Tanz
Die Kampfkunst, die sich in einem Tanz versteckt
Vielseitig und bunt ist das Angebot beim Bank Windhoek Arts Festival. Und wer nicht nur passiv genießen, sondern selbst aktiv werden will, der hat mehr als eine Gelegenheit dazu: unter anderem bei einem Capoeira-Workshop. Ein junger Marokkaner führt im Rahmen des Rockfestivals am Freitag und Samstag in die Kunst des brasilianischen Kampftanzes ein.
Fließende Bewegungen, teils Kampf, teils Tanz. Zwei Männer in halb geduckter Stellung wiegen sich in gleichmäßigem Takt wie kampfbereite Hähne hin und her. Halten Augenkontakt. Der Angriff kommt spielerisch. Ein Bein, das knapp über dem Kopf des Partners vorbeischwingt, ein sanft mit der Hand abgefangener Fall beim Gegenüber, eine Drehung um die eigene Achse, die gleich in den nächsten Gegenangriff übergeht. Capoeira. Eleganz und Kraft: Spiel und Kampf, Tanz und Musik. Mehr als nur ein Sport.
"Capoeira ist mein Equilibrium, mein Gleichgewicht", sagt Saguim. Der junge durchtrainierte Marokkaner strahlt Ruhe und Gelassenheit aus. "Für mich ist Capoeira eine Lebensphilosophie, die auf Respekt und menschlicher Würde basiert. Der Tanz hilft, unsere Impulse in der gewalttätigen Gesellschaft von Heute zu kanalisieren. Und irgendwann erkennt man, dass es nicht unbedingt immer der Stärkere ist, der gewinnt."
Gewandheit, flinkes Denken sind gefragt. Erkennen, vorausahnen, was der Andere vorhat. "Du kannst lächeln und dahinter deine Bösartigkeit verbergen", sagt Saguim. "Der Cleverste gewinnt. Derjenige, der die klarsten Gedanken hat und die Situation am besten durchschauen kann."
Der anmutige Kampftanz hat seinen Ursprung im Südamerika des 16. Jahrhunderts. Es war die Zeit des Sklavenhandels, als Tausende Afrikaner für die Arbeit auf den Zucker- und Baumwollplantagen der "Neuen Welt" eingesetzt wurden. Um Stammeskonflikte und organisierte Aufstände zu vermeiden, versuchte man die verschiedenen Stämme untereinander zu vermischen, trennte Individuen von ihren Familien und damit auch von ihren Traditionen und Religionen. Das Praktizieren von rituellen Tänzen war zwar erlaubt, aber wo so viele verschiedene Kulturen aufeinander trafen, musste zuerst eine gemeinsame Sprache gefunden werden. "Capoeira" sollte sie später heißen, diese Sprache, die den Wunsch nach persönlichem Ausdruck, nach Freiheit versinnbildlichte und ein Ventil für die Rebellion gegen die Sklavenhalter war. "Kämpfen durften die Sklaven nicht, deshalb haben sie den Kampf in einem Tanz versteckt", erklärt Saguim.
"Saguim" ist die Bezeichnung für einen kleinen, in Brasilien vorkommenden Affen. Einen Affen, der für seine Vorliebe zu akrobatischen Stunts, für seine Flinkheit und Beweglichkeit bekannt ist. "Das ist mein Capoiera-Titel", sagt Saguim. Mit richtigem Namen heißt er Zohir Lakhdar. Und ist eigentlich Chemiker von Beruf. Seinen Job bei einer Pharmaindustrie in Brüssel hat er jedoch zeitweilig an den Nagel gehängt. Unter anderem, um demnächst in Katima Mulilo einen von der nationalen Aids-Kampagne Take Control finanzierten Capoeira-Workshop für Straßenkinder zu geben. Etwas, was er auch schon in den Favelas, den Slums von Vittoria, einer Stadt in Brasilien, getan hat.
Denn Capoeira, der ehemalige Sklaventanz, ist auch eine Art Therapie für die Kleinen und Unterdrückten der Gesellschaft. "Diese Kinder in den Favelas mussten immer Botengänge für die Drogenhändler machen", erinnert sich Saguim. "Capoeira kann ihnen helfen, innere Stabilität und Selbstrespekt zu gewinnen. Ich versuche immer, sie zum Nachdenken über ihre Zukunft, ihre Identität anzuregen."
Kulturelle Identität - das ist etwas, was vielen Namibiern fehlt, glaubt Saguim. "Vielleicht ist es in der Apartheidszeit begründet, vielleicht liegt es aber auch daran, dass Namibia doch noch ein recht junges Land ist. Jedenfalls habe ich den Eindruck, dass viele Namibier ihre Identität, ihre afrikanischen Wurzeln nicht kennen, dass sie ihre Kultur nicht offen ausdrücken."
Für Victor Ochieng, seit einigen Wochen Schüler von Saguim, gilt das jedenfalls nicht mehr. Der sanftmütige Student hat seit seiner Begegnung mit Capoeira vor einem halben Jahr seine eigene Lebensphilosophie entwickelt - komplett mit selbst designtem Logo und Namen. "Imara" nennt er sie. Das ist Zulu für "stark".
((im Kasten:))
Saguim gibt am heutigen Freitag um 17.30 Uhr und am morgigen Samstag um 10.30 Uhr Capoiera-Einführungskurse im Stadion der Windhoek High School, wo auch das Rockkonzert des Bank Windhoek Arts Festivals stattfindet. Teilnahmegebühr: N$ 40. Regelmäßige Kurse leitet auch unter der Woche jeweils um 18 Uhr: Montags und Freitags für Fortgeschrittene bei der Commercial Bank Theatre School, Dienstags bis Donnerstags in den Parlamentsgärten. Infos bei Saguim, Tel. 081-2784161.
Vielseitig und bunt ist das Angebot beim Bank Windhoek Arts Festival. Und wer nicht nur passiv genießen, sondern selbst aktiv werden will, der hat mehr als eine Gelegenheit dazu: unter anderem bei einem Capoeira-Workshop. Ein junger Marokkaner führt im Rahmen des Rockfestivals am Freitag und Samstag in die Kunst des brasilianischen Kampftanzes ein.
Fließende Bewegungen, teils Kampf, teils Tanz. Zwei Männer in halb geduckter Stellung wiegen sich in gleichmäßigem Takt wie kampfbereite Hähne hin und her. Halten Augenkontakt. Der Angriff kommt spielerisch. Ein Bein, das knapp über dem Kopf des Partners vorbeischwingt, ein sanft mit der Hand abgefangener Fall beim Gegenüber, eine Drehung um die eigene Achse, die gleich in den nächsten Gegenangriff übergeht. Capoeira. Eleganz und Kraft: Spiel und Kampf, Tanz und Musik. Mehr als nur ein Sport.
"Capoeira ist mein Equilibrium, mein Gleichgewicht", sagt Saguim. Der junge durchtrainierte Marokkaner strahlt Ruhe und Gelassenheit aus. "Für mich ist Capoeira eine Lebensphilosophie, die auf Respekt und menschlicher Würde basiert. Der Tanz hilft, unsere Impulse in der gewalttätigen Gesellschaft von Heute zu kanalisieren. Und irgendwann erkennt man, dass es nicht unbedingt immer der Stärkere ist, der gewinnt."
Gewandheit, flinkes Denken sind gefragt. Erkennen, vorausahnen, was der Andere vorhat. "Du kannst lächeln und dahinter deine Bösartigkeit verbergen", sagt Saguim. "Der Cleverste gewinnt. Derjenige, der die klarsten Gedanken hat und die Situation am besten durchschauen kann."
Der anmutige Kampftanz hat seinen Ursprung im Südamerika des 16. Jahrhunderts. Es war die Zeit des Sklavenhandels, als Tausende Afrikaner für die Arbeit auf den Zucker- und Baumwollplantagen der "Neuen Welt" eingesetzt wurden. Um Stammeskonflikte und organisierte Aufstände zu vermeiden, versuchte man die verschiedenen Stämme untereinander zu vermischen, trennte Individuen von ihren Familien und damit auch von ihren Traditionen und Religionen. Das Praktizieren von rituellen Tänzen war zwar erlaubt, aber wo so viele verschiedene Kulturen aufeinander trafen, musste zuerst eine gemeinsame Sprache gefunden werden. "Capoeira" sollte sie später heißen, diese Sprache, die den Wunsch nach persönlichem Ausdruck, nach Freiheit versinnbildlichte und ein Ventil für die Rebellion gegen die Sklavenhalter war. "Kämpfen durften die Sklaven nicht, deshalb haben sie den Kampf in einem Tanz versteckt", erklärt Saguim.
"Saguim" ist die Bezeichnung für einen kleinen, in Brasilien vorkommenden Affen. Einen Affen, der für seine Vorliebe zu akrobatischen Stunts, für seine Flinkheit und Beweglichkeit bekannt ist. "Das ist mein Capoiera-Titel", sagt Saguim. Mit richtigem Namen heißt er Zohir Lakhdar. Und ist eigentlich Chemiker von Beruf. Seinen Job bei einer Pharmaindustrie in Brüssel hat er jedoch zeitweilig an den Nagel gehängt. Unter anderem, um demnächst in Katima Mulilo einen von der nationalen Aids-Kampagne Take Control finanzierten Capoeira-Workshop für Straßenkinder zu geben. Etwas, was er auch schon in den Favelas, den Slums von Vittoria, einer Stadt in Brasilien, getan hat.
Denn Capoeira, der ehemalige Sklaventanz, ist auch eine Art Therapie für die Kleinen und Unterdrückten der Gesellschaft. "Diese Kinder in den Favelas mussten immer Botengänge für die Drogenhändler machen", erinnert sich Saguim. "Capoeira kann ihnen helfen, innere Stabilität und Selbstrespekt zu gewinnen. Ich versuche immer, sie zum Nachdenken über ihre Zukunft, ihre Identität anzuregen."
Kulturelle Identität - das ist etwas, was vielen Namibiern fehlt, glaubt Saguim. "Vielleicht ist es in der Apartheidszeit begründet, vielleicht liegt es aber auch daran, dass Namibia doch noch ein recht junges Land ist. Jedenfalls habe ich den Eindruck, dass viele Namibier ihre Identität, ihre afrikanischen Wurzeln nicht kennen, dass sie ihre Kultur nicht offen ausdrücken."
Für Victor Ochieng, seit einigen Wochen Schüler von Saguim, gilt das jedenfalls nicht mehr. Der sanftmütige Student hat seit seiner Begegnung mit Capoeira vor einem halben Jahr seine eigene Lebensphilosophie entwickelt - komplett mit selbst designtem Logo und Namen. "Imara" nennt er sie. Das ist Zulu für "stark".
((im Kasten:))
Saguim gibt am heutigen Freitag um 17.30 Uhr und am morgigen Samstag um 10.30 Uhr Capoiera-Einführungskurse im Stadion der Windhoek High School, wo auch das Rockkonzert des Bank Windhoek Arts Festivals stattfindet. Teilnahmegebühr: N$ 40. Regelmäßige Kurse leitet auch unter der Woche jeweils um 18 Uhr: Montags und Freitags für Fortgeschrittene bei der Commercial Bank Theatre School, Dienstags bis Donnerstags in den Parlamentsgärten. Infos bei Saguim, Tel. 081-2784161.
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Allgemeine Zeitung
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