Strohmann-Quelle für Wahrheitsfindung nicht verwendbar

Im Historikerstreit geht es um die Frage, welche Bedeutung einem postkolonialen Artikel in einer Zeitung der zwanziger Jahre in Deutschland zukommt. Dazu sind folgende Meinungen erschienen. AZ: "Frühe Kolonialkritik" von Joachim Zeller, Berlin, AZ 12. 5. 2006, und "Beispiel für politische Propaganda" von Klaus Trümper, Berlin, AZ 8. 6. 2006.

Joachim Zeller ist Parteigänger einer erlesenen Gruppe fundamentalistischer "Historiker", denen unter anderen Christoph Marx (AZ 27. Mai 2006 "Namibische Geschichte fordert ihre Nachfahren") angehört, sowie Henning Melber ("Wir reklamieren dabei weder Neutralität noch Unparteilichkeit sondern das genaue Gegenteil"), Reinhart Kössler ("es wäre ein großer Fehler, selbsternannte Siedler-Historiker in der AZ ernst zu nehmen"), und Jürgen Zimmerer ("Von Windhoek bis Auschwitz"). Diese sendungsbewussten Herren haben in großer Bescheidenheit ihren Genius offenbar der esoterischen Betreibung der Kriminalisierung ihrer eigenen deutschen Kolonialgeschichte gewidmet.

Als Lehrer weiß Zeller, dass die Götter vor das Genie den Fleiß gesetzt haben. Und was fördert sein Fleiß nicht alles zutage. Diesmal ist es ein als Kapitalist bemäntelter Strohmann des sowjetischen Bolschewismus mit Namen Willi Münzenberg aus der Weimarer Republik der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Diesen schleppt er uns förmlich an den Haaren herbei, lediglich weil dieser mit damals bereits veralteten, längst bekannten Fotos, aus der Zeit der zwanzig und mehr Jahre zurückliegenden kaiserlichen Kolonialzeit, in seiner "Arbeiter-Illustrierten-Zeitung" - man höre und staune - der damaligen SPD Kolonialapologetik vorwarf. Für seine zersetzende Propaganda hatte sich dieser durchtrieben Zeitgenosse als Opfer den früheren Schutztruppenoffizier Bertold von Deimling aus dem sozialdemokratischen Kampfverband "Reichsbanner" (nicht zu verwechseln mit Reichswehr, Stahlhelm, und anderen Kampfverbänden wie der SA) aufs Korn genommen, indem er ihm angebliche Gräueltaten im 20 Jahre zurückliegenden Kolonialkrieg 1904 - 1907 im vormaligen DSWA anzulasten versuchte. Nun möchte ich mich weder über die geistigen Ansprüche an die kaiserliche Kolonialgeschichte der kommunistischen Leserschaft der "Arbeiter-Illustrierten-Zeitung" noch über deren Niveau auslassen.

Was aber hat Willi Münzenberg betrifft, sind wir Klaus Trümper, Berlin, AZ 8. Juni 2006, zu Dank verpflichtet, dass er uns über dieses zwielichtige Werkzeug der Weltrevolution in einer Weise aufklärte, die an der Unverwendbarkeit dieser Quelle für historische Wahrheitsfindung keine Zweifel lässt. Zeller spricht jedoch von einer für die "Forschung bemerkenswerten Reportage" eines ebenso beachtenswerten Autors. Den allzu unterschiedlichen Schattierungen von Rot werden klischeehafte Vorstellungen der "political correctness" eben nicht gerecht. Dabei geht es Zeller offenbar nicht nur um die Aufwertung seines etwas anrüchigen Wegbereiters. Er will ihn sogar darin überbieten, den General von Deimling zum Kolonialkriegsverbrecher zu stempeln. Auch hier erweist sich Zellers Fleißarbeit nicht als Geniestreich.

Feindbild der Zunft

Zeller versucht zunächst Deimling zum "Prototyp des Schutztruppenoffiziers und alten Afrikaners" zu machen, einem beliebten Feindbild der Zunft, was dieser aber nach seinen zwei kurzen Aufenthalten in DSWA von jeweils einem dreiviertel Jahr wohl kaum war. Seine militärischen Leistungen waren eingangs dementsprechend. Bei der "Schlacht am Waterberg" hat er, im Gegensatz zu Zellers Ansicht, durch mangelnde Afrika-Erfahrung und gegen den Rat wirklicher "alter Afrikaner", schwere strategische, Kriegsverlängernde Fehler begangen, die auch eine "rücksichtslose Verfolgung" der Herero seinerseits eher in Frage stellen. Im Namafeldzug hat er dann, bei seinem zweiten Aufenthalt, auch das scheint Zeller nicht zu wissen, mit dem milden Frieden von Ukamas, Weihnachten 1906, auf eigene Verantwortung und gegen den Willen des Gouvernments, die Bondelzwarts vor der Vernichtung bewahrt und damit zügig den Namakrieg beendet.

Nach seiner zweiten Ankunft in DSWA, Mitte 1906, hatte Deimling die Mannschaften, die Namagefangene im Inland bewachten, abgezogen, um sie für diese schnelle Beendigung des Namakriegs freizubekommen. Daher hatte er die zahlreichen Namagefangenen im August auf der Haifischinsel gesammelt. Anschließend hatte er die Insel im September 1906 inspiziert und dabei festgestellt, dass die Gefangenen "ausreichend versorgt" waren. Die Nama waren zu diesem Zeitpunkt durch die Entbehrung des Krieges jedoch bereits geschwächt und vitaminarm ernährt.

Unter Deimlings Oberkommando waren dann, weiterhin im Gegensatz zu Zellers Darstellungen, im Februar 1907 die gefangenen Namafrauen und Kinder wegen hoher Sterblichkeit an Skorbut von der Haifischinsel ans Land verlegt worden. Ebenso dann auch wenig später Männer, durch eine ultimative Anordnung seines Untergebenen und Nachfolgers von Estorff, bei Deimlings Abreise nach dem von Berlin proklamierten Friedensschluss. Dies geschah abermals gegen den ausdrücklichen Widerstand des stellvertretenden Gouverneurs Hintrager in Windhoek und sich in Berlin befindlichen Gouverneurs von Lindequist und deren Sicherheitsbedenken. Diese - erfolglose - Weigerung der Zivilinstanzen versucht Zeller dem Obersten Deimling als ein "weiteres Verbrechen" anzulasten, was nicht einmal dem Agitprop Münzenberg eingefallen war.

Sterben auf der Haifischinsel

Das unvorhergesehene und unkontrollierbare Sterben, hauptsächlich durch Skorbut, das auf der Haifischinsel sehr schnell einsetzte, führt der Missionshelfer (Zeller: "Missionar") Nyhof in seinem Brief daher auf diese tragischen Maßnahmen der Durchführung und Wideraufhebung ein halbes Jahr später zurück. Der Bericht Nyhofs von einer angeblichen Weigerung Deimlings, die Nama ans Land zu verlegen, den Zeller als Beweis anführt, geht jedoch ins Leere. Er basiert offenbar auf einer undatierten, missverständlichen Wiedergabe aus dritter Hand aus der Zeit der Lagerinspektion Deimlings in Lüderitzbucht im September.

Verbindungen mit dem Oberkommando waren nach dieser Zeit durch den Feldzug praktisch unterbrochen. Nyhof schreibt aber auch, was Zeller nicht erwähnt, dass "alle Bemühungen der Regierung" (in Wirklichkeit unterstand das Lager dem Militär), sowie eines Stabarztes und des Personals des Lazaretts auf der Insel umsonst waren. Die wirkliche Ursache des Skorbuts und eine sachgerechte Behandlung wurden dagegen erst einige Jahre nach dem Ende des Kolonialkrieges entdeckt.

Skorbut ist nach Ausbruch der Krankheit meist viel schwerer zu behandeln, als die Krankheit zu verhüten. Skorbut kam in DSWA wie überall auf der Welt, und das muss hier wenigstens am Rande bemerkt werden, ganz unabhängig vom Wohnort, wie z.B. der Haifischinsel, vor. Skorbut ist keine Folge von Hunger oder Kälte, wie Missionshelfer Nyhof und Zeller annehmen, sondern ist eine Vitaminmangelkrankheit, die durch Mangel an Vitamin C-haltigen Frischprodukten verursacht wird. Soldaten wie Kriegsgefangene in DSWA erkrankten vor, während und nach dem Krieg auch bei "guter ausreichender" (sättigender) Ernährung mit Reis, Konserven, Büchsenmilch usw., weil diese nicht mit Fischprodukten ergänzt werden konnten, deren Wert nicht genügend erkannt war, und die es nicht gab. Unter ähnlichen Bedingungen trat Skorbut in der Geschichte der Welt oft sogar epidemisch auf.

Es bleibt also nicht viel von den schwulstig präsentierten Gräueltaten und Verbrechen übrig, mit denen Zeller die Kriegsführung des damaligen Oberst und späteren Generals, Sozialdemokraten, Pazifisten und Vorkämpfers für die Selbstbestimmung kolonisierter Völker von Deimling zu kriminalisieren versucht. Die bolschewistisch-revolutionäre Antiimperialismus-Propaganda Stalins und seiner Front- und Strohmänner in Kommintern und der KPD jener Tage obendrein noch als "unbestreitbar verdienstvollen Antikolonialismus" zu bezeichnen, setzt diesem Zeller'schen Fruchtsalat ein Sahnehäubchen auf.

H.R. Schneider-Waterberg, Okosongomingo

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-05-26

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