Neue Diagnose für Tuberkulose?
Forschungsergebnisse ermöglichen neue Methode
Von Katharina Moser, Windhoek
Tuberkulose gehört neben HIV und Malaria weltweit zu den am häufigsten auftretenden Infektionskrankheiten. Sie wird durch das Einatmen infektiöser Aerosole übertragen und betrifft vorrangig die Lunge. In den meisten Fällen gelingt es dem Körper, die Infektion durch eine Immunabwehr erfolgreich einzudämmen. Dann kommt es nur zu einer latenten Infektion, die nicht zu einem klinisch fassbaren Krankheitszustand führt und auch nicht ansteckend ist. Bei Immunschwäche und in anderen Fällen kann es jedoch zu einer aktiven Infektion kommen, die sich in einer schweren Entzündung der Lunge und anderer Organe zeigt. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation sind etwa 2 Milliarden Menschen, ein Viertel der Menschheit, mit dem Bazillus infiziert, ein Großteil latent. 10 Millionen Menschen infizieren sich jährlich, 1,5 Millionen Menschen fallen der Krankheit pro Jahr zum Opfer. Dabei kommen 95 Prozent aller Fälle in Entwicklungsländern vor, überproportional bei Menschen, die in großer Armut und von weniger als einem US-Dollar am Tag leben. In Südafrika ist es Todesgrund Nummer eins. Dennoch sind die Technologien zur Diagnose noch immer bei weitem nicht ideal, da es sich bei Tuberkulose um eine Krankheit mit nichtspezifischen Symptomen handelt. Gerade bei Kindern und HIV-Erkrankten wird die Infektion oft übersehen – es wird geschätzt, dass drei Millionen aktive Fälle momentan unentdeckt sind. Bestehende Tests haben entweder eine niedrige Sensitivitäts- oder Spezifitätsrate oder sind enorm zeit- und kostenaufwändig. Ein Sputumabstrich beispielsweise ist sehr insensitiv, das heißt, hat eine schlechte Positivitätsrate, dauert vier bis acht Wochen bis zur Diagnose und erfordert mindestens drei Untersuchungen des Patienten. Gerade in Entwicklungsländern, in denen diese Tests gebraucht werden, macht ein Mangel an Ressourcen, Technologien, Fachkräften und finanzieller Unterstützung dies oft unmöglich. Auch laut der Weltgesundheitsorganisation ist die Neuentwicklung eines schnellen, sputumfreien und kosteneffektiven Test unabdingbar.
Forschern aus Indien und Südafrika könnte die Entwicklung eines solchen Tests nun gelungen sein. Dem Forschungspapier zufolge, das in Advanced Science erschien, ist ihre neue Diagnosemethode non-invasiv, schnell und hoch akkurat. Die Technologie untersucht die Haut der Patienten und analysiert die flüchtigen organischen Komponenten, die in der Luftschicht unmittelbar auf der Haut enthalten sind. Abweichungen in den Konzentrationen dieser sogenannten VOCs soll eine Infektion mit Tuberkulose oder ein hohes Infektionsrisiko anzeigen. Die Wissenschaftler berufen sich auf Studien, die sie an Probanden in Kapstadt, Südafrika, und Neu-Delhi, Indien, durchgeführt haben. Die neue Technologie beruht auf Gaschromatografie und Nanosensoren, die die Haut und die Luft über ihr analysieren. Es wird ein Pflaster, bestehend aus dem Polymer Poly (2,6-Dipheylphylenoxid), verwendet.
Die Testanalysen ergaben, dass sich die VOC-Profile nachweislich Erkrankter von denen gesunder Probanden unterscheiden. Denn während der Krankheitsentwicklung durchlaufen die Zellen strukturelle und metabolische Veränderungen, die sich auf die Komposition der VOCs auswirken. So liegt zum Beispiel bei Infizierten eine erhöhte Konzentration des Karbohydrats Toluol vor. Auch die Konzentrationen von Essigsäure und 2-Ethyl-1-Hexanol sind leicht erhöht. Besonders Toluol ist signifikant in dieser Hinsicht: Es liegt beispielsweise bei industrieller Verschmutzung verstärkt in der Luftschicht vor. Da die Probanden jedoch aus derselben geographischen Region mit einem einheitlichen Luftverschmutzungsgrad stammen, kann dies nicht als Erklärung dienen. Es ist jedoch bekannt, dass der Tuberkelbazillus (mycobacterium tuberculosis) Toluol abbaut. Im menschlichen Körper wird es wiederum von dem Isoenzym Cytochrom P450 in der Leber abgebaut, die Abbaurate hängt von der geographischen Lage ab. Toluol wird sowohl über die Haut als auch über den Atem abgegeben. Die erhöhten Toluol-Konzentrationen bei Tuberkulose-Erkrankten zeigen, dass dieser Stoff eine wichtige Rolle sowohl für den Metabolismus der Bakterien als auch für das menschliche Immunsystem spielt. Bereits zuvor hatte man untersucht, inwiefern er womöglich eine inhibitorische Wirkung auf die Produktion bestimmter Stoffe in Blutzellen hat, konkret Interferon-Gamma, Interleukin-4 und Interleukin-13. Diese sind wichtig, um die Autophagozytose in menschlichen Zellen voranzutreiben, bei der diese ihre Abfallprodukte abbauen und verwerten.
In einem weiteren Schritt entwickelten die Forscher Nanomaterial-basierte Sensoren, die nicht selektiv nach einem bestimmten Biomarker suchen, sondern ein Gesamtbild der VOCs aufzeichnen. Die Sensoren erreichten hohe Raten der Spezifizität (85,7 %), der Sensitivität (90,4 %) und der Genauigkeit (87,4 %). Besonders ist außerdem, dass der Test zwischen aktiv an Tuberkulose Erkrankten und nur latent Infizierten, die keine Symptome haben, unterscheiden kann. Auch eine Cross-Reaktion mit der Diagnose von HIV, das Tuberkulose sehr ähnlich ist, lässt sich durch die sehr spezifische VOC-Analyse ausschließen. Der Test ist auch ohne die Verwendung eines absorbierenden Materials, allein mit einem elektronischen Gerät auf der Haut, möglich.
Auf der einen Seite gab es bereits vor diesen Erkenntnissen einen Tuberkulose-Hauttest. Dabei wird dem Patienten eine Flüssigkeit, bestehend aus Tuberkulin, in den Arm unter die Haut injiziert. Kommt es nach zwei bis drei Tagen zu einer Schwellung, deutet dies auf eine Infektion hin. Es müssen dann aber weitere Tests gemacht werden, um herauszufinden, ob es sich um eine latente oder aktive Erkrankung handelt. Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeit könnten also eine Kehrtwende in der Diagnose und Prävention von Tuberkulose bedeuten. Zwar hatte man bisher Tuberkulose-spezifische VOCs bereits in der Luftschicht oberhalb von Tuberkulosezellen, im Atem und im Urin festgestellt. Doch dies ist das erste Mal, dass auch die Luftschicht oberhalb der Haut Aufschlüsse über den Infektionsstatus des Menschen geben kann. Auch viele der VOCs selbst wurden zum ersten Mal aufgezeichnet. Die Verwendung von Nanosensoren erlaubt in Zukunft die Verwendung von maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz. Das tragbare elektronische Analysegerät zeigt, dass für die Tests keine komplexe Laborausstattung und keine vielfachen Patientenbesuche nötig sind. Nur die Kostenfrage bleibt in der Studie unbeantwortet – inwieweit die neue Technologie also in Zukunft die Tuberkulose-Diagnose in Entwicklungsländern reformieren wird, ist noch offen.
Tuberkulose gehört neben HIV und Malaria weltweit zu den am häufigsten auftretenden Infektionskrankheiten. Sie wird durch das Einatmen infektiöser Aerosole übertragen und betrifft vorrangig die Lunge. In den meisten Fällen gelingt es dem Körper, die Infektion durch eine Immunabwehr erfolgreich einzudämmen. Dann kommt es nur zu einer latenten Infektion, die nicht zu einem klinisch fassbaren Krankheitszustand führt und auch nicht ansteckend ist. Bei Immunschwäche und in anderen Fällen kann es jedoch zu einer aktiven Infektion kommen, die sich in einer schweren Entzündung der Lunge und anderer Organe zeigt. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation sind etwa 2 Milliarden Menschen, ein Viertel der Menschheit, mit dem Bazillus infiziert, ein Großteil latent. 10 Millionen Menschen infizieren sich jährlich, 1,5 Millionen Menschen fallen der Krankheit pro Jahr zum Opfer. Dabei kommen 95 Prozent aller Fälle in Entwicklungsländern vor, überproportional bei Menschen, die in großer Armut und von weniger als einem US-Dollar am Tag leben. In Südafrika ist es Todesgrund Nummer eins. Dennoch sind die Technologien zur Diagnose noch immer bei weitem nicht ideal, da es sich bei Tuberkulose um eine Krankheit mit nichtspezifischen Symptomen handelt. Gerade bei Kindern und HIV-Erkrankten wird die Infektion oft übersehen – es wird geschätzt, dass drei Millionen aktive Fälle momentan unentdeckt sind. Bestehende Tests haben entweder eine niedrige Sensitivitäts- oder Spezifitätsrate oder sind enorm zeit- und kostenaufwändig. Ein Sputumabstrich beispielsweise ist sehr insensitiv, das heißt, hat eine schlechte Positivitätsrate, dauert vier bis acht Wochen bis zur Diagnose und erfordert mindestens drei Untersuchungen des Patienten. Gerade in Entwicklungsländern, in denen diese Tests gebraucht werden, macht ein Mangel an Ressourcen, Technologien, Fachkräften und finanzieller Unterstützung dies oft unmöglich. Auch laut der Weltgesundheitsorganisation ist die Neuentwicklung eines schnellen, sputumfreien und kosteneffektiven Test unabdingbar.
Forschern aus Indien und Südafrika könnte die Entwicklung eines solchen Tests nun gelungen sein. Dem Forschungspapier zufolge, das in Advanced Science erschien, ist ihre neue Diagnosemethode non-invasiv, schnell und hoch akkurat. Die Technologie untersucht die Haut der Patienten und analysiert die flüchtigen organischen Komponenten, die in der Luftschicht unmittelbar auf der Haut enthalten sind. Abweichungen in den Konzentrationen dieser sogenannten VOCs soll eine Infektion mit Tuberkulose oder ein hohes Infektionsrisiko anzeigen. Die Wissenschaftler berufen sich auf Studien, die sie an Probanden in Kapstadt, Südafrika, und Neu-Delhi, Indien, durchgeführt haben. Die neue Technologie beruht auf Gaschromatografie und Nanosensoren, die die Haut und die Luft über ihr analysieren. Es wird ein Pflaster, bestehend aus dem Polymer Poly (2,6-Dipheylphylenoxid), verwendet.
Die Testanalysen ergaben, dass sich die VOC-Profile nachweislich Erkrankter von denen gesunder Probanden unterscheiden. Denn während der Krankheitsentwicklung durchlaufen die Zellen strukturelle und metabolische Veränderungen, die sich auf die Komposition der VOCs auswirken. So liegt zum Beispiel bei Infizierten eine erhöhte Konzentration des Karbohydrats Toluol vor. Auch die Konzentrationen von Essigsäure und 2-Ethyl-1-Hexanol sind leicht erhöht. Besonders Toluol ist signifikant in dieser Hinsicht: Es liegt beispielsweise bei industrieller Verschmutzung verstärkt in der Luftschicht vor. Da die Probanden jedoch aus derselben geographischen Region mit einem einheitlichen Luftverschmutzungsgrad stammen, kann dies nicht als Erklärung dienen. Es ist jedoch bekannt, dass der Tuberkelbazillus (mycobacterium tuberculosis) Toluol abbaut. Im menschlichen Körper wird es wiederum von dem Isoenzym Cytochrom P450 in der Leber abgebaut, die Abbaurate hängt von der geographischen Lage ab. Toluol wird sowohl über die Haut als auch über den Atem abgegeben. Die erhöhten Toluol-Konzentrationen bei Tuberkulose-Erkrankten zeigen, dass dieser Stoff eine wichtige Rolle sowohl für den Metabolismus der Bakterien als auch für das menschliche Immunsystem spielt. Bereits zuvor hatte man untersucht, inwiefern er womöglich eine inhibitorische Wirkung auf die Produktion bestimmter Stoffe in Blutzellen hat, konkret Interferon-Gamma, Interleukin-4 und Interleukin-13. Diese sind wichtig, um die Autophagozytose in menschlichen Zellen voranzutreiben, bei der diese ihre Abfallprodukte abbauen und verwerten.
In einem weiteren Schritt entwickelten die Forscher Nanomaterial-basierte Sensoren, die nicht selektiv nach einem bestimmten Biomarker suchen, sondern ein Gesamtbild der VOCs aufzeichnen. Die Sensoren erreichten hohe Raten der Spezifizität (85,7 %), der Sensitivität (90,4 %) und der Genauigkeit (87,4 %). Besonders ist außerdem, dass der Test zwischen aktiv an Tuberkulose Erkrankten und nur latent Infizierten, die keine Symptome haben, unterscheiden kann. Auch eine Cross-Reaktion mit der Diagnose von HIV, das Tuberkulose sehr ähnlich ist, lässt sich durch die sehr spezifische VOC-Analyse ausschließen. Der Test ist auch ohne die Verwendung eines absorbierenden Materials, allein mit einem elektronischen Gerät auf der Haut, möglich.
Auf der einen Seite gab es bereits vor diesen Erkenntnissen einen Tuberkulose-Hauttest. Dabei wird dem Patienten eine Flüssigkeit, bestehend aus Tuberkulin, in den Arm unter die Haut injiziert. Kommt es nach zwei bis drei Tagen zu einer Schwellung, deutet dies auf eine Infektion hin. Es müssen dann aber weitere Tests gemacht werden, um herauszufinden, ob es sich um eine latente oder aktive Erkrankung handelt. Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeit könnten also eine Kehrtwende in der Diagnose und Prävention von Tuberkulose bedeuten. Zwar hatte man bisher Tuberkulose-spezifische VOCs bereits in der Luftschicht oberhalb von Tuberkulosezellen, im Atem und im Urin festgestellt. Doch dies ist das erste Mal, dass auch die Luftschicht oberhalb der Haut Aufschlüsse über den Infektionsstatus des Menschen geben kann. Auch viele der VOCs selbst wurden zum ersten Mal aufgezeichnet. Die Verwendung von Nanosensoren erlaubt in Zukunft die Verwendung von maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz. Das tragbare elektronische Analysegerät zeigt, dass für die Tests keine komplexe Laborausstattung und keine vielfachen Patientenbesuche nötig sind. Nur die Kostenfrage bleibt in der Studie unbeantwortet – inwieweit die neue Technologie also in Zukunft die Tuberkulose-Diagnose in Entwicklungsländern reformieren wird, ist noch offen.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
Zu diesem Artikel wurden keine Kommentare hinterlassen