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Mit "Ambush Marketing" in eine neue Ära

Noch innerhalb diesen Jahres wird der Markt für Musik aus dem Ausland große Einbußen erleiden, denn dann will man hierzulande nur noch namibische Musik kaufen. Das behauptet John Walenga, und er weiß, dass das reichlich überspitzt ist. Aber vielleicht hat der ambitionierte Geschäftsmann gar nicht so unrecht: Seit er sich mit seinem neuen Plattenlabel "Omalaiti Music" in die kleine namibische Musikszene eingemischt hat, kann er schon zwei Bestseller vorweisen.

Von Irmgard Schreiber

Im Foyer seines Büros in Windhoek-West verabschiedet John Walenga gerade Gazza, einen der derzeit gefragtesten Musiker Namibias. Auf seinem Schreibtisch stapeln sich die Demo-CDs. Seit einigen Wochen rennen ihm Musiker die Bude ein, sagt Walenga. Nicht weil er Manager der Investment-Firma Zebra Holdings ist, sondern weil er kürzlich ein neues Plattenlabel gegründet hat.

Angefangen hat alles mit den vierten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr. Einen Monat vor Wahlbeginn hat Zebra Holdings das Album "Omalaiti O'Swapo" (die "Laities" oder Jungs der Swapo) herausgebracht. Ein Musikalbum, auf dem der scheidende Präsident Sam Nujoma die Jugend zum Wählen auffordert und der zukünftige Präsident Hifikepunye Pohamba in einem coolen Rapper-Sprechgesang seinen Senf dazugibt.

"`Omalaiti O'Swapo` war ein reines Business-Investment", sagt John Walenga. "Und da ich Swapo-Mitglied bin, war ich so egoistisch, es auch gleich als Wahlpropaganda zu nutzen." Pablo, The Dogg, Gazza und Elvo haben mitgemacht. Die jungen Kwaito- und Rap-Musiker sind derzeit die Stars am namibischen Musikhimmel, und da sie selbst Swapo-Symphathisanten sind, passte alles wunderbar zusammen. Vier Musiker und ein Produzent, vereint für die regierende Partei, mit zwei Zielen vor Augen: die Jugend zum Wählen zu animieren und Musik zu verkaufen.

Die Rechnung ging auf: "Omalaiti O'Swapo" dröhnte aus allen Jukeboxen, Kassetten und CDs verkauften sich wie warme Semmeln. Wie die Idee entstand? "Ich lebe unter der Jugend, ich mag was sie mag. Dazu gehört Clubbing und Musik", erzählt der in Oshitapo in der Nähe von Ondangwa gebürtige Mittdreißiger. "Ich habe gemerkt, dass es eine große Kluft zwischen den politischen Führern und den jungen Leuten gibt. Die Jugend hat sich nur an den allerersten freien Wahlen im unabhängigen Namibia beteiligt, danach kaum noch. Die wissen nichts von Kaspirs (d. Red.: minensicherer Truppentransporter), die Sprache der alten Freiheitskämpfer sagt ihnen nichts. Wenn man ihnen die Partei-Philosophie nahe bringen will, muss man in ihrer Sprache reden. Wie fängt man Fische? Man tut ihnen einen Köder an die Angel. Mein Köder für die Jugend war Musik."

Gazza und The Dogg hätten ihre Seelen verkauft, behaupten kritische Musikerkollegen in Windhoek. Wer für eine politische Partei singe, könne sich seine künstlerische Freiheit nicht bewahren. John Walenga sieht das ganz pragmatisch: "Bruce Springsteen hat auch für John Kerry gesungen. Das passiert überall in der Welt. Politische Affinität ist eine von vielen Methoden, mit denen man sich selbst vermarkten kann."

Geschadet hat das Propaganda-Gesinge den Karrieren der beteiligten Musiker jedenfalls nicht. Im Gegenteil: Seit "Omalaiti O'Swapo" ist die Nachfrage nach ihren Solo-Alben erheblich gestiegen. Und John Walenga kann sich vor Nachfragen kaum noch retten. Er habe etwas Gutes für die Swapo getan, soll ein Musiker kommentiert haben. Nun solle er auch etwas Gutes für das ganze Land tun, nämlich weiteren Künstlern unter die Arme greifen. Walenga dazu: "Ich mag es, wenn man mich herausfordert."

Keine drei Monate später: Omalaiti Music bringt zwei neue Alben auf den Markt. Ein Solo-Album von Pablo ("Alles Mumwe") und eines von Boetie & Janice ("Ndombolo Yasolo"). Letzteres ist laut Walenga das aktuelle Bestseller-Album überhaupt. Boetie & Janice haben mit ihrem Stilmix aus Kwassa-Kwassa, Kwaito und Ragga im November 2004 selbst lokale Größen wie The Dogg (Musiker des Jahres bei den Sanlam Namibia Music Awards 2004), Gazza, Jossy Joss und Pablo mit ihren Verkäufen übertroffen. Alle fünf hatten im November neue Alben veröffentlicht.

Namibias Kaufpotential ist zu klein, um mit Musik wirklich ein Geschäft zu machen, heißt es immer. Außerdem gibt es keine funktionierenden Vertriebswege, schon gar nicht zum Ausland. Die größeren Musikläden wie Musica sind südafrikanische Ketten, die keine einheimische Musik führen, weil ihr Kassensystem nur CDs mit einem Barcode erfassen kann. Und diesen kann man in Namibia nirgends erhalten. Kein Thema für John Walenga. Omalaiti Music beantragt Barcodes in Südafrika und will demnächst auch Vertriebswege im Nachbarland suchen.

Nun gibt es aber doch fast nur in Windhoek und Swakopmund überhaupt nennenswerte Musikläden. Für Omalaiti Music auch kein Hinderungsgrund. "Ich habe eine Überfalltaktik, ich mache ambush marketing", grinst John Walenga, und plötzlich klingt er wie ein Freiheitskämpfer im Buschkrieg. "Meine Jungs sind Tag und Nacht unterwegs und vertreiben die Musik auf den Straßen, in den Shebeens. Viele von diesen Bars machen mit dem CD-Verkauf mehr Geld als mit dem Alkohol. Die Songs spielen in den Jukeboxen, und wem sie gefallen, der kann gleich an der Bar die Kassette oder CD kaufen."

"Wir bewegen uns bald auf einer ganz anderen Ebene", sagt Walenga voller Überzeugung. Noch existiere keine Musikindustrie in Namibia - über das Wort "Industrie" könne er in diesem Zusammenhang nur schmunzeln. "Bei mir stehen jeden Tag Musiker auf der Matte, die wollen, dass ich ihr Manager werde. Sie haben gar keinen Begriff dafür, wie viele verschiedene Instanzen es in diesem Business gibt, und dass ich bis dato nicht mehr als eine Produktionsfirma habe."

Gute Ratschläge verteile er aber allemal. Und dazu gehört, dass Musiker sich organisieren und sich nicht unter dem Marktpreis verkaufen. So will Walenga einigen von ihnen, darunter Boetie & Janice, Killa B, Jossy Joss, Pablo, Gazza und The Dogg, geraten haben, eine Art Pakt zu unterschreiben. Eine Vereinbarung, die dafür sorgen soll, dass diese Musiker feste Gagen für Auftritte, Werbeaufträge und andere Dienstleistungen verlangen.

"Omalaiti O'Swapo" war eine einmalige Investition von Zebra Holdings, sagt John Walenga. Der ehemalige Präsident des Indigenous People's Business Council (IPBC), übrigens auch Mitglied des Zentralkommitees der Swapo Youth League, hat anschließend unabhängig von Zebra Holdings die Firma Omalaiti Productions gegründet. Unter deren Label sind nun die Alben von Pablo und Boetie & Janice erschienen. In zwei Monaten soll eine weitere Neuerscheinung auf den Markt kommen. "Dieses Projekt wird noch größer", verspricht Walenga, und läßt durchblicken, dass er an ein Sammelalbum namibischer Musiker denkt.

"Ich bin es müde, wenn jemand über den viel zu starken Einfluss amerikanischer oder südafrikanischer Musik klagt. Die Amerikaner verstehen es eben sehr gut, Entertainment zu verkaufen, ihre Kultur zu exportieren. Sie geben uns, was wir wollen", erklärt Walenga. "Aber wir können mit den gleichen Waffen kämpfen. Unsere Kultur ist es genauso wert, exportiert zu werden. Die Namibier fangen langsam an, das zu begreifen. Meine Vision ist: Lasst uns einen Frankie Fredericks auch in anderen Bereichen der Industrie schaffen!"

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2025-04-17

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