Gar nicht mehr kaizerlich

Von Florian Pütz, Windhoek

Fans der Kaizer Chiefs prügeln auf der Tribüne auf einen Mann ein, der gerade noch flüchten kann. Sie zünden Sitzschalen auf den Rängen an, stürmen auf den Rasen, reißen Fernsehkamers in Stücke und treten einem am Boden liegenden Ordner vor den Hals. Der bleibt bewusstlos auf dem Rasen liegen.

Es sind schockierende und schmerzhafte Szenen, die viele Fußball-Fans am Samstag nach dem Pokalhalbfinale der Kaizer Chiefs gegen die Free State Stars mitansehen müssen. Die Chiefs haben im Moses Mabhida Stadion in Durban völlig überraschend 0:2 gegen den Underdog verloren - und einigen gewaltbereiten Anhängern des Favoriten platzt nach der nächsten Pleite in einer verkorksten Saison vollends der Kragen.

Hunderte Rennen aufs Spielfeld, reißen Werbebanden nieder, stehlen oder zerstören Fernsehkameras und prügeln auf die Securitymitarbeiter ein. TV-Aufnahmen zeigen, wie einige Fans mit Plastikstühlen auf einen Ordner einschlagen. Als der zu Boden sinkt, tritt ihm ein Fan vor den Hals. Der Security-Mitarbeiter fällt scheinbar bewusstlos mit dem Gesicht in den Rasen. Im Hintergrund hört man eine Frau schreien: „Sie bringen ihn um. Sie bringen den Ordner um. Wo ist die Polizei?“

Die kommt wenige Sekunden später angerannt und verjagt die Angreifer. An diesem bedrückenden Fußball-Abend greifen die Einsatzkräfte zu Tränengas und Betäubungsgranaten, um gegen die gewaltbereiten Fans vorzugehen. Lediglich zwei Randalierer werden festgenommen. Zwanzig Menschen werden verletzt. Am Montag verkündet der südafrikanische Fußball-Verband, es gebe glücklicherweise keine Toten. Dem besagten Ordner gehe es besser, der 32 Jahre alte Mann habe das Krankenhaus bereits wieder verlassen können.

Südafrikas Sportverbände verurteilten die Ausschreitungen. „Es gibt einfach keine Entschuldigung für dieses Verhalten“, sagte Gideon Sam, Präsident des des südafrikanischen Olympischen Komitees. „Nicht an diesem Wochenende und überhaupt niemals.“ Die Vorsitzende des Sportausschusses des Parlaments kündigte bereits harte Konsequenzen an. „Dieses Verhalten wird nicht toleriert“, meinte Beauty Dlulane. „Die Leute, die für diese Gewalt und dieses Chaos verantwortlich sind, müssen vor Gericht. Und sie müssen für alle zukünftigen Sportveranstaltungen verbannt werden.“

Der Gewaltausbruch hatte bereits personelle Konsequenzen für die Kaizer Chiefs. Der durch anhaltenden sportlichen Misserfolg unter Druck stehende Trainer Steve Komphela trat nach dem Skandal-Spiel mit sofortiger Wirkung zurück. Er wolle kein Katalysator für die Gewalt sein, sagte er. „Sollte ich der Auslöser für diese Gewalt sein, muss man sagen: Vielleicht sollte ich zurücktreten.“ Das tat er dann auch mit der Zustimmung von Manager Bobby Motaung. „Wir müssen Verantwortung übernehmen und diese Herausforderungen akzeptieren“, erklärte Motaung. „So darf es nicht weitergehen. Wir machen uns Sorgen um die Sicherheit der Spieler, des Trainers und der Fans.“

Bereits in den vergangenen Wochen hatten die Fans ihrem Unmut über die Arbeit des Trainers und der schwachen sportlichen Situation der Kaizer Chiefs Luft gemacht. In der Premier Division sind die siebenfachen Titelträger nur Vierter, am Samstag büßten sie im Pokal die letzte Titelchance in dieser Saison ein. Den Anhängern platzte der Kragen. Sie griffen auf dem Rasen auch die eigenen Spieler an. Die retteten sich mit einem Sprint in die Kabine vor den Attacken der Anhänger. Kurz darauf stellte die Polizei sich mit einem gepanzerten Einsatzfahrzeug vor dem Spielertunnel auf, um die wütenden Fans daran zu hindern, in die Katakomben vorzudringen.

„Hooliganismus, Schurken dieser Art und Gewalt haben keinen Platz im Fußball und können nicht toleriert werden“, hieß es in einer Stellungnahme der südafrikanischen Fußball-Liga. „Die Liga wird eng mit den Gesetzeshütern zusammenarbeiten, um sicherzugehen, dass diejenigen, die verantwortlich für diesen Hooliganismus sind, vor Gericht gebracht werden.“

Es sind nicht die ersten Ausschreitungen dieser Art in Südafrika, jenem Land, das 2010 als erstes eine Weltmeisterschaft auf dem afrikanischen Kontinent ausrichtete. Im vergangenen Jahr starben zwei Menschen bei Auseinandersetzungen im Umfeld des Spiels der Kaizer Chiefs gegen die Orlando Pirates in Johannesburg. Die größte Tragödie erlebte Südafrika 2001, als 43 Fans beim gleichen Derby starben, weil sie durch den großen Zuschauerandrang erdrückt wurden.