Hoffnung auf vier Rollen

Praktikant WAZon
Von Ina Briest, Windhoek


Die Sonne geht bald unter, der Vorplatz der Schule für hörbehinderte Kinder in Windhoek ist in warmes Licht getaucht. Die Kinder und Jugendlichen sind mit Sturzhelm und Knieschonern ausgestattet. Manche von ihnen tragen stilecht Skateschuhe. Eines der kleinen Mädchen aber lernt das Fahren auf dem Rollbrett in Rock und Schläppchen. Trainer Hendrik Benien, in kurzen Hosen und langen Strümpfen, hält die Kinder vorsichtig an der Hand und sieht zu, dass sie nicht vom Brett fallen.


Er hat die Workshops organisiert und den Grundstein für ein großes Projekt in Namibia gelegt. „Vor allem hat mich die Motivation der Kids beeindruckt, die schon vor dem Frühstück mit voller Schutzausrüstung ausgestattet an meine Tür klopften und Skateboard fahren wollten. Aber auch die Küchenhilfe oder die Polizeibeamte wollten dieses komische Brett mit vier Rollen unbedingt mal ausprobieren“, berichtet Benien.


Hoffnung ins Rollen bringen


Die Initiative, mit der Benien nach Namibia gekommen ist, heißt skate-aid. Der deutsche Skate-Pionier und Unternehmer Titus Dittmann hat sie 2009 gegründet. Dort, wo das Leben der Kinder von Armut, Gewalt oder Terror geprägt ist, will er Hoffnung ins Rollen bringen. „Das Skateboard bietet den Kindern nicht nur Abwechslung und Freude im oft durch Terror geprägten Alltag“, betont der ehemalige Studienrat, „es unterstützt sie auch bei ihrer Entwicklung, bietet Orientierungshilfe und überwindet Grenzen, unabhängig von Herkunft, sozialem Status und Geschlecht“.


Bislang lag der Schwerpunkt ihrer Arbeit auf Ost- und Südafrika. Die Idee, in Namibias Hauptstadt aktiv zu werden, kam über eine Kooperationsabfrage. Der Lehrer Kai Nolting von der Münsterlandschule in Münster, einer Schule mit dem Förderschwerpunkt Hören, nahm Kontakt auf und fragte, ob sich skate-aid am deutsch-namibischen Schüleraustausch beteiligen wolle. Die Anfrage kam kurzfristig, aber die Skater waren sofort vom Sinn des Projektes überzeugt. Sie konnten schnell Spender finden und die Idee mit einem Skateboard-Trainer und Material unterstützen.


„Wir haben bereits mehrere Projekte mit hörgeschädigten Jugendlichen in Deutschland gemacht. Es war logische Konsequenz, unsere Erfahrungen auch auf Projekte im Ausland zu übertragen. Da kam die Idee des Schüleraustauschs genau zum richtigen Zeitpunkt“, erzählt Torben Oberhellmann, Vorsitzender der Titus Dittmann Foundation und Projektmanager für Afrika.


Zwei Tonnen Skateboards


Nach dem ersten Besuch wird klar, wie viel es für das Team in Namibia zu tun gibt: „Aktuell stehen wir noch ganz am Anfang. Den ersten Kontakt zu Politik und lokalen Skateboardern in Windhoek haben wir aufgenommen. Nun besteht der nächste Schritt darin, einen Projektpartner zu finden, der innerhalb der Jugendhilfe und Entwicklungszusammenarbeit aktiv ist“, erklärt Oberhellmann.


Auch Stiftungsgründer Dittmann widmet sich mit mittlerweile in Vollzeit seiner Organisation. Schon als er 2008 das erste Mal vom Engagement eines australischen Skaters in Kabul hört, ist er fasziniert und startet eine Spendensammelaktion in rund 40 seiner Läden. Zwei Tonnen Skateboards und rund 15000 Euro kommen zusammen. Dittmann holt die Lieferung aus dem Zoll in Kabul und geht zum Skateboard-Training in die Waisenhäuser der afghanischen Hauptstadt.


Im Frühjahr 2009 lernt Dittmann Rupert Neudeck, den Gründer der Hilfsorganisationen Cap Anamur und Grünhelme, kennen. Dieser hat zu dem Zeitpunkt schon 32 Schulen in Afghanistan aufgebaut. „Beim ersten Treffen war uns klar, dass wir gemeinsam etwas bewegen wollen. Kurz darauf saßen wir im Flieger Richtung Afghanistan, um die Lage für Skateboard-Einrichtungen vor Ort zu checken“, so Dittmann.


Ende 2009 gründet er dann seine Stiftung als Dachorganisation für die skate-aid-Projekte. „In knapp zwei Monaten und für rund 15000 Euro Spendengelder entstand im Jahr 2010 der erste Skatepark Afghanistans an einer Schule in Karokh, in der westafghanischen Provinz Herat. Ein Kooperationsprojekt mit Rupert Neudecks Initiative Grünhelme e.V. und mit aktiver Beteiligung der Dorfbevölkerung.“


Unglaubliches Talent


Oberhellmann erklärt die Vorgehensweise: „Wir versuchen, die Projekte immer in Kooperation mit lokalen Organisationen durchzuführen. So können wir die verschiedenen Kompetenzen bündeln, Synergien schaffen und gemeinsam ein pädagogisches Rahmenkonzept entwickeln.“ Im besten Fall kann der Projektpartner auch das passende Gelände zur Verfügung stellen und skate-aid kann auf bestehende Infrastruktur aufbauen.


Um einen richtigen Skatepark zu bauen und die Trainings zu finanzieren, macht das Team von skate-aid zunächst eine Kostenkalkulation, um dann gezielt Gelder zu beschaffen. „Wir hoffen auf Förderungen von öffentlicher Seite wie der Botschaft, aber der Großteil wird wohl über von Firmen- und Privatspendern kommen. Sobald dann die Finanzierung steht, kann der Bau des Skateboardparks recht schnell beginnen.“


Besondere Aktionen, um namibische Jugendliche für den Sport zu begeistern, braucht es laut Torben Oberhellmann nicht. „Wenn ich auf unsere anderen Projekte blicke, wie zum Beispiel unser jüngstes Projekt in Palästina, sind große Werbeaktionen überhaupt nicht notwendig. Sobald die Kids von dem Skatepark hören, ist der Ansturm vorprogrammiert“, sagt er. Es sei immer wieder unglaublich zu sehen, welches Talent die neuen Skateboarder mitbringen. „Ich bin überzeugt, dass wir schon bald junge Afrikaner an der Weltspitze sehen werden – vielleicht auch aus Namibia.“


Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-05-04

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