Seelenstücke an der Wand
Von Ina Briest, Windhoek
Der Fotograf, der an den Treppen zum französischen Restaurant steht, trägt weite Hosen, lange Strümpfe und ein schwarzes, ärmelloses Shirt. „DefeatHate“ steht in geschwungenen Lettern darauf – besiege den Hass. Sein Gesicht ist eingerahmt von türkisfarbenden Strähnen. Dahinter beginnen die dunklen, schulterlangen Dreadlocks. Der buschige Bart ist nur über der Oberlippe rasiert. So kommt auch das Nasenpiercing gut zur Geltung. Vilho Numbala redet lebhaft und entspannt zugleich, mit wohl gewählten Worten.
„The DefeatHate Experience“ heißt die Sammlung, die Nuumbala im Restaurant neben dem Franko-Namibischen Kulturzentrum (FNCC) in Windhoek zeigt. Es ist bereits die zweite Ausstellung des 27-jährigen, der Neue Medien und Fotografie am Windhoek College of Arts studiert hat. Seit er seine Werke 2011 zum ersten Mal präsentierte, kann er sich als freischaffender Fotograf gut über Wasser halten.
Was er hier präsentiert, sind die Werke, die ihm am Herzen liegen und ein Stück von ihm widerspiegeln. Er versucht mit den Fotos, Identität zu stiften und Einheit zu motivieren. Er will Mauern einreißen und auf deren Schutt einen Boden für Toleranz und Empathie schaffen. Seine Kunst ist mehr als eine Ausdrucksform – Nuumbala sieht sie als Aktivismus.
„Das Anderssein sucht dich aus“
„Girl meet World/ Mixed feelings“ heißt eines der ersten Bilder. Es zeigt ein Mädchen mit kurzen Haaren und kurzen Hosen, das vor einer Mauer in Katutura steht. Seine Haltung ist gerade, der Blick stur nach vorn gerichtet. Er findet sich in dieser Person wieder, „weil sie Liebe und zugleich Hass für den Ort empfindet, an dem sie geboren ist. Weil sie sich nicht ganz zu Hause fühlt. Weil sie weglaufen will, aber doch nicht kann“. Das Gefühl, nicht richtig an dem Ort zu sein, an den man eigentlich gehört, kommt auch in der Bildreihe „We are Alternative Namibia“ zum Ausdruck. Bilder wie „Fanny“ zeigen junge Menschen mit ungewöhnlichen Frisuren, Tätowierungen und Kleidungsstücken.
„Ich treffe häufig Menschen, die anders sind, die nicht dem gängigen Ideal entsprechen. Und die nicht wissen, dass auch sie einer Gemeinschaft angehören können.“ Eine solche Gemeinschaft will er schaffen. „Schließlich suchst du dir das Anderssein nicht aus – es sucht dich aus.“
„Meine Familie mochte immer, was die Nachbarn mochten. Sie hasste, was die Kirche hasste.“ Nuumbala fühlte sich schon als Kind anders als die anderen. Mit zwölf oder 13 Jahren, als er davon träumte, einmal mit Elemotho zu arbeiten. Zu Hause hatte aber niemand Verständnis für ihn. Sie verstanden den namibischen Musiker Elemotho nicht, weil seine Musik so afrikanisch war, so anders als die kommerzielle Diskomusik.
Nuumbalas Kindheitstraum erfüllte sich: Eines Tages rief Elemotho an und wollte von ihm fotografiert werden. Auf dem Foto in der Ausstellung geht der Musiker barfuß über eine Wüstenstraße. Er trägt bunte Hosen und ein schwarzes T-Shirt mit den Worten „Love is the answer“. In der Hand trägt er seine Gitarre und im Gesicht ein glückliches Lächeln. Es ist das Bild eines schönen Menschen.
Schönheit halb und halb
Auch Schönheit ist einer der Pfeiler der „DefeatHate Experience“. Aber nicht die reingewaschene, in Photoshop nachbehandelte Hollywood-Schönheit, sondern die von echten Menschen. „Ich stimme nicht mit dem gängigen Schönheitsideal überein. Schönheit setzt sich für mich halb und halb aus innerem und äußerem Anmut zusammen.“
Das Bild „I am…“ ist ein gutes Beispiel dafür. Es zeigt das von der Sonne beschienene Gesicht einer schwarzen Frau mit kurzen Haaren. Sie trägt den Kopf gerade, sieht stolz und unnachgiebig geradeaus. Auf der Schulter trägt sie eine Axt. In diesem Foto sieht der Künstler Unabhängigkeit und Verantwortung – die außergewöhnliche Schönheit einer Frau, die ihr eigener Herr ist.
Diese Eigenständigkeit und Stärke bewundert Nuumbala, der sich selbst einen Feministen nennt. Er erinnert sich lebhaft an seine Großmutter, die ihn und seine Geschwister alleine aufgezogen hat. Wie sie ihnen aus der Bibel vorlas. „Diese starke Frau las die Geschichten eines Mannes. Ich frage mich: Wo sind die Geschichten über Frauen wie meine Großmutter?“
„Die Liebe fliegt unbemerkt aus dem Fenster“
Von der Großmutter geht es zur Mutter. Zur Schwarzweiß-Aufnahme mit dem Titel „Universal Mom“, die eine lachende, schwarze Nanny mit einem weißen Kind auf der Hüfte zeigt. Die beiden sind im Garten und tragen ganz ähnliche Hüte. Was harmonisch wirkt, wirft für den Fotografen viele Fragen auf. „Wie viele schwarze Nannies ziehen weiße Kinder auf? Die Kinder von Weißen, die – in dieser postkolonialen Gesellschaft – die Schwarzen hassen, aber ihre Dienste brauchen?“
„Die Liebe fliegt unbemerkt aus dem Fenster“, sagt er. Diese Kinder, die eine schwarze Nanny als zweite Mutter haben, werden als Erwachsene auf die Schwarzen herabschauen. Rassismus ist noch immer ein großes Thema, auch, wenn die Leute es nicht hören wollen. „Die Menschen kommen nicht mit der Wahrheit zurecht“, findet er.
Fotos mit Seele
Nuumbala hingegen liebt die nackte, brutale Wahrheit. Wie zum Beispiel die, das Liebe überschätzt wird. Er korrigiert sich sofort: „Nein, Liebe wird nicht überschätzt. Sie wird missverstanden.“ Sie entsteht nicht einfach so. Vor allem kann sich Hass nicht einfach in Liebe verwandeln. „Dazwischen braucht es eine Brücke aus Toleranz. Die können wir nur schaffen, in dem wir einander eine Chance geben. Wenn wir es nicht für uns selbst tun, dann vielleicht für die Nation.“ Seine Vision ist eine wahre Regenbogennation, in der die Menschen sich aus Liebe umeinander kümmern und nicht des Geldes wegen.
Mit seinen Fotos will er dazu beitragen, einen Schritt in diese Richtung zu machen. Die Bilder sollen nicht nur das Problem schildern, sondern auch die Gründe dafür, um so eine Lösung aufzuzeigen. Mit ihnen will Nuumbala Geschichten erzählen und denen, die ihren Schmerz verschweigen, eine Stimme geben, „damit die unbehagliche Stille gebrochen wird“.
Sein Dozent erzählte ihm einmal: „In Zentralafrika lassen sich die Menschen nicht fotografieren, denn sie glauben, dass ihnen das Bild die Seele nimmt.“ Nuumbala kann das verstehen: Mit jedem Foto, dass er macht, fängt er ein bisschen davon ein. Schließlich sagt er: „Ich will noch mehr Fotos wie ‚Universal Mom‘ machen. Fotos mit Seele.“
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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