Psychologen empfehlen: Freizeit als freie Zeit zu nutzen

Bei vielen Menschen sind die Erinnerungen an die Kindheit oder Jugend ein Rückblick auf eine unbeschwerte und ungetrübte Zeit. Es sind Gedanken an den Beginn tiefer Freundschaften, an ein fröhliches Zusammensein mit Gleichgesinnten und das aufregende Ausprobieren von allerlei Neuem. Doch nicht immer verlaufen diese Lebensphasen problemlos. Die klinische Psychologin Dr. Käthe Burkhardt und die Leiterin des Förderzentrums der Deutschen Höheren Privatschule Windhoek (DHPS) Hannah Reusch haben in einem Gespräch einen Einblick in ihre Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gegeben und dabei deutlich gemacht: Immer mehr Minderjährige haben mit sich zu kämpfen und leiden darunter.
„Die Jugendlichen sind in unserer Gesellschaft zu einer großen gefährdeten Gruppe geworden. Immer häufiger habe ich in meiner Praxis junge Patienten, die Selbstmordgedanken äußern oder bereits einen versuchten Selbstmord hinter sich haben.“ Laut Psychologin Burkhardt, die seit zwölf Jahren ihrer Arbeit nachgeht, ist dies die erschreckende Wirklichkeit in der namibischen Gesellschaft. Zurückzuführen sei diese steigende Anzahl an früh eintretenden Depressionen und Angstzuständen auf einen immer größer werdenden Überlebenskampf. „Die Wassersituation in Windhoek, der fehlende Regen auf der Farm, wachsende Geldsorgen – Kinder nehmen von Anfang an solche Probleme wahr und leiden dadurch unter einem erhöhten Stress“, erläutert Burkhardt, die daraus auch wesentliche Konsequenzen für die Gestaltung des Freizeitprogramms von Kindern und Jugendlichen zieht. Hier gilt: „Kinder müssen Spielen können und die Anzahl der Aktivitäten soll überschaubar bleiben. Wichtig ist auch, dass dabei immer der Spaß im Vordergrund steht.“
So sei die Psychologin so manches Mal selbst schon gestresst, wenn sie nur die lange Liste der Nachmittagsgestaltung der jungen Generation höre. Es sei hingegen wichtig, diese Stunden auch zu nutzen, um einmal richtig zur Ruhe zu kommen und seine Gedanken schweifen zu lassen. Dazu gehöre auch, eine bestimmte Zeit bewusst ohne Medien zu verbringen. So zum Beispiel beim Essen oder vor dem Schlafengehen. „Die Balance ist ein ganz wichtiges Kriterium“, meint Burkhardt, wozu eben auch Zeit zum Nachdenken und Träumen gehöre.
Auch Reusch beschäftigt sich am Förderzentrum der DHPS mit den Problemen von Kindern und Jugendlichen, wobei sich diese meist in Lernstörungen wie Legasthenie, Rechenschwäche und/oder Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADS/ADHS) äußern. Ihrer Einschätzung nach gebe es heutzutage in jeder Klasse Kinder oder Jugendliche mit Lernstörungen, die jedoch durch unterschiedliche Programme behandelt werden könnten. Die Ursachen seien unterschiedlich oder könnten oftmals nicht final geklärt werden, doch auch hier gebe es bestimmte Strukturen, die die Schüler positiv beeinflussen können. „Kinder benötigen einen geregelten Tagesablauf, der ihnen Halt gibt“, so die Expertin. Dabei seien ausreichend Schlaf, eine ausgewogene Ernährung, Bewegung und die Interaktion mit Gleichaltrigen wichtig. Auch das Spielen und Toben dürfe nicht vernachlässigt werden. „Bei vielem Fernsehen schauen und Videospiele spielen hingegen lernen die Kinder nicht, die äußeren Wahrnehmungen einzuordnen und zu verarbeiten. Darüber hinaus sind sie bei Videospielen schnelle Belohnungen gewohnt und können dann im wahren Leben nicht mehr lange auf etwas warten.“
Viele der Lernstörungen würden daher aus einer nicht steuerbaren Impulsivität versursacht – ein Grund, der laut Burkhardt oft auch der Auslöser für jugendliche Depressionen sei. „Die Jugendlichen erleben ihre Emotionen oftmals so stark, dass sie nicht damit umgehen können.“ In einem solchen Fall sei von den Eltern vor allem Verständnis und Anerkennung gefragt. Auch grundsätzlich spiele das Aufbauen einer Beziehung zwischen den Eltern und Kindern eine ausschlaggebende Rolle. Es sei wichtig, Interesse an dem zu zeigen, was die Kinder beschäftigt, „auch, wenn das bedeutet, sich darüber erst einmal selbst zu informieren.“ Nur durch eine intakte Beziehung werde dem Kind suggeriert, dass bei Problemen die Tür zu den Eltern offen stehe. „Und diese Beziehung kann niemals ersetzt werden“, meint auch Reusch. „Das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler kann noch so liebevoll sein – es ist nicht das Gleiche.“ In diesem Zusammenhang dürfe auch nicht erwartet werden, dass die Schule die Erziehung übernehme. „Das muss schon vor dem Schulbeginn geschehen.“
Nina Külbs