitere Bemühungen im Gange, vor allem die Finanzverwaltung der Lokalverwaltung zu verbessern. Obwohl wir die Autonomie von Lokalverwaltungen anerkennen, behalten wir uns dennoch das Recht vor, einzugreifen, wo und wann es nötig ist. Weiterhin haben wir neue Regeln und Regulationen erarbeitet, an die sich Lokalverwaltungen halten müssen und die demnächst im Regierungsblatt proklamiert werden. Dieses wiederum ist Teil einer umfassenden Reform, die zur Zeit für alle Lokalverwaltungen erarbeitet wird.
AZ: Auf welche staatliche oder private Hilfestellung können die Kommunen zurück greifen, um existenzfähig und funktional zu werden?
Tötemeyer: Ich deutete schon an, dass die kommunalen Probleme, die wir zurzeit in vielen Orten haben, zu einer Intervention auf nationaler Ebene führen sollten. Eine Frage, die dabei angesprochen werden sollte, ist die Subvention für die Ortschaften, die aus eigener finanzieller Kraft nicht imstande sind, die laufenden Kosten und Kapitalprojekte aus eigener Schatulle zu finanzieren. Der Staat, das heißt die Zentralregierung, sollte auch im Rahmen der Dezentralisierungspolitik darauf achten, wenn sich neue industrielle Unternehmen, das heißt Groß- und Kleinbetriebe in Namibia ansiedeln, diese zu ermutigen, in andere Orten zu gehen und nicht nur Windhoek, Walvis Bay und Swakopmund.
Wir arbeiten auch an einem PPP-Programm, das heißt Public Private Partnership, um den Privatsektor stärker mit in Entwicklungsprogramme einzubeziehen, wie zum Beispiel Wohnungsbau und Kleinbetriebeentwicklung. Oft hänge ich noch ein viertes P an, stehend für "People". Ohne den Einbezug der Bevölkerung in Entwicklungsprogramme auf lokaler Ebene, findet keine Identifizierung und Internalisierung solcher Programme statt und kann der Erfolg von Anfang an hinterfragt werden. Bei den Einführungskursen für die neugewählten Dorf- und Stadträte, habe ich immer wieder betont, wie wichtig Kommunikation zwischen den Lokalbehörden und der Bevölkerung ist. Daran hapert es noch. Wir begrüßen auch im Ministerium die Partnerschaft (twinning!) zwischen hiesigen Lokalbehörden und Lokalbehörden im Ausland. Dieses hat schon manche kommunale Entwicklung gefördert.
Kommunen können jederzeit eigene Schulungsprogramme für ihre Verwaltungskräfte initiieren. Vor allem in der Finanzverwaltung gibt es Nachholbedarf. Wir bieten den Kommunen unsere eigene Expertise an und schicken regelmäßig eigene Finanzexperten, um die Buchhaltung zu prüfen. Wir sind aber oft desperat, dass man nicht optimal unsere Empfehlungen durchführt. Um strengere Finanzkontrolle zu erwirken, haben wir vor kurzem alle Kommunen beauftragt, uns in dreimonatigen Abständen Finanzberichte über Einkommen und Ausgaben vorzulegen.
AZ: Gibt es eine gezielte Schulung für neue Verwaltungskräfte, um eine gesunde Haushaltspolitik zu betreiben?
Tötemeyer: Leider hat man immer noch nicht eine Beamten-Berufsschule (civic training centre) im Lande etabliert. Es bleibt noch bei Plänen. Wir haben uns nun vorgenommen, stärker mit dem Polytechnikum von Namibia zusammenzuarbeiten und Ausbildungskurse für die untere Beamtenebene einzuführen. Demnächst wird das Land auch von dem von Unam (Universität von Namibia) angebotenen zweijährigen Diplom in Kommunalverwaltung profitieren. Die ersten Absolventen beenden diesen Studiengang Ende des Jahres.
AZ: Sollten Stadt- und Gemeinderäte auch Aufklärung betreiben, beziehungsweise schärfer gegen säumige Zahler unter ihren Einwohnern vorgehen?
Tötemeyer: Selbstverständlich sollten die Stadt- und Gemeinderäte stärkere Kommunikations- und Aufklärungsarbeit leisten. Durchaus negativ hat sich ausgewirkt, dass einige Kandidaten vor der Wahl der Gemeinde- und Stadträte den Wählern im Falle ihrer Wahl einen blanken Schuldenerlass versprachen.
AZ: In welcher jungen Ortschaft sehen Sie gute Fortschritte?
Tötemeyer: Ich hatte schon angedeutet, dass Ongwediva ein glänzendes Beispiel dafür ist, was auf Kommunalebene machbar ist. Dazu hatte vor allem die fähige Stadtsekretärin beigetragen, die leider kürzlich verstorben ist.
AZ: Gibt es schon eine Bilanz/Einschätzung, wie sich das Besitzrecht von Grundstücken in den jungen proklamierten Ortschaften der Kommunalgebiete ausgewirkt hat?
Tötemeyer: Es bleibt noch immer ein Problem, wenn im kommunalen Gebiet eine neue Kommune entsteht. Vor allem die traditionellen Stammesführer tun sich schwer zu akzeptieren, dass sie dann in einem proklamierten städtischen Gebiet nicht mehr über Grund und Boden verfügen. Sollten sich in einem solchen städtischen Gebiet noch Bauerngehöfte befinden, so wird den Besitzern eine Entschädigung angeboten oder alternatives Siedlungsgebiet. Das PTO-System (permission to occupy) ist ersetzt worden mit einem Pachtsystem auf 99 Jahre.
AZ: Haben sich dort auch Weiße durch Grundstückskauf angesiedelt?
Tötemeyer: Ja, bestimmt. Als Beispiel können Oshakati, Ondangwa, Rundu und Katima Mulilo genannt werden.
AZ: Geht es mit der Dezentralisierung weiter, die Sie ja auch persönlich gefördert haben?
Tötemeyer: Die Dezentralisierung schreitet fort, soll aber nicht übereilt werden, sondern in Phasen erfolgen. Der Erfolg kann erst erzielt werden, wenn die verschiedenen Ministerien sich völlig der Dezentralisierung verpflichten, die nötige Infrastruktur dafür besteht und auch der Beamtenstab befähigt ist, die Dezentralisierung erfolgreich durchzuführen. Dafür setzt sich das Direktorat für Dezentralisierungs-Koordination in unserem Ministerium ein. Erst vor zwei Wochen hatten wir eine eintägige Klausur mit diesem Direktorat, die sich mit folgenden Themen beschäftigte: Wo stehen wir zurzeit mit der Dezentralisierung, welche exakten Zielsetzungen verfolgen wir und wann können wir dieselben systematisch erreichen? Auf der Regionalebene schreitet die Dezentralisierung schneller voran als im Kommunalbereich. Eine neue Personalstruktur und präzise Aufgabenbereiche sind für diesen Zweck eingeführt worden. Alle wichtigen Stellen wurden dieses Jahr besetzt. Letzthin kommt der Regionalverwaltung die Aufgabe zu, alle Kommunen in der jeweiligen Region in ihrer Entwicklung zu unterstützen und ihnen die nötige Hilfe in der Ausübung ihrer Aufgaben und ihrer Verantwortung anzubieten.
AZ: Danke für das Gespräch.
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