Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 8)

Ein Traum wird wahrDie Sommerferien beginnen. Endlich. Mein Blutbild ist immer noch nicht o.k. Ich muss einfach eine Pause haben. Eine Kollegin bietet mir und Heidi kurz vor Weihnachten an, uns mit dem Auto nach Südafrika mit zu nehmen. Kapstadt. Ein Traum wird wahr. Naiv wie wir sind, wollen wir uns um Übernachtungsmöglichkeiten erst nach unserer Ankunft kümmern. Nach 20 Stunden Autofahrt und 1700 km sind wir am Ziel. Der Blick auf die Bucht und den Tafelberg ist einfach überwältigend. Schnell wird uns klar, dass alle Hotels ausgebucht sind. Wir beschließen, in der deutschen Stadtmission um Rat zu fragen. Das Pastorenehepaar bietet uns ein kostenloses, riesiges Schlafzimmer mit sagenhaftem Blick auf den Tafelberg an. Unglaublich. Wir fühlen uns von Gott beschenkt. Und was möchte eine waschechte Österreicherin, wenn sie einen Berg sieht? – Hinauf. Und ich muss natürlich mit.Ich wäre ja am liebsten mit dem Sessellift den Berg hochgefahren. Allerdings ist die Schlange endlos und die Anstehzeit beträgt, wie auf Schildern angezeigt wird, vier Stunden. Heidi überzeugt mich, dass man in der Zeit locker den Berg zu Fuß rauf gestiefelt ist. Da mir Anstehen auch nicht besonders attraktiv erscheint, lasse ich mich überreden.Der Aufstieg ist anstrengend. Und die Hitze gnadenlos. Bei über 35 Grad einen 1400 m hohen, steilen Berg hochzugehen, ist eigentlich eher was für Bekloppte, wie ich finde. Heidi stiefelt tatsächlich ganz locker den Berg hoch. Die Hitze scheint ihr nichts auszumachen, während ich mir inzwischen in den Hintern beißen könnte, dass ich nicht das gemütliche Anstehen in der Schlange gewählt habe. Passt zu mir als alte Sauerländerin auch besser. Zu spät.Nach vier Stunden anstrengendem Wandern und Klettern sind wir oben. Endlich. Inzwischen ist es bereits dämmrig geworden. Die Aussicht auf Kapstadt ist einfach grandios. Der Mond ist rund und leuchtet in einem mystischen Licht. Dadurch ist die Atmosphäre noch atemberaubender. Alles scheint so unwirklich, irgendwie magisch. Ich habe nie zuvor etwas Schöneres gesehen.Allerdings hatte ich auch nie zuvor so einen Muskelkater. Er wird zwei Tage lang anhalten und mich wie einen Roboter laufenlassen. Ich schwöre mir, dass das der letzte Berg ist, den ich hochgelatscht bin.Nun gilt es aber erst einmal den Berg zu erkunden. Auf ihm befindet sich eine wunderschöne Fauna und Flora, in denen sich auch einige mir bisher unbekannte Tierchen tummeln.Klippschliefer, die mich an Biber erinnern, betteln um Essen. Heidi bleibt stur und gibt ihnen nichts von ihrem saftigen Apfel ab. Noch nicht mal ein ganz kleines Krümelchen. Das nehmen sie ihr sichtlich übel. Die angeblichen Verwandten der Elefanten machen ein beleidigtes Gesicht und essen aus Trotz die herumliegenden Zigarettenkippen. Das löst unter den umherstehenden Touristen eine Welle des Mitgefühls aus. Die verfressenen Biester haben es geschafft. Die Touristen rücken mit den herrlichsten Leckerbissen raus. Heidi wird mit verächtlichen Blicken gestraft. Und das nicht nur von den Klippschiefern. Irre ich mich oder sehe ich da auch Triumph in ihren Augen? Das ist der Moment wo ich mich nicht mehr darüber wundere, warum so viele Menschen an die Evolution glauben.Während des Urlaubes haben wir die Möglichkeit brütenden Pinguinen dabei zuzusehen, wie liebevoll sich ihre Partner um sie kümmern. Die Frackträger sind auch exzellente Schwimmer. Wir versuchen gegen sie anzutreten und schwimmen mit ihnen um die Wette. Die scheuen kleinen Tiere aber zeigen uns, wer der Herr über Wasser und Wellen ist. Wir sind es jedenfalls nicht.Wir genießen den Großstadtflair von Kapstadt, Shoppen und Schlemmen an der berühmten Waterfront und das Schwimmen im recht kühlen Atlantischen Ozean.Das erste Weihnachtsfest, das wir nicht in unserer Heimat verbringen, steht bevor. Ganz unerwartet ist es dann doch so richtig „deutsch” – mit Tannenbaum, Gottesdienst mit Krippenspiel, Adventskranz und Stollen. Der einzige Unterschied – wir haben, bei angenehmen Außentemperaturen, einen phantastischen Blick auf den ca. 200 Meter entfernten Tafelberg.Sylvester genießen wir die grandiose Aussicht auf das Meer und Kapstadt vom Löwenkopf aus, einem Bergmassiv neben dem Tafelberg. Mit einer besseren Aussicht kann man das neue Jahr sicherlich nicht willkommen heißen.Der Urlaub hat uns gut getan und wir kommen erholt und mit neuer Kraft im Januar 1997 wieder in Namibia an. Für gerade einmal 100 DM hat uns der Mainliner Bus sicher nach Namibia zurück gefahren.

Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 8)

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2025-06-09

Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar zu hinterlassen

Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 8)

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2025-06-09

Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar zu hinterlassen

ANMELDUNG