Traditionalistin in einer globalisierten Welt
In längst vergangenen Zeiten, wenn ein Nama/Damara um die Hand seiner Zukünftigen anhielt, dann benutzte er Worte wie: "Gebt mir die Frau, die rund ist wie eine Tsamma (Melone)". Patricia Ochurus singt von solchen Zeiten. Sie ist "verrückt nach Traditionen", sagt die junge Sängerin. Wie sie da auf der Bühne im Warehouse Theatre steht und im Takt zu ihrer Musik langsam die Hüften wiegt, erinnert sie selbst an das Schönheitsideal, von dem sie singt: rund wie eine Melone, strahlend - "full of soul", würde man auf Englisch sagen.
Patricia Ochurus ist eine afrikanische Soul-Diva. Mit einem Mix aus jazziger Afro-Fusion, Salsa- und Reggae-Rhythmen und dem für die traditionelle Musik der Nama so typischen Ma/aisa-Beat verzauberte sie am vergangenen Wochenende das Warehouse Theatre. "Sie hat unheimlich viel Potenzial, eine wunderbare Bühnenpräsenz und sie schreibt richtig gute Songs", sagt Warehouse-Inhaber Ernst Herma. Nur noch mehr Zeit könnte sie brauchen, um mit ihrer Band am Repertoire zu schleifen, findet der Veranstalter.
Patricia Ochurus ist vor knapp drei Monaten aus Deutschland zurückgekehrt. Durch das Ministerium für Kultur und den Deutsch-Namibischen Hilfsfonds e.V. hatte sie ein einjähriges Stipendium an der Musikhochschule Trossingen in Baden-Württemberg erhalten. In Namibia ist ihr Gesicht längst bekannt. Sie teilte die Bühne mit lokalen Musikgrößen wie Willie Mbuende, Ras Sheehama und Jackson Kaujeua. Sie war Mitglied der Ondunga Cultural Group, 2005 tourte sie mit dem Musikprojekt Sidadi durch das Land, trat in Botswana, Swasiland, Port Elizabeth, Johannesburg und Lesotho auf. Sie ist auf "A Handful of Namibians" vertreten, einem 2001 produzierten Sammelalbum, das auch heute noch als die beste Kompilation zeitgenössischer namibischer Musik gilt.
Immer war Patricia irgendwie mit dabei. Als Background-Sängerin bei der NBC Music Makers Competition, als Finalistin beim Fame-Factory-Talentwettbewerb, im Hintergrund bei Auftritten vieler namibischer Musiker. Nur mit ihrer Solo-Karriere ist die Anfang-Dreißigerin noch nicht so richtig durchgestartet. "Es ist tatsächlich traurig", sagt sie, nickt bedächtig mit dem Kopf und lacht dann ihr sprudelndes Lachen: "Mein Song auf `A Handful of Namibians' ist wirklich meine einzige Veröffentlichung bisher."
Das will die Mutter von vier Kindern jetzt ändern. Sie plant ihr erstes Album, Ende November hätte sie es gerne auf dem Markt, aber noch hofft sie auf positive Rückmeldung von potenziellen Sponsoren. Enthalten soll es ausschließlich ihre eigenen Kompositionen, wenn auch manche davon auf traditionellem Nama/Damara-Liedgut basieren.
Das einjährige Musikstudium in Trossingen habe ihr viel geholfen, sagt Ochurus. Auch wenn die Schulung dort vor allem eine klassisch-europäische war. Klassische Gitarre habe sie gelernt, Stimmtraining erhalten, das war gut, auch wenn das ein "ganz anderes feeling" gewesen sei, ganz anders als die Musik, die sie selbst macht. Nichtsdestotrotz: Die Parallelen sind offensichtlich. Klassik hat europäische Tradition, ihre eigene Musik hat afrikanische Tradition. Und Patricia liebt Traditionen. Sie liebt Kultur, die einem Menschen zeigt, woher er kommt.
Ihr Abschiedskonzert an der Musikhochschule Trossingen, erzählt die gebürtige Windhoekerin, war deshalb ein Versuch, ihren Kommilitonen ihre afrikanischen Wurzeln näher zu bringen. Der Auftritt fand großen Anklang, die lokale Presse berichtete ausführlich über das exotische Musikereignis.
Fasziniert waren die Trossinger allein schon von den fremdartig klingenden Schnalz- und Klicklauten der Nama-Sprache. "Sag mal was", wurde Patricia immer wieder aufgefordert, "hör nicht auf zu reden". Umgekehrt funktionierte der Kulturaustausch fast noch besser: Die Namibierin spricht jetzt Deutsch, und hin und wieder rutscht ihr ein ganz spontanes "Au Sch...ß!" über die Lippen, oder sie fragt erstaunt: "Echt?"
Wenn sich Patricia zum Traditionalismus bekennt, dann meint sie vor allem eine bestimmte Lebenseinstellung, die fast nur noch bei alten Menschen präsent zu sein scheint: das Miteinander und Füreinander-Da-Sein. "Meine Mutter hat eine ganze Reihe Kinder aus verschiedenen Ethnien groß gezogen", erzählt sie. "Damals spielte es keine Rolle, wer welchem Stamm angehörte. Wir waren eine Familie." Das, sagt Patricia, sei Teil der Kultur der älteren Generation, man habe einander respektiert und füreinander gesorgt. "Man konnte die Liebe spüren. Jetzt ist sie kalt geworden."
Ihr Song "Crazy World" handelt von diesen Dingen, vom Werteverlust in einer globalisierten Welt. "Wir sind dabei unsere Wurzeln zu vergessen und unsere Kultur zu verlieren", sagt die Musikerin. "Viele von uns haben sie bereits verloren." Ihre Stirn legt sich dabei in Falten, man sieht ihr an, dass es keine wiedergekäute Platitüde ist, dass ihr diese Erkenntnis vielmehr wirklich zu schaffen macht. In ihrem Song "Khaima" ("Wach auf") fordert sie, dieses Mal in ihrer Muttersprache, die Jugend auf, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen. "Wenn ich dich frage: Was hast du aus deinem Leben gemacht", so etwa lautet der Liedtext, "was kannst du dann antworten?"
Sie habe einen Traum, sagt Patricia. Vielleicht sollte sie nicht darüber reden, sagt sie, aber dann tut sie es doch. Eines Tages, das ist ihr Traum, will sie Kindern in Namibia Unterricht über traditionelles Liedgut, Tänze und Bräuche geben. Doch bis sie sich diesen Traum ganz konkret verwirklichen kann, vertraut sie auf die Macht ihrer Musik. Denn die spricht schon für sich.
Patricia Ochurus ist eine afrikanische Soul-Diva. Mit einem Mix aus jazziger Afro-Fusion, Salsa- und Reggae-Rhythmen und dem für die traditionelle Musik der Nama so typischen Ma/aisa-Beat verzauberte sie am vergangenen Wochenende das Warehouse Theatre. "Sie hat unheimlich viel Potenzial, eine wunderbare Bühnenpräsenz und sie schreibt richtig gute Songs", sagt Warehouse-Inhaber Ernst Herma. Nur noch mehr Zeit könnte sie brauchen, um mit ihrer Band am Repertoire zu schleifen, findet der Veranstalter.
Patricia Ochurus ist vor knapp drei Monaten aus Deutschland zurückgekehrt. Durch das Ministerium für Kultur und den Deutsch-Namibischen Hilfsfonds e.V. hatte sie ein einjähriges Stipendium an der Musikhochschule Trossingen in Baden-Württemberg erhalten. In Namibia ist ihr Gesicht längst bekannt. Sie teilte die Bühne mit lokalen Musikgrößen wie Willie Mbuende, Ras Sheehama und Jackson Kaujeua. Sie war Mitglied der Ondunga Cultural Group, 2005 tourte sie mit dem Musikprojekt Sidadi durch das Land, trat in Botswana, Swasiland, Port Elizabeth, Johannesburg und Lesotho auf. Sie ist auf "A Handful of Namibians" vertreten, einem 2001 produzierten Sammelalbum, das auch heute noch als die beste Kompilation zeitgenössischer namibischer Musik gilt.
Immer war Patricia irgendwie mit dabei. Als Background-Sängerin bei der NBC Music Makers Competition, als Finalistin beim Fame-Factory-Talentwettbewerb, im Hintergrund bei Auftritten vieler namibischer Musiker. Nur mit ihrer Solo-Karriere ist die Anfang-Dreißigerin noch nicht so richtig durchgestartet. "Es ist tatsächlich traurig", sagt sie, nickt bedächtig mit dem Kopf und lacht dann ihr sprudelndes Lachen: "Mein Song auf `A Handful of Namibians' ist wirklich meine einzige Veröffentlichung bisher."
Das will die Mutter von vier Kindern jetzt ändern. Sie plant ihr erstes Album, Ende November hätte sie es gerne auf dem Markt, aber noch hofft sie auf positive Rückmeldung von potenziellen Sponsoren. Enthalten soll es ausschließlich ihre eigenen Kompositionen, wenn auch manche davon auf traditionellem Nama/Damara-Liedgut basieren.
Das einjährige Musikstudium in Trossingen habe ihr viel geholfen, sagt Ochurus. Auch wenn die Schulung dort vor allem eine klassisch-europäische war. Klassische Gitarre habe sie gelernt, Stimmtraining erhalten, das war gut, auch wenn das ein "ganz anderes feeling" gewesen sei, ganz anders als die Musik, die sie selbst macht. Nichtsdestotrotz: Die Parallelen sind offensichtlich. Klassik hat europäische Tradition, ihre eigene Musik hat afrikanische Tradition. Und Patricia liebt Traditionen. Sie liebt Kultur, die einem Menschen zeigt, woher er kommt.
Ihr Abschiedskonzert an der Musikhochschule Trossingen, erzählt die gebürtige Windhoekerin, war deshalb ein Versuch, ihren Kommilitonen ihre afrikanischen Wurzeln näher zu bringen. Der Auftritt fand großen Anklang, die lokale Presse berichtete ausführlich über das exotische Musikereignis.
Fasziniert waren die Trossinger allein schon von den fremdartig klingenden Schnalz- und Klicklauten der Nama-Sprache. "Sag mal was", wurde Patricia immer wieder aufgefordert, "hör nicht auf zu reden". Umgekehrt funktionierte der Kulturaustausch fast noch besser: Die Namibierin spricht jetzt Deutsch, und hin und wieder rutscht ihr ein ganz spontanes "Au Sch...ß!" über die Lippen, oder sie fragt erstaunt: "Echt?"
Wenn sich Patricia zum Traditionalismus bekennt, dann meint sie vor allem eine bestimmte Lebenseinstellung, die fast nur noch bei alten Menschen präsent zu sein scheint: das Miteinander und Füreinander-Da-Sein. "Meine Mutter hat eine ganze Reihe Kinder aus verschiedenen Ethnien groß gezogen", erzählt sie. "Damals spielte es keine Rolle, wer welchem Stamm angehörte. Wir waren eine Familie." Das, sagt Patricia, sei Teil der Kultur der älteren Generation, man habe einander respektiert und füreinander gesorgt. "Man konnte die Liebe spüren. Jetzt ist sie kalt geworden."
Ihr Song "Crazy World" handelt von diesen Dingen, vom Werteverlust in einer globalisierten Welt. "Wir sind dabei unsere Wurzeln zu vergessen und unsere Kultur zu verlieren", sagt die Musikerin. "Viele von uns haben sie bereits verloren." Ihre Stirn legt sich dabei in Falten, man sieht ihr an, dass es keine wiedergekäute Platitüde ist, dass ihr diese Erkenntnis vielmehr wirklich zu schaffen macht. In ihrem Song "Khaima" ("Wach auf") fordert sie, dieses Mal in ihrer Muttersprache, die Jugend auf, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen. "Wenn ich dich frage: Was hast du aus deinem Leben gemacht", so etwa lautet der Liedtext, "was kannst du dann antworten?"
Sie habe einen Traum, sagt Patricia. Vielleicht sollte sie nicht darüber reden, sagt sie, aber dann tut sie es doch. Eines Tages, das ist ihr Traum, will sie Kindern in Namibia Unterricht über traditionelles Liedgut, Tänze und Bräuche geben. Doch bis sie sich diesen Traum ganz konkret verwirklichen kann, vertraut sie auf die Macht ihrer Musik. Denn die spricht schon für sich.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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