Handwerk mit Haut und Knochen
"Das sind die Augen eines Gnus und die hier gehören einem Geparden", sagt Manfred Gorn und lässt Glaskugeln über den Tisch kullern. Unterschiedlich in Farbe, Größe und Form blicken die Glasaugen zu den Betrachtern hinauf. Bis die Augenimitate zum Einsatz kommen, vergehen meistens fünf oder sechs Monate. So lange dauert die durchschnittliche Präparationsprozedur, die Gorns Betrieb Jagdtouristen aus aller Welt anbietet.
Der Prozess beginnt mit der Reinigung der gelieferten Tierschädel. "Hier werden sie gesäubert", erklärt Manfred Gorn und deutet auf eine dunkle Lache, an deren Oberfläche weiße Teilchen schwimmen. Der Behälter erinnert an einen Riesenbottich Kaffee mit Milchtunkern. Es riecht aber nicht nach brasilianischen Bohnen, sondern nach fortgeschrittener Verwesung. Die Schädel wurden ursprünglich in sauberes, klares Wasser gelegt. Abhängig von der Außentemperatur lösen sich alle Fleischreste darin bereits binnen Tagen von den Knochen und lassen die schwarze Brühe zurück. Der ätzende Geruch beißt in der Nase, sorgt bei Besuchern für bleiche Gesichter und verstimmte Mägen. Manfred Gorn schmunzelt und erklärt mit einem Augenzwinkern: "Wenn es hier stinkt, dann weil es nach Geld riecht."
Kaum dem sauren Gestank des Fäulungsprozesses entkommen, steigt den Besuchern der Laugengeruch der Gerberei in die Nase. Das Gerben der gelieferten Felle beginnt etwa zeitgleich mit dem Säubern der Schädel, kann jedoch bis zu mehreren Monaten dauern. Die Gerberei auf der Farm von Manfred Gorn ist in einer großflächigen Halle untergebracht. Hier werden zentimeterdicke Hautschichten abgetragen, bis die Felle millimeterdünn, dehnbar und haltbar sind. Die abgeschabten Hautschichten haben die Form kleiner weißer Seifenstücke, glänzend und glitschig.
An den Eisengittern befinden sich die Felle von Kudus, Gnus und anderem Wild. An einigen von ihnen hängt noch der buschige Schwanz. Die Präparation dieser Tiere ist für die Taxidermisten um Manfred Gorn eine leichte Aufgabe, schließlich hat das Team bereits Elefanten präpariert. Die letzte große Herausforderung für die Mitarbeiter von Trophäendienste war das Ganzpräparat eines Giraffenbullen. Zu Beginn dieses Jahres mussten sie die 230 Kilogramm schwere und rund fünf Zentimeter dicke Giraffenhaut Millimeter um Millimeter abschaben, damit das Präparat allen Qualitätsansprüchen genügt. Zwischen vier und fünf Monaten dauerte allein das Gerben der Giraffenhaut. Heute steht das fertige Ganzpräparat in Österreich.
Ungewöhnliche Kundenwünsche und Bestellungen flattern Manfred Gorn regelmäßig ins Büro. Einige der bestellten Skurrilitäten werden in einem unauffälligen kleinen Häuschen gleich hinter der Gerberei angefertigt. Hier stehen beispielsweise - ordentlich in einer Reihe - Wildhufe, aus denen Lampenständer ragen. Wenig weiter wartet ein halbes Warzenschwein auf den letzten Schliff. Der Kopf des Tieres ist nicht zu sehen. Stattdessen ragt sein Hintern mit hoch empor gestrecktem Schwanz aus der Mauer. "Über Geschmack lässt sich nicht streiten", sagt Manfred Gorn mit einem Blick auf den ausgestopften Tierpopo.
Der Betriebsleiter hat Verständnis für die ausgefallenen Aufträge. Auch Anfragen nach sogenannten Wolpertingern oder Hybridwesen nimmt er entgegen. So muss sein Team beispielsweise Hasen mit Flügeln anfertigen.
Aber eine Art von Bestellung lehnt Manfred Gorn mittlerweile grundsätzlich ab: Im Betrieb Trophäendienste werden keine Haustiere präpariert. "Das geht immer nach hinten los", erklärt er kopfschüttelnd. Aus Erfahrung weiß Gorn, dass selbst das bestausgestopfte Tierfell den Erinnerungen von Herrchen und Frauchen an den geliebten Dackel nicht gerecht wird. "Seien es die Augen oder sonstige Eigenheiten, die Hund oder Katze hatten - wir vermögen sie einfach nicht einzufangen, dafür war die Beziehung zwischen Besitzer und Haustier grundsätzlich zu eng und individuell."
Nur selten kommt es vor, dass der Betrieb einen Auftrag nicht erfüllen kann. Schließlich verfügt das Präparatoren-Team über jahrzehntelange Expertise: Manfred Gorn hat Trophäendienste im Jahr 1986 gegründet; auch seine Nachwuchs-Taxidermisten erstaunen mit ihrer Geschicklichkeit. Ignedia Mukoko zum Beispiel feilt so rasch an der Schaumstoffform eines Springbocks, dass die Kunststofffasern wie ein Wasserfall zu Boden rieseln. Ihre Aufgabe ist es, die Schaumstoffform auf das gelieferte Tierfell zurecht zu feilen. Da muss jeder Zentimeter sitzen, das Fell darf weder verrutschen, noch kleiner genäht werden. Für diese Herausforderung braucht die junge Frau nur wenige Stunden - dabei hat sie das Originalfell nicht einmal vor Augen, die Proportionen und Größen hat Ignedia im Gedächtnis.
Nachdem die Häute über die Schaumstoffformen gezogen und schließlich auch die Glasaugen eingesetzt worden sind, ist nun das Tiergebiss an der Reihe. Diese Aufgabe erinnert an ein ungewöhnliches Puzzlespiel: Die Fachleute passen die Zähne einzeln in die jeweiligen Gebisse ein. Vom winzigen weißen Backenzahn bis hin zum spitzen abgewetzten Reißzahn, jeder hat seinen Platz und perfekten Halt.
Ist das Gebiss eingesetzt, sind auch die Trophäen beinahe fertig und brauchen nur noch eines: ein wenig Make-up. Dafür werden die Präparate in die Schminkkammer gebracht. Der kleine Raum riecht nach Spraydosen, frische Luft ist auch hier dünn. Schwarz, braun, grau - hier gibt es alle Farbnuancen für jede Tierart. Ein paar dicke, dünne, kleine und große Pinsel liegen ebenfalls herum, für den Fall, dass die Spraydose nicht den nötigen Feinauftrag der Farbe ermöglicht. Mit dem Kaschieren der kleinen Schönheitsfehler endet die Präparationsprozedur, die Trophäe ist fertig zum Verpacken und Versenden. Kunden in Übersee bekommen die Trophäen der von ihnen erlegten Tiere binnen weniger Tage. So kommt die Erinnerung an den Jagdurlaub in Namibia an die heimische Wand.
Von: Anna Gielas
Der Prozess beginnt mit der Reinigung der gelieferten Tierschädel. "Hier werden sie gesäubert", erklärt Manfred Gorn und deutet auf eine dunkle Lache, an deren Oberfläche weiße Teilchen schwimmen. Der Behälter erinnert an einen Riesenbottich Kaffee mit Milchtunkern. Es riecht aber nicht nach brasilianischen Bohnen, sondern nach fortgeschrittener Verwesung. Die Schädel wurden ursprünglich in sauberes, klares Wasser gelegt. Abhängig von der Außentemperatur lösen sich alle Fleischreste darin bereits binnen Tagen von den Knochen und lassen die schwarze Brühe zurück. Der ätzende Geruch beißt in der Nase, sorgt bei Besuchern für bleiche Gesichter und verstimmte Mägen. Manfred Gorn schmunzelt und erklärt mit einem Augenzwinkern: "Wenn es hier stinkt, dann weil es nach Geld riecht."
Kaum dem sauren Gestank des Fäulungsprozesses entkommen, steigt den Besuchern der Laugengeruch der Gerberei in die Nase. Das Gerben der gelieferten Felle beginnt etwa zeitgleich mit dem Säubern der Schädel, kann jedoch bis zu mehreren Monaten dauern. Die Gerberei auf der Farm von Manfred Gorn ist in einer großflächigen Halle untergebracht. Hier werden zentimeterdicke Hautschichten abgetragen, bis die Felle millimeterdünn, dehnbar und haltbar sind. Die abgeschabten Hautschichten haben die Form kleiner weißer Seifenstücke, glänzend und glitschig.
An den Eisengittern befinden sich die Felle von Kudus, Gnus und anderem Wild. An einigen von ihnen hängt noch der buschige Schwanz. Die Präparation dieser Tiere ist für die Taxidermisten um Manfred Gorn eine leichte Aufgabe, schließlich hat das Team bereits Elefanten präpariert. Die letzte große Herausforderung für die Mitarbeiter von Trophäendienste war das Ganzpräparat eines Giraffenbullen. Zu Beginn dieses Jahres mussten sie die 230 Kilogramm schwere und rund fünf Zentimeter dicke Giraffenhaut Millimeter um Millimeter abschaben, damit das Präparat allen Qualitätsansprüchen genügt. Zwischen vier und fünf Monaten dauerte allein das Gerben der Giraffenhaut. Heute steht das fertige Ganzpräparat in Österreich.
Ungewöhnliche Kundenwünsche und Bestellungen flattern Manfred Gorn regelmäßig ins Büro. Einige der bestellten Skurrilitäten werden in einem unauffälligen kleinen Häuschen gleich hinter der Gerberei angefertigt. Hier stehen beispielsweise - ordentlich in einer Reihe - Wildhufe, aus denen Lampenständer ragen. Wenig weiter wartet ein halbes Warzenschwein auf den letzten Schliff. Der Kopf des Tieres ist nicht zu sehen. Stattdessen ragt sein Hintern mit hoch empor gestrecktem Schwanz aus der Mauer. "Über Geschmack lässt sich nicht streiten", sagt Manfred Gorn mit einem Blick auf den ausgestopften Tierpopo.
Der Betriebsleiter hat Verständnis für die ausgefallenen Aufträge. Auch Anfragen nach sogenannten Wolpertingern oder Hybridwesen nimmt er entgegen. So muss sein Team beispielsweise Hasen mit Flügeln anfertigen.
Aber eine Art von Bestellung lehnt Manfred Gorn mittlerweile grundsätzlich ab: Im Betrieb Trophäendienste werden keine Haustiere präpariert. "Das geht immer nach hinten los", erklärt er kopfschüttelnd. Aus Erfahrung weiß Gorn, dass selbst das bestausgestopfte Tierfell den Erinnerungen von Herrchen und Frauchen an den geliebten Dackel nicht gerecht wird. "Seien es die Augen oder sonstige Eigenheiten, die Hund oder Katze hatten - wir vermögen sie einfach nicht einzufangen, dafür war die Beziehung zwischen Besitzer und Haustier grundsätzlich zu eng und individuell."
Nur selten kommt es vor, dass der Betrieb einen Auftrag nicht erfüllen kann. Schließlich verfügt das Präparatoren-Team über jahrzehntelange Expertise: Manfred Gorn hat Trophäendienste im Jahr 1986 gegründet; auch seine Nachwuchs-Taxidermisten erstaunen mit ihrer Geschicklichkeit. Ignedia Mukoko zum Beispiel feilt so rasch an der Schaumstoffform eines Springbocks, dass die Kunststofffasern wie ein Wasserfall zu Boden rieseln. Ihre Aufgabe ist es, die Schaumstoffform auf das gelieferte Tierfell zurecht zu feilen. Da muss jeder Zentimeter sitzen, das Fell darf weder verrutschen, noch kleiner genäht werden. Für diese Herausforderung braucht die junge Frau nur wenige Stunden - dabei hat sie das Originalfell nicht einmal vor Augen, die Proportionen und Größen hat Ignedia im Gedächtnis.
Nachdem die Häute über die Schaumstoffformen gezogen und schließlich auch die Glasaugen eingesetzt worden sind, ist nun das Tiergebiss an der Reihe. Diese Aufgabe erinnert an ein ungewöhnliches Puzzlespiel: Die Fachleute passen die Zähne einzeln in die jeweiligen Gebisse ein. Vom winzigen weißen Backenzahn bis hin zum spitzen abgewetzten Reißzahn, jeder hat seinen Platz und perfekten Halt.
Ist das Gebiss eingesetzt, sind auch die Trophäen beinahe fertig und brauchen nur noch eines: ein wenig Make-up. Dafür werden die Präparate in die Schminkkammer gebracht. Der kleine Raum riecht nach Spraydosen, frische Luft ist auch hier dünn. Schwarz, braun, grau - hier gibt es alle Farbnuancen für jede Tierart. Ein paar dicke, dünne, kleine und große Pinsel liegen ebenfalls herum, für den Fall, dass die Spraydose nicht den nötigen Feinauftrag der Farbe ermöglicht. Mit dem Kaschieren der kleinen Schönheitsfehler endet die Präparationsprozedur, die Trophäe ist fertig zum Verpacken und Versenden. Kunden in Übersee bekommen die Trophäen der von ihnen erlegten Tiere binnen weniger Tage. So kommt die Erinnerung an den Jagdurlaub in Namibia an die heimische Wand.
Von: Anna Gielas
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Allgemeine Zeitung
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