Herrlich, dieses Hundeleben
Von Der Spiegel
Svanvik
Der Fahrtwind schlägt mir eisig ins Gesicht, meine Haarsträhnen sind gefroren. 32 Pfoten eilen durch den Schnee: Acht starke Alaskan Huskys ziehen meinen Schlitten. Wir erreichen einen zugefrorenen Fluss. „Stoo" , rufe ich laut, trete mit beiden Füßen auf die Eisenbremse. Dampfend steigt der Atem der Hunde über dem ruhenden Gespann auf.
Vor gut sechs Monaten bin ich hier in Norwegen angekommen, nördlich des Polarkreises, wo die Sonne an manchen Tagen im Winter nicht aufgeht. In Svanvik besuche ich die Pasvik Folkehøgskole - was direkt übersetzt „Volkshochschule" bedeutet.
An der Folkehøgskole gibt es keinen Abschluss und keine Prüfung. Junge Norweger können die Folkehøgskole freiwillig nach ihrem Schulabschluss besuchen, um sich zu orientieren. In Dänemark gibt es etwa ganz ähnliches: Schulen, in denen jeder nur lernt, worauf er Lust hat, ganz ohne Zeugnis.
Den Hunden kann es nie schnell genug gehen
Mathe, Physik oder Biologie gibt es an der Schule nicht. Die Fächer heißen: Foto und Reise, Jagen und Fischen - oder eben Schlittenhunde und Wildnisleben. Als ich mich beworben hatte, antwortete der Direktor der Schule mit einer freundlichen, aber verwunderten E-Mail: Warum ich als Deutsche unbedingt nach Norwegen wolle?
Die Arbeit mit Schlittenhunden ist schon lange ein Traum von mir, und nach der Schule in Deutschland wollte ich erst einmal raus aus meinem gewohnten Umfeld. Und ich wollte etwas über mich erfahren: Wie komme ich mit der Kälte, der monatelangen Dunkelheit und der neuen Sprache zurecht? Eine Art Charakterprüfung also.
Im Herbst haben wir mit dem Training der Hunde begonnen. Ich spüre jedes Mal einen Adrenalinschub, wenn wir den Hunden das Geschirr anlegen, um sie einzuspannen. Die Hunde beginnen laut zu bellen, wedeln mit dem Schwanz und werfen sich mit aller Kraft in die Leinen. Sie wollen endlich loslaufen, nie kann es schnell genug gehen.
Lagerfeuer und Kaffeeduft - unwiderstehlich
Wenn ich gerade nicht bei den Hunden bin, genieße ich die Natur um mich herum. Fünf Tage war ich mit einem Kanu auf dem Pasvikfluss an der Grenze zu Russland unterwegs. Die Tage begannen mit einem gemütlichen Lagerfeuer, über dem wir Kaffee kochten. Frischer Kaffee und der Geruch des Holzfeuers - eine unwiderstehliche Mischung.
Noch nie zuvor habe ich die Natur so intensiv wahrgenommen: Die Wälder bestehen aus schlanken, weißen Birken, deren Laub sich langsam gelblich verfärbt. Dazwischen stehen einzelne Kiefern mit einer bronzefarbenen, schuppigen Rinde. Auf dem Boden leuchten die Flechten in flammenden Rottönen. In den Wäldern gibt es zahlreiche riesige Seen.
Im Oktober fiel schon der erste Schnee. Die Tage wurden rasch kürzer, bis die Sonne am Morgen gar nicht mehr aufging. Dunkelheit. Aber es war nicht so trist, wie man denken könnte. Der Schnee ließ die Umgebung heller erscheinen.
Die Temperatur sank immer weiter. Bei minus 34 Grad gefriert einem die Feuchtigkeit des eigenen Atems in der Nase. Wenn man die Handschuhe vergisst, bereut man es nach wenigen Minuten schmerzlich. Doch einer der schönsten Augenblicke hier war genau an solch einem eisigen Tag.
Als ich nach einer langen Ski-Tour am Abend erschöpft in meinen Schlafsack kroch und die Kapuze bis auf einen schmalen Schlitz zuzog, blickte ich nach oben in den klaren Sternenhimmel. Und da sah ich sie, die berühmten Polarlichter. Ein grünlich-gelbes Band, das geisterhaft über den Himmel tanzte. Da vergisst man die Kälte, die Dunkelheit, den Muskelkater.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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