Namibias erste Satire-Webseite

Von Robert Hofmann, Windhoek

Lina Shiyagaya will nicht viel über sich verraten. Sie schätzt ihre Privatsphäre und will eigentlich auch keine Publicity. Aber sie will die Medienlandschaft Namibias verändern. Und, wenn es geht, dann will sie damit auch Geld verdienen. Ihre Webseite Gopolitica tritt an, das erste Satire-Medium Namibias zu werden.

Am 19. März geht die Seite online. Dann sollen darauf dreimal die Woche neue Inhalte veröffentlicht werden. „Ich wollte keinen Blog machen“, sagt Shiyagaya. „Nichts gegen namibische Blogger, aber die wenigsten schaffen es, regelmäßig hochwertige Inhalte zu publizieren“, sagt sie. „Außerdem will ich nicht nur meine eigenen Texte veröffentlichen. Ich will ein Gemeinschaftsprojekt schaffen.“

Lina Shiyagaya will sich bei Gopolitica an der Daily Show unter Jon Stewart orientieren. Die Show läuft viermal wöchentlich im US-amerikanischen Fernsehen. Mittlerweile hat der Südafrikaner Trevor Noah die Moderation übernommen, aber der Ton ist gleich geblieben - bis auf die Tatsache, dass Noah als Schwarzer oft näher und authentischer über rassistische Erfahrungen berichten kann als der weiße Stewart. Dennoch ist die Show nach wie vor durchzogen von einem linken Humanismus und einem gewitzten, immer wieder aber auch die Grenze zur Albernheit touchierenden Humor.

Die namibische Puppenspielerin

Sie selbst will aber nicht vor die Kamera. Überhaupt will sie nicht allzu prominent in Erscheinung treten. Sie will „der Puppenspieler im Hintergrund“ bleiben, wie sie es nennt.

Eher links soll auch die politische Richtung von Gopolitica sein. „Ganz ehrlich, ich wüsste nicht, welchen Sinn es haben würde, eine rechte Satire-Seite zu betreiben“, sagt sie. Und da ist natürlich etwas dran - Satire muss schmerzen, und zwar nicht die Armen und Marginalisierten, sondern die Mächtigen und Reichen. Schließlich besitzen diese Ressourcen, um sich anderweitig Gehör zu verschaffen.

Das kann Probleme geben. Wer die falschen - oder richtigen - Menschen gegen sich aufbringt, kann schnell Probleme bekommen. „Wir bieten unseren Autoren an, unter Pseudonym zu schreiben“, sagt Shiyagaya. „Dabei geht es darum, dass Leute schreiben können sollen, ohne Angst zu haben, dafür verurteilt zu werden. Sie sollen praktisch auf ein Blatt Papier kotzen, damit Leser unsere Inhalte wirklich spannend finden können.“

Für freie Medien

Kostenlos soll Gopolitica sein, werbefrei und unabhängig. „Es sei denn, ich bekomme viele Anfragen von potenziellen Werbepartnern. Dann überlege ich mir das.“ Und das mit der Unabhängigkeit? „Das ist generell ein Problem in Namibia. Die Medien sind nicht völlig frei. Und kreative Arbeit wird nicht genügend unterstützt“, sagt Shiyagaya.

Auf der Rangliste für Pressefreiheit stand Namibia 2017 auf dem 24. Platz, 2016 war es noch der 17. Trotzdem führt Namibia die afrikanischen Länder an - und bekommt insgesamt noch eine „Zufriedenstellende Situation“ ausgewiesen.

„Satire ist aber etwas anderes. Wir brauchen einen anderen Ansatz. Menschen, die kreativer über Politik nachdenken. Es geht nicht nur darum, dass Satire nur lustig und unterhaltsam ist - sie kann auch interessant sein“, erklärt Shiyagaya.

Hoher Eigenanspruch

Sie selbst ist 24 und studiert Business Information Technology in Windhoek. Journalistische Vorkenntnisse hat sie keine, aber dennoch den Anspruch, journalistische Standards einzuhalten. „Mein Vater weiß alles. Mit seiner Hilfe werde ich die Beiträge aller meiner Autoren überprüfen und die Fakten checken“, sagt sie. „Wenn ein Autor mir einen Text schickt, der meinen Ansprüchen nicht genügt, habe ich kein Problem damit, ihm das zu sagen. Bloß weil wir Satire machen, heißt das nicht, dass wir nicht eine gewisse Qualität erreichen müssen“, sagt Shiyagaya.

Sie arbeitet parallel an einer zweiten Webseite. Ihr Ziel ist es, das Satire-Projekt über mehrere andere Geschäftsmodelle und Webseiten zu finanzieren. Ihr Unternehmen „Projectus Online Media“ arbeitet derzeit an einer Plattform für Unternehmen, vor allem Event-Manager, die sich darauf präsentieren können. Zahlende Abonnenten sollen Geld einbringen. Shiyagaya deutet an, dass die Arbeit der Autoren von Gopolitica eines Tages bezahlt werden könnte. „Aber ganz ehrlich. Vielleicht ja, vielleicht nein. Ich bin pleite. Ich sage den Leuten zurzeit, dass ich nichts zahle.“

Sie selbst will sich vor allem einem Thema widmen: Die psychische Gesundheit. „Ich selbst habe schon viel erlebt. Ich habe dunkle Stunden hinter mir. Mittlerweile ist es besser geworden, aber ich kenne mich aus - und viele meiner Freunde ebenso.“ Schreiben will sie auch gar nicht unbedingt. Sie ist Chefredakteurin und Herausgeberin. Sie macht den Redaktionsplan, gibt Aufträge und hält das Projekt zusammen.

Sie will Veränderung

Politisch tritt Shiyagaya mit einer größeren Agenda an. „Die Gesundheitsversorgung. Es kann doch nicht sein, dass eine anständige Versorgung für all die unbezahlbar bleibt, die nicht super reich sind. Sogar ich - und ich komme aus der Mittelschicht - kann mir häufig keine anständige Behandlung leisten“, schimpft Shiyagaya. „Und im ländlichen Raum liegt die gesamte Gesundheitsversorgung in Trümmern. Aber die Situation ist nichts aussichtslos. Wir müssen nur sehr viel mehr tun.“

Bevor sich Gopolitica aber in die Kommentierung des politischen Alltags in Namibia stürzt, will Shiyagaya erst einmal eine Art Rückblick für die Leser anbieten. Sie sollen eine kurze Zusammenfassung von dem erhalten, was dieses Jahr bereits geschehen ist, um dann besser verstehen zu können, was das Satire-Projekt am Tagesgeschehen kommentiert.

Der Bewerbungsprozess für Gopolitica enthält deswegen auch die Forderung Shiyagayas nach einem Kommentar oder Essay. Autoren, die Lust haben mitzumachen, müssen eine Arbeitsprobe schicken, um mitarbeiten zu dürfen. Für ein unbezahltes Projekt spricht das für viel Selbstvertrauen.

Mit Ehrgeiz an die Arbeit

Warum aber gibt es bislang kein Satiremedium in Namibia? „Das weiß ich nicht“, sagt Shiyagaya. „Aber vielleicht liegt es daran, dass Namibia generell noch eine sehr junge Demokratie ist. Früher war einfach weniger los. Und das, was los war, hat die Leute weniger interessiert. Außerdem gibt es jetzt Twitter, das ist wirklich ein großes Ding geworden.“



Shiyagaya hat sich die Website von einer Freundin bauen lassen. Sie selbst lernt erst in diesem Jahr die Kunst des Programmierens. „Ich werde Gopolitica neben dem Studium aufziehen, es wird mein Hobby sein“, sagt sie. „Aber wer weiß - wenn es gut läuft, kann ich daraus auch eine Karriere machen.“

Bislang haben drei Menschen zugesagt, regelmäßig Inhalte zu liefern. Es fehlen fünf, denn angepeilt hat Shiyagaya acht Mitarbeiter und einen Animator. Vorerst muss sie deswegen selbst regelmäßig Texte beisteuern. Die Zeit ist knapp - in anderthalb Wochen soll das Projekt starten.