Rhythmische Sportgymnastik: Nicole Bierbach peilt Olympia 2012 an

Die 30. Ausgabe der Weltmeisterschaft in der Rhythmischen Sportgymnastik fand vom 15. bis zum 26. September 2010 zum zweiten Mal mit namibischer Beteiligung statt. Wie im Jahr zuvor zeichnete auch beim Wettkampf in der russischen Hauptstadt Moskau die 17-jährige Nicole Bierbach für die Vertretung der namibischen Farben verantwortlich. Begleitet wurde sie zu dieser elitären Veranstaltung des Weltturnverbandes (FIG) von der namibischen Nationaltrainerin Angelika Lepehka sowie von ihrer Mutter und Delegationsleiterin Meagan Bierbach.
Wie schon bei ihrer ersten Teilnahme erwies sich die fehlende Wettkampferfahrung auf internationalem Parkett als ein schwerwiegendes Handicap für Nicole Bierbach. "Die mangelnde Partizipation Namibias an internationalen Wettbewerben bedeutet einen eindeutigen Nachteil für die namibischen Athleten, wenn sie an internationalen Leistungsvergleichen teilnehmen", meint WM-Delegationsleiterin Meagan Bierbach und fügt an: "Sportgymnasten der europäischen Nationen haben pro Monat mindestens zwei Turniere oder Trainingslager auf internationalem Niveau."
Zudem würden in diesen Ländern, aber auch in afrikanischen Staaten wie Südafrika oder Ägypten, die Infrastruktur sowie die Ausstattung mit Trainingsmaterialien und finanziellen Mitteln, beispielsweise für Trainingslager in Europa, dem gehobenen Leistungsniveau der Athleten wesentlich besser entsprechen, als dies in Namibia der Fall sei, ereifert sich Meagan Bierbach, die sich mehr Unterstützung seitens des Staates wünscht. "Rhythmische Sportgymnasten auf internationalem Niveau werden in der Regel von einem ganzen Team aus hochqualifizierten Trainern, Choreographen, Physiotherapeuten und Mannschaftsärzten betreut, nicht aber unsere namibischen Athleten", bemängelt sie.
Im Falle von Nicole Bierbach fungiert deren Trainerin, Angelika Lepekha, in Personalunion als Coach, Choreographin und Ballet-Übungsleiterin. Vor dem Hintergrund, dass zudem die Trainingsgruppen mit bis zu elf Sportgymnasten zu groß sind und die Hallendecken des Landes nicht die Mindesthöhe für internationale Standards aufweisen, lassen die bereits zum zweiten Mal erfolgreich absolvierte WM-Qualifikation von Nicole Bierbach in einem noch helleren Licht erstrahlen.
Seit ihrem sechsten Lebensjahr nimmt Nicole an Wettbewerben in Rhythmischer Sportgymnastik teil. Gemessen am weltweiten Spitzenniveau waren jedoch weder der Trainingsaufwand noch das Trainingsniveau zu Beginn ihrer Karriere ausreichend, um mit Weltklassegymnastinnen konkurrieren zu können. Doch habe sie sich durch dieses Trainingsdefizit nie entmutigen lassen, wie die stolze Mutter Meagan bemerkt.
In einer FIG-Pressemitteilung wurde Nicole im Rahmen der WM 2010 folgendermaßen beschrieben: Nicole scheut keineswegs den Vergleich mit Stars aus der Gymnastik-Szene, sondern ist vielmehr froh darüber, sich mit Athleten aus traditionellen Gymnastik-Nationen messen zu dürfen. Sie genießt das internationale Flair der Weltmeisterschaften und kann dabei ihre Abenteuer- und Reiselust ausleben, um so neue Gymnasten und fremde Länder kennenzulernen.
"Um ein wahrer Champion zu sein, muss man seinen Sport lieben", lautet ein Motto der erfolgreichen Nachwuchsturnerin. Die Vorbereitung auf eine WM empfindet die Schülerin des St. Pauls College als einen oft einsamen und steinigen Prozess, ist sie doch bislang stets als Einzelkämpferin für ihr Land Namibia an den Start gegangen. Trainingseinheiten an sechs Tagen in der Woche, morgens vor und nachmittags nach der Schule ergeben insgesamt sechs Stunden intensives Training pro Tag und lassen kaum andere Freizeitaktivitäten zu. Im vergangenen Jahr fiel die WM-Vorbereitung mit den Klausuren der damaligen Elftklässlerin zusammen. Physischer und psychischer Stress waren da vorprogrammiert.
Doch meisterte Nicole diese Herausforderungen mit Bravour und präsentierte sich im September bei der WM in Russland in einer guten Verfassung. Auch durch Probleme bei der Auftaktübung mit dem Seil ließ sich Nicole nicht entmutigen und so bot sie am zweiten Wettkampftag mit dem Reifen eine starke Vorstellung. Auch mit Ball und Farbband wusste die 17-Jährige zu überzeugen, so dass sie im Endklassement den respektablen 114. Platz von 148 angetretenen Gymnasten aus 54 unterschiedlichen Ländern belegte.
Damit hat sie ihre Position als führende rhythmische Sportgymnastin Namibias nachdrücklich behauptet. Vor sechs Jahren begann die damals zwölfjährige Nicole ihren Lieblingssport leistungsorientiert zu betreiben und seitdem gilt sie als die führende namibische Athletin in dieser Sportart. Auch im vergangenen Jahr holte die Vorzeigeturnerin bei der nationalen Meisterschaft und der WM-Qualifikation sämtliche Einzel-Medaillen und sicherte sich somit auch die Gesamtsiege. Zudem belegte sie im Mai bei einem internationalen Turnier im belgischen Mol den hervorragenden fünften Rang in der Gesamtwertung, wobei sie einen Platz auf dem Podest nur knapp verpasste.
Für das Jahr 2011 haben sich Nicole und ihre Trainerin Angelika Lepekha viel vorgenommen. Für jeden Wettbewerb, an dem Nicole teilnimmt, sollen die Ziele im Vergleich zum Vorjahr höher gesetzt werden. Im März stehen mit den FIG-Wettbewerben in der Ukraine und Portugal, die Bestandteile einer Weltcup-Serie sind, die ersten Saison-Höhepunkte an, ehe im September die Weltmeisterschaft im südfranzösischen Montpellier ausgetragen wird.
Nicole ist die Teilnahme an diesen internationalen Veranstaltungen nur möglich, weil sie von ihren langjährigen Sponsoren wie der Fluggesellschaft Air Namibia, dem Reiseunternehmen Rennies Travel und der Stiftung Davin Trust unterstützt wird. Zudem hat sich der bekannte Sportberater Quinton-Steele Botes als hilfreiche Stütze erwiesen. Jederzeit steht er Nicole mit Rat und Tat zur Seite und bereitet sie so emotional auf die Wettkämpfe vor. Falls die finanziellen Mittel es erlauben, wird Nicole bereits im Vorfeld der WM 2011 nach Frankreich reisen, um sich dort in ausgewählten Trainingslagern auf das Großereignis vorzubereiten.
"Es ist eine große Ehre für mich, mein Heimatland international repräsentieren zu dürfen", verkündet Nicole gegenüber der AZ und verrät abschließend: "Mein größtes Ziel ist die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2012 in London."