Neuer Präsident sorgt für gute Hoffnung am Kap
Südafrika atmet auf: Nach neun ruinösen Amtsjahren, in denen die Wirtschaft am Kap schwer gelitten hat, ist der von zahllosen Korruptionsvorwürfen geplagte Präsident Jacob Zuma von seinem regierenden Afrikanischen Nationalkongress (ANC) abberufen worden und letzte Woche widerwillig zurückgetreten. Ein Hoffnungsträger der Geschäftswelt hat postwendend das höchste Staatsamt übernommen – und an den Finanzmärkten ein wahres Kursfeuerwerk entfacht: Cyril Ramaphosa, ein ehemaliger Gewerkschaftsführer und Geschäftsmann, hat im Land einen Optimismus ausgelöst wie zuletzt der legendäre Freiheitskämpfer Nelson Mandela, der Ramaphosa stets als seinen Nachfolger sah.
Gewinnsprung an Börse
Die Johannesburger Börse (JSE) verzeichnete als Reaktion darauf am Donnerstag, dem Tag des Machtantritts von Ramaphosa, den größten Tagesgewinn in mehr als drei Jahren. Der Leitindex JSE und der breiter aufgestellte All-Share-Index kletterten um jeweils mehr als 3,5 Prozent. Auch die Landeswährung Rand, der beste Seismograf für die Stimmungslage am Kap, schnellte gegenüber dem US-Dollar auf ein Dreijahreshoch. Ein Dollar war mit 11,70 Rand so billig wie zuletzt vor knapp drei Jahren. Seit der Wahl Ramaphosas zum Parteichef des ANC im Dezember 2017 hat der Rand nun rund 20 Prozent gegenüber dem Dollar aufgewertet. Mehr als zehn Prozent waren es gegenüber Euro und Franken. Inzwischen gilt die Währung deshalb unter vielen Experten als überbewertet.
Einige Beobachter beschrieben das zuletzt gestiegene Interesse am Aktienmarkt als phänomenal. „Zumas Rücktritt hat zweifellos das hohe politische Risiko verringert, das ein Engagement in Südafrika seit Längerem wenig attraktiv gemacht hatte“, sagte Analyst Jameel Ahmad vom Devisenhandelsunternehmen FXTM.
Selbst die Rendite der richtungsweisenden Regierungsanleihe R186 fiel zum Wochenende um mehr als 20 Basispunkte auf 8,15 Prozent, was bedeutet, dass Investoren die Kaprepublik erstmals als weniger riskant als Mexiko einstufen. „Südafrika ist immer unterm Radar geflogen, während Mexiko bei Schwellenmarktanlegern seit Jahren sehr beliebt war. Dies scheint sich nun zu ändern“, sagte Daniel Moreno, Schwellenmarkt-Experte bei Mirabaud Asset Management.
Erwartungen im Bergbau
Besonders stark profitierte von dem Devisenzustrom der Bankensektor, der am Tag nach Zumas Abgang fast sechs Prozent an Wert gewann. Aber auch im für Südafrika so wichtigen Bergbausektor gab es satte Zugewinne, obwohl die Unternehmen hier eigentlich einen schwachen Rand brauchen, da die von ihnen exportierten Rohstoffe wie Gold oder Platin international in Dollar abgerechnet werden. Groß ist hier die Hoffnung, dass der wirtschaftsfeindliche Bergbauminister Mosebenzi Zwane, einer der engsten Vertrauten Zumas, als Minister gefeuert und zeitgleich die drakonische Minengesetzgebung des Landes gelockert wird.
Die neue Aufbruchstimmung kann allerdings alte Fehlentwicklungen nicht umkehren. Viele Unternehmen haben als Folge der ständigen staatlichen Interventionen und Auflagen Südafrika inzwischen den Rücken gekehrt. So hat ausgerechnet AngloGold Ashanti, das einst Branchenführer in einem Land war, das in den frühen 1970er-Jahren mit 1000 Tonnen noch rund 60 Prozent allen Goldes weltweit förderte, heute nur noch eine einzige Mine am Kap. Wie alle anderen Rohstoffsparten befindet sich auch die Goldbranche in einem verheerenden Zustand, was neben dem regulatorischen Umfeld an den hohen Lohn- und Stromkosten liegt.
AngloGold Ashanti ist ein Musterbeispiel für die Misere am Kap: Obwohl das Unternehmen mehr als halb so viel Gold wie der weltweit größte Goldkonzern Newmont fördert, liegt sein Börsenwert bei nur einem Sechstel des amerikanischen Konkurrenten.
Gute Einstiegschancen sehen Analysten dennoch beim populären Gold- und Platinförderer Sibanye, der nach dem US-Palladiumproduzenten Stillwater nun auch noch den fast bankrotten Platinproduzenten Lonmin übernommen hat, den drittgrößten Förderer weltweit, aber vom Markt wegen der hohen Ausgaben dafür erst einmal zurückgestuft wurde.
ANC zum Wandel bereit?
Allerdings mischen sich in den Freudentaumel über Ramaphosa auch erste kritische Stimmen. Einige Beobachter zweifeln dabei vor allem die Durchsetzungsfähigkeit Ramaphosas in einer seit Jahren von Korruption und Inkompetenz geprägten Regierungspartei an. „Wir sollten nie vergessen, dass der ANC in der Vergangenheit alle Misstrauensanträge gegen Zuma selbst abgeschmettert und dadurch das Zuma-Regime jahrelang an der Macht gehalten hat“, warnt der Investment-Analyst Chris Gilmour. Noch immer ungeklärt sei auch die Frage, ob der ANC mehrheitlich wirklich zum Wandel bereit sei. „Die Positionen des ANC zu Marktwirtschaft oder Eigentumsfragen sind so nebulös und widersprüchlich wie immer“, konstatiert Tim Cohen, Chefredakteur des „Business Day“.
In fast jeder Hinsicht ist Südafrikas Wirtschaft heute schlechter dran als zu Zumas Machtantritt vor fast zehn Jahren. Der Vertrauensverlust der Anleger gründet dabei vor allem auf der inzwischen tief im gesellschaftlichen Gefüge verankerten Korruption. Insbesondere eine mit dem Ex-Präsidenten eng befreundete indische Unternehmerfamilie, die Guptas, steht im Verdacht, weite Teile des Staates, insbesondere die großen Staatsfirmen, wie den Strommonopolisten Eskom oder den Transportriesen Transnet, aus dem Hintergrund kontrolliert zu haben. Sie sollen beispielsweise die Ernennung von Ministern persönlich verfügt haben. Und das gerade auch im Finanzministerium, dem einstigen Stabilitätsgaranten des Landes.
Großes Chaos geerbt
Kein Präsident seit Mandela habe vor so vielen Herausforderungen gestanden wie Ramaphosa, sagt auch Ben Payton von der Risikoberatung Verisk Maplecroft. Er habe von seinem Vorgänger ein furchtbares Chaos geerbt. Dass die Johannesburger Börse in den wirtschaftlich besonders schlimmen Jahren ab 2014 eher seitwärts tendiert hat und nicht abgestürzt ist, liegt vor allem daran, dass von den zehn kapitalstärksten Werten an der JSE nur noch drei ihre Hauptnotierung am Kap haben, darunter der Medienriese Naspers, der allein rund 15 Prozent des Gesamtmarktes ausmacht. Sein Problem ist, dass Wohl und Wehe des Konzerns fast ausschließlich an dem chinesischen Facebook-Pendant Tencent hängen, an dem Naspers zu 33 Prozent beteiligt ist. Sollte es in China zu einer stärkeren Regulierung der sozialen Medien kommen, wie immer wieder spekuliert wird, könnten Naspers und sein (jahrelang kräftig gestiegener) Aktienkurs die ersten Opfer sein.
Fast alle anderen kapitalstarken Werte an der JSE wie der Zigarettenhersteller BAT, der von der südafrikanischen Rupert-Familie kontrollierte Luxusgüterkonzern Richemont oder die Minenhäuser Glencore, BHP Billiton und Anglo American sind im Ausland hauptnotiert. Daneben ist das Handelsvolumen an der JSE dadurch stark beeinträchtigt worden, dass der am Kap beheimatete Brauereiriese SAB Miller vor 18 Monaten nach der Übernahme durch AB InBev von der Börse genommen wurde. Ein schwerer Rückschlag waren für die JSE zudem die Bilanzmanipulationen beim Möbelriesen Steinhoff, der vor seinem spektakulären Absturz im Dezember rund acht Prozent des JSE-Börsenwerts ausmachte. Zum Vergleich: Apple hat in den USA als größtes börsennotiertes Unternehmen einen Anteil von rund zwei Prozent am Gesamtmarkt.
„Fünf Unternehmen machen an der JSE rund ein Drittel des täglichen Handelsvolumen aus. Die anderen zählen fast nicht mehr”, klagt der langjährige Börsenkommentator David Shapiro von Sasfin Securities. Er fragt sich, wo in dem gegenwärtigen Umfeld das Wachstum herkommen soll. „Alles an der JSE wird kleiner und noch konzentrierter“, sagt er. Ein Spiegelbild der südafrikanischen Volkswirtschaft und ihres wahren Gesundheitszustands sei die JSE aber schon lange nicht mehr.
Wolfgang Drechsler, Kapstadt
Gewinnsprung an Börse
Die Johannesburger Börse (JSE) verzeichnete als Reaktion darauf am Donnerstag, dem Tag des Machtantritts von Ramaphosa, den größten Tagesgewinn in mehr als drei Jahren. Der Leitindex JSE und der breiter aufgestellte All-Share-Index kletterten um jeweils mehr als 3,5 Prozent. Auch die Landeswährung Rand, der beste Seismograf für die Stimmungslage am Kap, schnellte gegenüber dem US-Dollar auf ein Dreijahreshoch. Ein Dollar war mit 11,70 Rand so billig wie zuletzt vor knapp drei Jahren. Seit der Wahl Ramaphosas zum Parteichef des ANC im Dezember 2017 hat der Rand nun rund 20 Prozent gegenüber dem Dollar aufgewertet. Mehr als zehn Prozent waren es gegenüber Euro und Franken. Inzwischen gilt die Währung deshalb unter vielen Experten als überbewertet.
Einige Beobachter beschrieben das zuletzt gestiegene Interesse am Aktienmarkt als phänomenal. „Zumas Rücktritt hat zweifellos das hohe politische Risiko verringert, das ein Engagement in Südafrika seit Längerem wenig attraktiv gemacht hatte“, sagte Analyst Jameel Ahmad vom Devisenhandelsunternehmen FXTM.
Selbst die Rendite der richtungsweisenden Regierungsanleihe R186 fiel zum Wochenende um mehr als 20 Basispunkte auf 8,15 Prozent, was bedeutet, dass Investoren die Kaprepublik erstmals als weniger riskant als Mexiko einstufen. „Südafrika ist immer unterm Radar geflogen, während Mexiko bei Schwellenmarktanlegern seit Jahren sehr beliebt war. Dies scheint sich nun zu ändern“, sagte Daniel Moreno, Schwellenmarkt-Experte bei Mirabaud Asset Management.
Erwartungen im Bergbau
Besonders stark profitierte von dem Devisenzustrom der Bankensektor, der am Tag nach Zumas Abgang fast sechs Prozent an Wert gewann. Aber auch im für Südafrika so wichtigen Bergbausektor gab es satte Zugewinne, obwohl die Unternehmen hier eigentlich einen schwachen Rand brauchen, da die von ihnen exportierten Rohstoffe wie Gold oder Platin international in Dollar abgerechnet werden. Groß ist hier die Hoffnung, dass der wirtschaftsfeindliche Bergbauminister Mosebenzi Zwane, einer der engsten Vertrauten Zumas, als Minister gefeuert und zeitgleich die drakonische Minengesetzgebung des Landes gelockert wird.
Die neue Aufbruchstimmung kann allerdings alte Fehlentwicklungen nicht umkehren. Viele Unternehmen haben als Folge der ständigen staatlichen Interventionen und Auflagen Südafrika inzwischen den Rücken gekehrt. So hat ausgerechnet AngloGold Ashanti, das einst Branchenführer in einem Land war, das in den frühen 1970er-Jahren mit 1000 Tonnen noch rund 60 Prozent allen Goldes weltweit förderte, heute nur noch eine einzige Mine am Kap. Wie alle anderen Rohstoffsparten befindet sich auch die Goldbranche in einem verheerenden Zustand, was neben dem regulatorischen Umfeld an den hohen Lohn- und Stromkosten liegt.
AngloGold Ashanti ist ein Musterbeispiel für die Misere am Kap: Obwohl das Unternehmen mehr als halb so viel Gold wie der weltweit größte Goldkonzern Newmont fördert, liegt sein Börsenwert bei nur einem Sechstel des amerikanischen Konkurrenten.
Gute Einstiegschancen sehen Analysten dennoch beim populären Gold- und Platinförderer Sibanye, der nach dem US-Palladiumproduzenten Stillwater nun auch noch den fast bankrotten Platinproduzenten Lonmin übernommen hat, den drittgrößten Förderer weltweit, aber vom Markt wegen der hohen Ausgaben dafür erst einmal zurückgestuft wurde.
ANC zum Wandel bereit?
Allerdings mischen sich in den Freudentaumel über Ramaphosa auch erste kritische Stimmen. Einige Beobachter zweifeln dabei vor allem die Durchsetzungsfähigkeit Ramaphosas in einer seit Jahren von Korruption und Inkompetenz geprägten Regierungspartei an. „Wir sollten nie vergessen, dass der ANC in der Vergangenheit alle Misstrauensanträge gegen Zuma selbst abgeschmettert und dadurch das Zuma-Regime jahrelang an der Macht gehalten hat“, warnt der Investment-Analyst Chris Gilmour. Noch immer ungeklärt sei auch die Frage, ob der ANC mehrheitlich wirklich zum Wandel bereit sei. „Die Positionen des ANC zu Marktwirtschaft oder Eigentumsfragen sind so nebulös und widersprüchlich wie immer“, konstatiert Tim Cohen, Chefredakteur des „Business Day“.
In fast jeder Hinsicht ist Südafrikas Wirtschaft heute schlechter dran als zu Zumas Machtantritt vor fast zehn Jahren. Der Vertrauensverlust der Anleger gründet dabei vor allem auf der inzwischen tief im gesellschaftlichen Gefüge verankerten Korruption. Insbesondere eine mit dem Ex-Präsidenten eng befreundete indische Unternehmerfamilie, die Guptas, steht im Verdacht, weite Teile des Staates, insbesondere die großen Staatsfirmen, wie den Strommonopolisten Eskom oder den Transportriesen Transnet, aus dem Hintergrund kontrolliert zu haben. Sie sollen beispielsweise die Ernennung von Ministern persönlich verfügt haben. Und das gerade auch im Finanzministerium, dem einstigen Stabilitätsgaranten des Landes.
Großes Chaos geerbt
Kein Präsident seit Mandela habe vor so vielen Herausforderungen gestanden wie Ramaphosa, sagt auch Ben Payton von der Risikoberatung Verisk Maplecroft. Er habe von seinem Vorgänger ein furchtbares Chaos geerbt. Dass die Johannesburger Börse in den wirtschaftlich besonders schlimmen Jahren ab 2014 eher seitwärts tendiert hat und nicht abgestürzt ist, liegt vor allem daran, dass von den zehn kapitalstärksten Werten an der JSE nur noch drei ihre Hauptnotierung am Kap haben, darunter der Medienriese Naspers, der allein rund 15 Prozent des Gesamtmarktes ausmacht. Sein Problem ist, dass Wohl und Wehe des Konzerns fast ausschließlich an dem chinesischen Facebook-Pendant Tencent hängen, an dem Naspers zu 33 Prozent beteiligt ist. Sollte es in China zu einer stärkeren Regulierung der sozialen Medien kommen, wie immer wieder spekuliert wird, könnten Naspers und sein (jahrelang kräftig gestiegener) Aktienkurs die ersten Opfer sein.
Fast alle anderen kapitalstarken Werte an der JSE wie der Zigarettenhersteller BAT, der von der südafrikanischen Rupert-Familie kontrollierte Luxusgüterkonzern Richemont oder die Minenhäuser Glencore, BHP Billiton und Anglo American sind im Ausland hauptnotiert. Daneben ist das Handelsvolumen an der JSE dadurch stark beeinträchtigt worden, dass der am Kap beheimatete Brauereiriese SAB Miller vor 18 Monaten nach der Übernahme durch AB InBev von der Börse genommen wurde. Ein schwerer Rückschlag waren für die JSE zudem die Bilanzmanipulationen beim Möbelriesen Steinhoff, der vor seinem spektakulären Absturz im Dezember rund acht Prozent des JSE-Börsenwerts ausmachte. Zum Vergleich: Apple hat in den USA als größtes börsennotiertes Unternehmen einen Anteil von rund zwei Prozent am Gesamtmarkt.
„Fünf Unternehmen machen an der JSE rund ein Drittel des täglichen Handelsvolumen aus. Die anderen zählen fast nicht mehr”, klagt der langjährige Börsenkommentator David Shapiro von Sasfin Securities. Er fragt sich, wo in dem gegenwärtigen Umfeld das Wachstum herkommen soll. „Alles an der JSE wird kleiner und noch konzentrierter“, sagt er. Ein Spiegelbild der südafrikanischen Volkswirtschaft und ihres wahren Gesundheitszustands sei die JSE aber schon lange nicht mehr.
Wolfgang Drechsler, Kapstadt
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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