Infizierte Kudus krank oder immun
Schon in den 80er Jahren erforschte der zu jener Zeit als Staatsveterinär angestellte Dr. Rainer Hassel die Tollwut unter den Kudus, als die Krankheit von 1977 bis etwa 1986 unter den Antilopen wütete. Dr. Hassel stellte in der dieser Zeit fest, dass die Viren ohne Schwierigkeiten durch die intakten Schleimhäute im Maul eines Tieres in den Körper gelangten. „Der Speichel der Tiere war eine wahre Virenkonzentration. Wir infizierten gesunde Tiere mit Hilfe von Speichel eines erkrankten Kudus und innerhalb von drei bis vier Wochen erkrankten ein Teil der infizierten Antilopen und starben schließlich. Andere Tiere dagegen wurden immun“, sagte der Tierarzt am vergangenen Mittwoch während einer im kleinen Rahmen gehaltenen Informations- und Geberkonferenz. Schirmherrin des Kudutollwut-Projektes der Lebendviehproduzenten-Organisation (LPO) des namibischen Landwirtschaftsverbandes (NAU) ist die ehemalige Ministerin und Vize-Premierministerin Dr. Libertine Amathila, die inzwischen selbst Farmerin ist und tollwütige Kudus auf ihrer Farm hat.
Seit 2001 wütet die Tollwut wieder unter der Kudubevölkerung des Landes. Dr. Hassel zufolge verendeten bis Ende vergangenen Jahres 2473 Haus- und Nutztiere sowie 768 wilde Tiere an dieser Krankheit. „Bei diesen Zahlen handelt es sich nur um Tiere, die in einem Labor untersucht und Tollwut positiv nachgewiesen wurde. Die Zahl der an der Krankheit verendeten Tiere ist wahrscheinlich zehnmal so hoch“, sagte der Tierarzt. Es handelt sich dabei um 965 Rinder, 222 Ziegen, 71 Schafe, 1038 Hunde, 131 Katzen und 46 andere Haus- oder Nutztiere. Bei den wilden Tieren führen die Kudus mit 572 die Liste der positiv identifizierten Fälle an, gefolgt von 142 Schabrackenschakalen, 15 Elenantilopen, elf Löffelhunden, acht Honigdachsen und 20 verschiedenen anderen Arten. Wildtiere machten nur 23,7 Prozent der laborgeprüften Fälle aus. Wie hoch die eigentliche Zahl an vor allem Wildtieren ist, die der Krankheit zum Opfer fällt, ist nicht bekannt. „Wir schätzen, dass in den Jahren 1977 bis 1986 zwischen 30000 und 50000 Kudus an Tollwut verendet sind“, sagte Dr. Hassel.
Der Veterinär hatte in jener Zeit, bis Mai 1983, Forschungsarbeiten auf 143 Farmen, einem Gebiet von über einer Million Hektar, durchgeführt. „Wir schätzen, dass dort 25371 Kudus lebten, etwa ein Kudu pro Hektar. Wir haben 4735 Kadaver gefunden, etwa 15,7 Prozent des Bestandes, und 189 kranke Tiere beobachtet. Der Tollwut fielen etwa gleich viele männliche wie weibliche Tiere zum Opfer. Die Bestände erholten sich relativ schnell nach der Tollwut“, sagte Hassel.
Es sei nun wichtig, einen Impfstoff mit lebenden Viren zu entwickeln, der als Schluckimpfung den Kudus verabreicht werden und durch die Schleimhäute im Maul in den Körper dringen kann. „Wir müssen darauf achten, dass wir mit dem Impfstoff keine anderen Tiere möglicherweise infizieren. Zudem muss herausgefunden werden, warum die Kudus derart anfällig sind. Wir vermuten, dass das Immunsystem der Kudus möglicherweise durch Pestiviren geschwächt sein kann“, erklärte der Tierarzt. Obwohl verschiedene Farmer bereits Kudus geimpft haben, meist mit Hilfe von abgeschossenen Spritzen, ist nicht bekannt, wie gut die Impfung ankommt und wie lange sie wirkt. Zudem sei es unmöglich, die geimpften Tiere zu markieren und später Proben zu entnehmen.
„Das Phänomen muss schnellstens untersucht und mögliche Kontrollmechanismen entwickelt werden. Wir brauchen ein Fachwissen, welches uns erlaubt, Methoden und Mittel zu entwickeln, damit jeder Farmer die Kontrollen sprich Impfungen durchführen kann. Leider ist es so, dass Forschung, wie in diesem Falle Tollwutforschung, die nötigen Mittel nicht zur Verfügung gestellt werden und wenig Interesse bei Gebern besteht“, sagte Dr. Amathila. Die Unterstützung sei jedoch wichtig, da es um den Erhalt eines nationalen Erbes gehe.
Leider waren zahlreiche geladene Gäste zu der kleinen Informations- und Geberkonferenz am Mittwoch nicht erschienen oder hatten sich entschuldigt. Der Staatssekretär des Ministeriums für Umwelt und Tourismus hatte schriftlich mitgeteilt, dass die Fazilitäten im Waterberg-Plateaupark für Forschungszwecke genutzt werden können, sobald diese frei geworden sind. Im Augenblick werden dort noch Tiere untergebracht, die Namibia der Regierung von Kuba geschenkt hat. In früheren Jahren hatte Dr. Hassel Versuche im Daan-Viljoen-Park bei Windhoek durchgeführt. In keinem anderen Land wütet die Tollwut unter Kudus wie in Namibia. Dies ist einzigartig hierzulande und bisher noch nicht zu erklären.
Von Dirk Heinrich, Windhoek
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Allgemeine Zeitung
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