Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 12)
Autobiografie eines außergewöhnlichen Lebens in Namibia
Büroeröffnung
Nach acht Monaten gibt es den ersten echten Rückschlag im Projekt. Zwei meiner Family Visitors verlassen das Projekt. Linda, um zu heiraten und die andere Mitarbeiterin, um eine besser bezahlte Anstellung anzunehmen. Die gute Ausbildung von uns hat ihnen dabei geholfen. Das bedeutet, erneut wochenlang neue Mitarbeiter auszubilden. Das ist zwar sehr arbeitsintensiv, aber das mache ich ja wirklich gerne.
Ich bekomme nun auch mein eigenes Büro, das in Grysblok liegt, einem Wohnbereich, der nahe an Katutura angesiedelt ist. So haben die Menschen nicht so einen weiten Weg, wenn sie mich konsultieren wollen. Manche Menschen können sich noch nicht einmal die Taxikosten von einer DM leisten. Heidi bekommt einen eigenen Arbeitsraum im Jürgen-Wahn-Zentrum. Jürgen Wahn ist ein viel zu früh verstorbener junger Mann aus Deutschland. Seine Eltern haben zu seinem Andenken mehrere Projekte gestiftet. Das Behindertenheim ist eines davon. Seine Eltern, die ich ein paar Jahre später einmal besuchen werde, trauern noch immer um ihren geliebten Sohn, den sie mit einer „Gedenkstätte” in ihrem Garten ehren.
Im Juni 1997 wird mein Büro eröffnet. In Namibia geht sowas gar nicht ohne das nötige offizielle Drumbadorium. Solche Anlässe sind immer eine große Sache, zu der Funk und Fernsehen eingeladen werden. Ganz wichtig ist außerdem, eine bekannte Persönlichkeit für die Eröffnungsrede zu gewinnen. Ich kann den Ministerpräsidenten der Khomas Region, John Pandeni, dafür gewinnen, zu dem ich in den vergangenen Monaten bereits einen guten Draht aufbauen konnte. Jahre später werde ich einmal an seinem Grab stehen und mein Freund wird ein Lied für ihn schreiben. Er wird Minister sein und auf dem Heldenfriedhof begraben werden. Viel zu früh umgekommen bei einem Autounfall.
Der deutsche Botschafter lässt sich zu meiner Freude auch blicken, sowie ein Ratsherr, den ich mal vor Monaten auf einem Meeting kennengelernt habe. Er beschwert sich, dass ich seiner Einladung bisher nicht gefolgt bin, ihn in seinem Büro zu besuchen. Er wiederholt seine Bitte und ich merke, dass ich dieses Mal nicht um einen Besuch drum herum komme.
Als Projektmanagerin muss ich eine Rede halten. Auf englisch! Mein Englisch ist dermaßen schlecht, dass das nationale Fernsehen nur einen einzigen Satz davon ausstrahlen kann. Und darin befindet sich trotzdem noch ein Ausdrucksfehler. Die Gäste amüsieren sich sichtlich über meine fehlenden Sprachkenntnisse. Peinlich. Trotzdem ist es eine gelungene Eröffnung, und eine großartige Möglichkeit unsere Arbeit öffentlich vorzustellen und bekannt zu machen. Vor allem auch durch den Vier-Minuten-Bericht in den Nachrichten wird das Projekt im ganzen Land bekannt. Die Family Visitors erhalten zu meiner großen Überraschung jeder ein Fahrrad geschenkt in den Projektfarben gelb und weinrot. Allerdings in afrikanischer Qualität (ohne Klingel und Licht). Doch so löst sich nun zumindest ansatzweise unser Transportproblem.
Manchmal ist es schon ein eigenartiges Gefühl, plötzlich mit Botschaftern, Ministern und sogar dem Staatspräsidenten zu tun zu haben. Es ist gar nicht so einfach für mich, mich darauf einzustellen. Dann werden plötzlich Fragen wie „Was soll ich bloß anziehen?” Wie ist bloß die richtige Anrede?” oder „Worüber soll ich denn jetzt plaudern?”, wichtig. Ich fühle mich manchmal da etwas in „einer anderen Welt”, in der ich mich erst noch zurechtfinden muss. Auf der anderen Seite macht es meine Arbeit noch interessanter.
Freundschaften (Folge 1 )
Aber es gibt auch bodenständigere neue Aufgaben wie etwa das Anleiten von deutschen Sozialarbeit-Studenten. Immer mal wieder bekomme ich Anfragen von Studentinnen, die bei mir ein mehrwöchiges Praktikum machen wollen. Allerdings habe ich von ihnen meist keinen besonders guten Eindruck. Vielmehr habe ich das Gefühl, dass die meisten den Aufenthalt nur als billige Urlaubsmöglichkeit sehen. Von allen Praktikantinnen gefällt mir nur Signy aus Island. Sie hat ein Händchen für die behinderten Kinder und ist hochmotiviert. Sie fährt bei der Hitze sogar mit dem Fahrrad durch das Township. Ich besuche sie nach ihrer Rückkehr nach Island zehn Tage lang in ihrem Heimatland. Im Gegensatz zu Namibia ist es für mich dort auch im Sommer winterlich kalt und ich muss mir, für die Zeit meines Aufenthaltes, einen besonderen Schneeanzug ausleihen. Ich bin begeistert von der grünen Landschaft, den Vulkanen, heißes Wasser spuckenden Geysiren, Wasserfällen, Gletschern und heißen Quellen. Ich treffe auch die Frau des isländischen europäischen Botschafters wieder, die uns in ein Lokal einlädt, dessen Rechnung ich, Gott sei Dank, nicht begleichen muss. Ich hatte sie und ihren Mann einmal auf ganz kuriose Weise kennengelernt.
Ich war bei einem Kurzurlaub im Caprivizipfel unterwegs und saß mit den Beiden in einem kleinen Boot das uns auf eine kleine Insel bringen sollte auf der sich unsere Lodge befand. Als ich sie miteinander reden hörte, fühlte ich mich an Signy erinnert. „Entschuldigung. Kommen Sie vielleicht aus Island?”, spreche ich die Beiden an. „Ja”, antworten sie sichtlich überrascht. „Woher wissen Sie das denn?” Ich berichte ihnen von Signy. Da fangen beide an zu lachen und sagen: „Dann sind Sie Kerstin Biedenkap.” Nun schaue ich perplex aus der Wäsche. Die Frau holt eine Visitenkarte mit meinem Foto aus ihrer Geldbörse. Nun muss ich lachen. Signy hatte den beiden von mir erzählt. Was die alles von mir wissen. Unglaublich. In den nächsten Jahren bin ich öfters bei dem Ehepaar zum Essen eingeladen. Ich staune immer wieder, wie durch Zufallsbekanntschaften Freundschaften entstehen. Noch heute haben Signy und ich über das Internet Kontakt.
Nach acht Monaten gibt es den ersten echten Rückschlag im Projekt. Zwei meiner Family Visitors verlassen das Projekt. Linda, um zu heiraten und die andere Mitarbeiterin, um eine besser bezahlte Anstellung anzunehmen. Die gute Ausbildung von uns hat ihnen dabei geholfen. Das bedeutet, erneut wochenlang neue Mitarbeiter auszubilden. Das ist zwar sehr arbeitsintensiv, aber das mache ich ja wirklich gerne.
Ich bekomme nun auch mein eigenes Büro, das in Grysblok liegt, einem Wohnbereich, der nahe an Katutura angesiedelt ist. So haben die Menschen nicht so einen weiten Weg, wenn sie mich konsultieren wollen. Manche Menschen können sich noch nicht einmal die Taxikosten von einer DM leisten. Heidi bekommt einen eigenen Arbeitsraum im Jürgen-Wahn-Zentrum. Jürgen Wahn ist ein viel zu früh verstorbener junger Mann aus Deutschland. Seine Eltern haben zu seinem Andenken mehrere Projekte gestiftet. Das Behindertenheim ist eines davon. Seine Eltern, die ich ein paar Jahre später einmal besuchen werde, trauern noch immer um ihren geliebten Sohn, den sie mit einer „Gedenkstätte” in ihrem Garten ehren.
Im Juni 1997 wird mein Büro eröffnet. In Namibia geht sowas gar nicht ohne das nötige offizielle Drumbadorium. Solche Anlässe sind immer eine große Sache, zu der Funk und Fernsehen eingeladen werden. Ganz wichtig ist außerdem, eine bekannte Persönlichkeit für die Eröffnungsrede zu gewinnen. Ich kann den Ministerpräsidenten der Khomas Region, John Pandeni, dafür gewinnen, zu dem ich in den vergangenen Monaten bereits einen guten Draht aufbauen konnte. Jahre später werde ich einmal an seinem Grab stehen und mein Freund wird ein Lied für ihn schreiben. Er wird Minister sein und auf dem Heldenfriedhof begraben werden. Viel zu früh umgekommen bei einem Autounfall.
Der deutsche Botschafter lässt sich zu meiner Freude auch blicken, sowie ein Ratsherr, den ich mal vor Monaten auf einem Meeting kennengelernt habe. Er beschwert sich, dass ich seiner Einladung bisher nicht gefolgt bin, ihn in seinem Büro zu besuchen. Er wiederholt seine Bitte und ich merke, dass ich dieses Mal nicht um einen Besuch drum herum komme.
Als Projektmanagerin muss ich eine Rede halten. Auf englisch! Mein Englisch ist dermaßen schlecht, dass das nationale Fernsehen nur einen einzigen Satz davon ausstrahlen kann. Und darin befindet sich trotzdem noch ein Ausdrucksfehler. Die Gäste amüsieren sich sichtlich über meine fehlenden Sprachkenntnisse. Peinlich. Trotzdem ist es eine gelungene Eröffnung, und eine großartige Möglichkeit unsere Arbeit öffentlich vorzustellen und bekannt zu machen. Vor allem auch durch den Vier-Minuten-Bericht in den Nachrichten wird das Projekt im ganzen Land bekannt. Die Family Visitors erhalten zu meiner großen Überraschung jeder ein Fahrrad geschenkt in den Projektfarben gelb und weinrot. Allerdings in afrikanischer Qualität (ohne Klingel und Licht). Doch so löst sich nun zumindest ansatzweise unser Transportproblem.
Manchmal ist es schon ein eigenartiges Gefühl, plötzlich mit Botschaftern, Ministern und sogar dem Staatspräsidenten zu tun zu haben. Es ist gar nicht so einfach für mich, mich darauf einzustellen. Dann werden plötzlich Fragen wie „Was soll ich bloß anziehen?” Wie ist bloß die richtige Anrede?” oder „Worüber soll ich denn jetzt plaudern?”, wichtig. Ich fühle mich manchmal da etwas in „einer anderen Welt”, in der ich mich erst noch zurechtfinden muss. Auf der anderen Seite macht es meine Arbeit noch interessanter.
Freundschaften (Folge 1 )
Aber es gibt auch bodenständigere neue Aufgaben wie etwa das Anleiten von deutschen Sozialarbeit-Studenten. Immer mal wieder bekomme ich Anfragen von Studentinnen, die bei mir ein mehrwöchiges Praktikum machen wollen. Allerdings habe ich von ihnen meist keinen besonders guten Eindruck. Vielmehr habe ich das Gefühl, dass die meisten den Aufenthalt nur als billige Urlaubsmöglichkeit sehen. Von allen Praktikantinnen gefällt mir nur Signy aus Island. Sie hat ein Händchen für die behinderten Kinder und ist hochmotiviert. Sie fährt bei der Hitze sogar mit dem Fahrrad durch das Township. Ich besuche sie nach ihrer Rückkehr nach Island zehn Tage lang in ihrem Heimatland. Im Gegensatz zu Namibia ist es für mich dort auch im Sommer winterlich kalt und ich muss mir, für die Zeit meines Aufenthaltes, einen besonderen Schneeanzug ausleihen. Ich bin begeistert von der grünen Landschaft, den Vulkanen, heißes Wasser spuckenden Geysiren, Wasserfällen, Gletschern und heißen Quellen. Ich treffe auch die Frau des isländischen europäischen Botschafters wieder, die uns in ein Lokal einlädt, dessen Rechnung ich, Gott sei Dank, nicht begleichen muss. Ich hatte sie und ihren Mann einmal auf ganz kuriose Weise kennengelernt.
Ich war bei einem Kurzurlaub im Caprivizipfel unterwegs und saß mit den Beiden in einem kleinen Boot das uns auf eine kleine Insel bringen sollte auf der sich unsere Lodge befand. Als ich sie miteinander reden hörte, fühlte ich mich an Signy erinnert. „Entschuldigung. Kommen Sie vielleicht aus Island?”, spreche ich die Beiden an. „Ja”, antworten sie sichtlich überrascht. „Woher wissen Sie das denn?” Ich berichte ihnen von Signy. Da fangen beide an zu lachen und sagen: „Dann sind Sie Kerstin Biedenkap.” Nun schaue ich perplex aus der Wäsche. Die Frau holt eine Visitenkarte mit meinem Foto aus ihrer Geldbörse. Nun muss ich lachen. Signy hatte den beiden von mir erzählt. Was die alles von mir wissen. Unglaublich. In den nächsten Jahren bin ich öfters bei dem Ehepaar zum Essen eingeladen. Ich staune immer wieder, wie durch Zufallsbekanntschaften Freundschaften entstehen. Noch heute haben Signy und ich über das Internet Kontakt.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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