Nur du, der Sand und das Wasser: Eine Tagestour ins Vogelschutzgebiet Sandwich Hafen
Haben Sie wieder mal Liebeskummer und brauchen mal etwas Abstand und Zeit zum Nachdenken? Oder sind Sie Natur-, insbesondere Vogelliebhaber? Interessieren sich für Archäologie oder Fotografie? Oder lieben einfach die Ruhe und Einsamkeit? Für all diese Liebhaber gibt es ein gemeinsames Fleckchen auf dieser Erde. Gemeint ist Namibias Küstenstreifen, wo die Dünen direkt ins Meer abfallen - Sandwich Hafen.
Dieses ist das heutige Ziel von Ernst, dem schmächtigen - und ganz lieben - Mann auf dem Fahrersitz des Landrover. Nachdem er gestern noch eine 30-köpfige Gruppe Japaner nach Sandwich Hafen gefahren hat, sitzen diesmal mit ihm nur zwei Männer im Auto. Und nachdem der 44-Jährige diesen einen kurzen Geschichtsüberblick gegeben und ihnen zum Beispiel erzählt hat, dass Sandwich 1486 durch die Portugiesen entdeckt wurde, kann es auch schon losgehen.
Es ist wie so oft an der Küste neblig und es nieselt an diesem Morgen. Von Swakopmund geht es mit einem kurzen Zwischenstopp an der Vogelinsel, auf der laut Ernst 400 Tonnen Guano jährlich anfallen, direkt nach Walvis Bay, Namibias einzigem Tiefseehafen. Weiter Richtung Süden durchqueren wir das Areal der Salzwerke und kommen an vielen Anglern vorbei. Doch auf Ernsts Fragen, ob sie heut schon was gefangen haben, entgegnen alle mit einem Kopfschütteln.
Auf dem Weg nach Sandwich zeigt sich bereits, was das Gebiet ist - ein Vogelparadies. Und Ernst, ein Deutschstämmiger, scheint die flatternden Objekte alle zu kennen. Hier stehen Flamingos im Wasser, da zeigt er auf Sichelstrandläufer, und dort holt er uns per Fernglas den Steinwälzer ganz nah vors Auge. Nach dem Steinwälzer, auf Englisch Turnstone, ist auch das Swakopmunder Kleinunternehmen benannt, für das Ernst arbeitet. Wie der Steinwälzer wollen auch Ernst und Co. jeden Stein umdrehen, genauer hinschauen. Und die Tatsache, dass der Turnstone ein Vogel ist, weist außerdem gleich auf einen Schwerpunkt der Touren hin - den ornitologischen.
Doch nicht nur Vögel begleiten uns. Wir sehen auch einen Schakal und sogar einen Buckelwal, leider einen toten. Der zwölf Meter Koloss wurde an die Küste gespült; alle Versuche, ihn wieder ins Meer zu bugsieren, schlugen fehl. Mittlerweile haben wir die Straße verlassen, fahren wir auf sandigem Untergrund. Zunächst sind weit und breit keine Dünen zu sehen, dann kleine Buckeldünen, die immer größer werden und dem Meer immer näher kommen. Zuletzt hat die Ebbe zwischen Düne und Meer gerade mal einen Fahrstreifen freigelegt, auf dem Ernst den Landrover gekonnt steuert. Wer nach Sandwich will, braucht nicht nur einen 4x4, sondern muss auch die Gezeiten kennen, sollte nicht unerfahren, nicht allein unterwegs sein und dazu ein Permit besitzen, gibt er ein paar Tipps für Urlauber, die auf eigene Faust losfahren wollen, was jedoch nicht empfehlenswert sei.
Nach rund 50 Kilometern endet die Fahrt - auch mit Permit - an einem Holzschild. "NO VEHICLES BEYOND THIS POINT", steht darauf geschrieben. Von hier geht es also nur zu Fuß weiter. Um uns vorher nochmals zu stärken, stellt Ernst Klapptisch und -stühle im Sand auf und serviert dann liebevoll einen bunten Salat und frisches Brot sowie später Kaffee und Bananen-Nuss-Kuchen. Mmmmmhh, lecker.
Noch mal mit Sonnencreme eingeschmiert und der Spaziergang kann beginnen. Wir laufen immer weiter Richtung Süden an der muschelreichen Atlantik-Küste entlang. Rechts rauscht das Meer, links erheben sich die Dünen. Nur wir, der Sand und das Wasser, sonst nichts. Hier darf die Natur noch Natur sein. Hier wird man nicht mal durch Handyklingeln aufgrund des fehlenden Empfangs gestört, kann man die Seele mal baumeln lassen oder hat man mal Zeit zum Pläne schmieden und Nachdenken. Über das Leben. Über die Liebe. Ernst träumt zum Beispiel davon, verrät er, eines Tages mit dem Kite (Lenkdrachen) an der Küste in für ihn noch unbekannte Areale zu surfen. Diese träumerische Ruhe wird nur durch das Gekreische und Geflatter der Flamingos und Pelikane durchbrochen, die wir aufscheuchen, als wir eine knietiefe Tidenlagune durchqueren müssen. Insgesamt fast 40 Vogelarten leben hier.
Genau diese Ruhe und Einsamkeit aufgrund der schweren Erreichbarkeit ist es, die Sandwich Hafen von Sossusvlei etwas weiter südlich und landeinwärts gelegen unterscheidet. Dort sind die Dünen zwar etwas röter weil rostiger und auch etwas höher, aber die Touristenzahlen eben genauso. Hier in Sandwich Hafen fallen die Sandriesen außerdem direkt ins Meer ab, was einen zusätzlichen Reiz ausmacht. Und hier ist es auch deutlich grüner. Ernst pflückt eine nicht ganz handballgroße, melonenartige, grün-gelbe Frucht. "Das ist die !Nara-Frucht", sagt er, öffnet sie und hält uns die Hälften zum Probieren hin. Das Fruchtfleisch ist knallorange und sehr süß.
Noch ein paar Schritte, Gedanken und Buchten weiter stoßen wir auf die Ruine einer alten Fleischkonservenfabrik, die an frühere Zeiten erinnert, aber immer mehr unter dem Sand verschwindet. Damals trieb man aber nicht nur Rinder hierher, um sie zu Fleischkonserven zu verarbeiten, sondern betrieben mehrere Nationen Walfang. Es entstand in Sandwich Hafen sogar ein kleines Dorf, auch weil es hier Frischwasser gibt. Doch als Ende des 19. Jahrhunderts ein großer Sturm kam und dadurch der Ankerplatz versandete, war es mit diesem Leben vorbei. Von früherem Leben zeugen auch alte Tonscherben, die man im Sand durchaus finden kann. Wie Ernst einmal; sein ältestes Fundstück ist 1500 Jahre alt. Den Titel hat das Naturschutzgebiet übrigens vom englischen Sandwich-Erfinder, dem Earl of Sandwich, nach dem das erste Walfangschiff benannt war.
Obwohl Ernst regelmäßig Sandwich Hafen ansteuert, sagt er: "Selbst ich bin jetzt erst das zweite Mal bei der Fabrik." Sonst hätten die Gäste nicht so viel Zeit und Lust, um so weit zu laufen. Doch die bisher zurückgelegten drei, vier Kilometer lohnen sich nicht nur wegen der Fabrik. Die Dünenlandschaft und ihre Schattenspiele scheinen immer schöner zu werden, die Natur noch einen Tick unberührter, und jede Bucht sieht sowieso irgendwie anders aus. Auch das Wetter klart immer weiter auf, der Nebel hat sich schon lange gelegt und die Sonne gewonnen. Doch irgendwann müssen auch wir den Rückweg antreten.
Ob Sie nach der Tour den Liebeskummer hinter sich gelassen haben oder nicht, ist fraglich. Eines steht aber fest: Ein neues Fleckchen Erde zum Lieben haben Sie dann auf jeden Fall gefunden.
Preis, Touren und Kontakt: Die Turnstone-Tagestour nach Sandwich Hafen kostet N$ 1050 p.P. (Getränke, Picknick inklusive, gilt für Buchungen ab vier Personen). Andere Touren des Unternehmens führen zum Beispiel in die Namib Wüste, zum Campen ins Damaraland oder ins Mundulea Nature Reserve südöstlich von Otavi. Telefon: 00264-(0)64-40 31 23 oder 00264-(0)81-129 2331. E-Mail: [email protected]. Internet: www.turnstone-tours.com
Dieses ist das heutige Ziel von Ernst, dem schmächtigen - und ganz lieben - Mann auf dem Fahrersitz des Landrover. Nachdem er gestern noch eine 30-köpfige Gruppe Japaner nach Sandwich Hafen gefahren hat, sitzen diesmal mit ihm nur zwei Männer im Auto. Und nachdem der 44-Jährige diesen einen kurzen Geschichtsüberblick gegeben und ihnen zum Beispiel erzählt hat, dass Sandwich 1486 durch die Portugiesen entdeckt wurde, kann es auch schon losgehen.
Es ist wie so oft an der Küste neblig und es nieselt an diesem Morgen. Von Swakopmund geht es mit einem kurzen Zwischenstopp an der Vogelinsel, auf der laut Ernst 400 Tonnen Guano jährlich anfallen, direkt nach Walvis Bay, Namibias einzigem Tiefseehafen. Weiter Richtung Süden durchqueren wir das Areal der Salzwerke und kommen an vielen Anglern vorbei. Doch auf Ernsts Fragen, ob sie heut schon was gefangen haben, entgegnen alle mit einem Kopfschütteln.
Auf dem Weg nach Sandwich zeigt sich bereits, was das Gebiet ist - ein Vogelparadies. Und Ernst, ein Deutschstämmiger, scheint die flatternden Objekte alle zu kennen. Hier stehen Flamingos im Wasser, da zeigt er auf Sichelstrandläufer, und dort holt er uns per Fernglas den Steinwälzer ganz nah vors Auge. Nach dem Steinwälzer, auf Englisch Turnstone, ist auch das Swakopmunder Kleinunternehmen benannt, für das Ernst arbeitet. Wie der Steinwälzer wollen auch Ernst und Co. jeden Stein umdrehen, genauer hinschauen. Und die Tatsache, dass der Turnstone ein Vogel ist, weist außerdem gleich auf einen Schwerpunkt der Touren hin - den ornitologischen.
Doch nicht nur Vögel begleiten uns. Wir sehen auch einen Schakal und sogar einen Buckelwal, leider einen toten. Der zwölf Meter Koloss wurde an die Küste gespült; alle Versuche, ihn wieder ins Meer zu bugsieren, schlugen fehl. Mittlerweile haben wir die Straße verlassen, fahren wir auf sandigem Untergrund. Zunächst sind weit und breit keine Dünen zu sehen, dann kleine Buckeldünen, die immer größer werden und dem Meer immer näher kommen. Zuletzt hat die Ebbe zwischen Düne und Meer gerade mal einen Fahrstreifen freigelegt, auf dem Ernst den Landrover gekonnt steuert. Wer nach Sandwich will, braucht nicht nur einen 4x4, sondern muss auch die Gezeiten kennen, sollte nicht unerfahren, nicht allein unterwegs sein und dazu ein Permit besitzen, gibt er ein paar Tipps für Urlauber, die auf eigene Faust losfahren wollen, was jedoch nicht empfehlenswert sei.
Nach rund 50 Kilometern endet die Fahrt - auch mit Permit - an einem Holzschild. "NO VEHICLES BEYOND THIS POINT", steht darauf geschrieben. Von hier geht es also nur zu Fuß weiter. Um uns vorher nochmals zu stärken, stellt Ernst Klapptisch und -stühle im Sand auf und serviert dann liebevoll einen bunten Salat und frisches Brot sowie später Kaffee und Bananen-Nuss-Kuchen. Mmmmmhh, lecker.
Noch mal mit Sonnencreme eingeschmiert und der Spaziergang kann beginnen. Wir laufen immer weiter Richtung Süden an der muschelreichen Atlantik-Küste entlang. Rechts rauscht das Meer, links erheben sich die Dünen. Nur wir, der Sand und das Wasser, sonst nichts. Hier darf die Natur noch Natur sein. Hier wird man nicht mal durch Handyklingeln aufgrund des fehlenden Empfangs gestört, kann man die Seele mal baumeln lassen oder hat man mal Zeit zum Pläne schmieden und Nachdenken. Über das Leben. Über die Liebe. Ernst träumt zum Beispiel davon, verrät er, eines Tages mit dem Kite (Lenkdrachen) an der Küste in für ihn noch unbekannte Areale zu surfen. Diese träumerische Ruhe wird nur durch das Gekreische und Geflatter der Flamingos und Pelikane durchbrochen, die wir aufscheuchen, als wir eine knietiefe Tidenlagune durchqueren müssen. Insgesamt fast 40 Vogelarten leben hier.
Genau diese Ruhe und Einsamkeit aufgrund der schweren Erreichbarkeit ist es, die Sandwich Hafen von Sossusvlei etwas weiter südlich und landeinwärts gelegen unterscheidet. Dort sind die Dünen zwar etwas röter weil rostiger und auch etwas höher, aber die Touristenzahlen eben genauso. Hier in Sandwich Hafen fallen die Sandriesen außerdem direkt ins Meer ab, was einen zusätzlichen Reiz ausmacht. Und hier ist es auch deutlich grüner. Ernst pflückt eine nicht ganz handballgroße, melonenartige, grün-gelbe Frucht. "Das ist die !Nara-Frucht", sagt er, öffnet sie und hält uns die Hälften zum Probieren hin. Das Fruchtfleisch ist knallorange und sehr süß.
Noch ein paar Schritte, Gedanken und Buchten weiter stoßen wir auf die Ruine einer alten Fleischkonservenfabrik, die an frühere Zeiten erinnert, aber immer mehr unter dem Sand verschwindet. Damals trieb man aber nicht nur Rinder hierher, um sie zu Fleischkonserven zu verarbeiten, sondern betrieben mehrere Nationen Walfang. Es entstand in Sandwich Hafen sogar ein kleines Dorf, auch weil es hier Frischwasser gibt. Doch als Ende des 19. Jahrhunderts ein großer Sturm kam und dadurch der Ankerplatz versandete, war es mit diesem Leben vorbei. Von früherem Leben zeugen auch alte Tonscherben, die man im Sand durchaus finden kann. Wie Ernst einmal; sein ältestes Fundstück ist 1500 Jahre alt. Den Titel hat das Naturschutzgebiet übrigens vom englischen Sandwich-Erfinder, dem Earl of Sandwich, nach dem das erste Walfangschiff benannt war.
Obwohl Ernst regelmäßig Sandwich Hafen ansteuert, sagt er: "Selbst ich bin jetzt erst das zweite Mal bei der Fabrik." Sonst hätten die Gäste nicht so viel Zeit und Lust, um so weit zu laufen. Doch die bisher zurückgelegten drei, vier Kilometer lohnen sich nicht nur wegen der Fabrik. Die Dünenlandschaft und ihre Schattenspiele scheinen immer schöner zu werden, die Natur noch einen Tick unberührter, und jede Bucht sieht sowieso irgendwie anders aus. Auch das Wetter klart immer weiter auf, der Nebel hat sich schon lange gelegt und die Sonne gewonnen. Doch irgendwann müssen auch wir den Rückweg antreten.
Ob Sie nach der Tour den Liebeskummer hinter sich gelassen haben oder nicht, ist fraglich. Eines steht aber fest: Ein neues Fleckchen Erde zum Lieben haben Sie dann auf jeden Fall gefunden.
Preis, Touren und Kontakt: Die Turnstone-Tagestour nach Sandwich Hafen kostet N$ 1050 p.P. (Getränke, Picknick inklusive, gilt für Buchungen ab vier Personen). Andere Touren des Unternehmens führen zum Beispiel in die Namib Wüste, zum Campen ins Damaraland oder ins Mundulea Nature Reserve südöstlich von Otavi. Telefon: 00264-(0)64-40 31 23 oder 00264-(0)81-129 2331. E-Mail: [email protected]. Internet: www.turnstone-tours.com
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