Farmermorde in Südafrika – Wirklich ein „Genozid“?
Farmermorde in Südafrika – Wirklich ein „Genozid“?

Farmermorde in Südafrika – Wirklich ein „Genozid“?

Nina Cerezo
Solange in Südafrika die Apartheid existierte, war das Land nahezu permanent Thema in den deutschen und internationalen Medien. Mit den ersten freien Wahlen 1994 und der Installierung Nelson Mandelas als erstes nichtweißes Staatsoberhaupt ließ das Interesse schlagartig nach.

Das Ziel, die Abschaffung der Rassentrennung und damit die Übergabe der Macht an die Bevölkerungsmehrheit, waren erreicht, nun schien heile Welt in Südafrika zu herrschen. Zumindest berichteten die Medien nur noch spärlich, sporadisch oder gar nicht mehr. Nur ganz selten drangen Meldungen über sich häufende Morde an weißen Farmern durch, wobei die Zahlen zuletzt zwischen 400 und 4000 schwankten.

Umsiedlung nach Australien

Weil das Thema in jüngster Zeit wieder verstärkt zu internationalen Schlagzeilen führte, reagierte der australische Innenminister Peter Dutton Ende März 2018 mit der Ankündigung, dass er weißen südafrikanischen Farmern, die – wie man mehrfach aus der öffentlichen Berichterstattung erfuhr – vom Genozid bedroht seien, anbot, in sein Land überzusiedeln. Im Kabinett machte er sich dafür stark, weißen südafrikanischen Farmern, die unter „schrecklichen Umständen“ in ihrer Heimat zu leiden hätten, möglichst unbürokratisch Visa auszustellen, um nach Australien einreisen zu können, da sie der dringenden Hilfe „eines zivilisierten Landes wie des unsrigen“ bedürften. Südafrika reagierte prompt, indem es mitteilen ließ, es gebe keinen Grund zu der Annahme, dass ein Teil seiner Einwohner ernsthaft durch die eigene demokratisch legitimierte Regierung einer Gefährdung ausgesetzt sei. Befeuert wurde die Thematik dann noch dadurch, dass das südafrikanische Parlament kürzlich eine Landreform beschloss, in deren Rahmen es auch – die Betonung liegt auf „auch“! – Enteignungen von Land ohne Entschädigungen (“expropriatation of land without compensation“) geben werde. Doch was ist nun wirklich dran an den vielen Meldungen?

Schwierige Ermittlungen

Der angesehene südafrikanische Journalist Peter Bruce ging der Sache nach, um den Wahrheitsgehalt all dieser Geschichten zu ergründen und kam dabei zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Er griff zunächst die Meldung von Ian Cameron auf, dem Vorsitzenden der Abteilung für kommunale Sicherheit bei AfriForum, einer Bürgerrechtsbewegung, die sich als Interessenvertretung der Weißen in einem von Schwarzen regierten Südafrika versteht, wonach es im ersten Quartal 2018 wieder 109 Angriffe auf Farmen gegeben habe, bei denen 15 Menschen ums Leben gekommen seien. Bruce wollte nun wissen, wo die überfallenen Farmen lägen, um welche Art von Farmen es sich gehandelt habe und wie alt die getöteten Farmer gewesen seien. Statt konkreter Antworten musste er sich jedoch Beschimpfungen mit rechtsradikalem Charakter anhören, wobei ihm unterstellt wurde, er wolle das Problem offensichtlich verharmlosen. Bruce konfrontierte sein Gegenüber dann damit, dass er Bilder von angegriffenen älteren Weißen gesehen hätte und fragte, ob es sich dabei tatsächlich um noch tätige Farmer gehandelt habe. Auch hierauf erhielt er keine Antworten, ebenso wenig konnte man ihm Auskunft geben, als er ihm vorliegende unterschiedliche Zahlen präsentierte. Schließlich fragte Peter Bruce bei Africa Check an, einer überparteilichen Organisation zur Überprüfung der Fakten in Nachrichten über Afrika mit Sitz an der Universität Johannesburg, ob die Zahl der Farmermorde signifikant höher liege als die allgemeine Mordrate.

Erste Zahlen

Zunächst blieb auch diese Frage unbeantwortet, dann teilte ihm Kate Wilkinson, Mitarbeiterin bei der Organisation, mit, sie verfüge über Zahlen aus dem vergangenen Jahr, die von der Partei Freedom Front Plus, die sich fast ausschließlich aus weißen afrikaans-sprachigen Südafrikanern zusammensetzt, erstellt wurden. Danach habe es statistisch gesehen auf 100000 Personen 133 Farmermorde gegeben, wohingegen im nationalen Durchschnitt nur 33 Morde auf 100000 Einwohner kämen. Ein Parlamentsabgeordneter wiederum sprach von 97 Morden landesweit, bezogen auf 100000 Personen, wobei eben der Tatbestand „Farmermorde“ nicht gesondert ausgewiesen wird. Schließlich erfuhr Bruce, dass zwischen 1994 und März 2012 in Südafrika insgesamt 361015 Morde geschahen, davon 1544 auf Farmen, wobei in diese Zahl sowohl die Farmer selbst als auch deren Familienangehörige sowie (schwarze) Farmarbeiter (!) eingerechnet wurden. Außerdem stellte sich heraus, dass unter dem Begriff „Farm“ sowohl ein etwa 5000 Hektar großer produktiver Betrieb fiel, als auch der etwas größere Gemüsegarten (zur Selbstversorgung) hinter dem Haus einer Familie. Bruce kam daher zu dem Schluss, dass die Häufigkeit der Farmermorde nicht höher anzusetzen sei als allgemeine Tötungsdelikte in den Townships (von Schwarzen bewohnte Vorstadt-Siedlungen, oftmals Slums), in den ländlichen Gebieten etwa der Transkei (Provinz Ostkap) oder auch in der für Gewaltkriminalität bekannten Innenstadt von Johannesburg. Für eine seriöse Untersuchung, z.B. durch eine juristische Kommission, allein nötig wäre eine Zusammenstellung aller unnatürlichen Todesfälle auf jeder Farm des Landes im Verlauf der vergangenen zehn Jahre, wobei, wie oben schon erwähnt, zusätzlich Ort und Art der Farm sowie das Alter der Ermordeten erhoben werden müsste. Damit sollte letztlich die Beantwortung aller bisher ungelösten Fragen möglich sein, denn nur auf den Tisch gelegte Fakten zählen und nicht unbewiesene Behauptungen oder emotionsgeladene Kolportagen.

Im Widerspruch zum angeblichen Genozid an den weißen südafrikanischen Farmern steht zudem die Tatsache, dass sich die Agrarproduktion des Landes seit 1994 geradezu explosionsartig vermehrte. Lag der Wert der landwirtschaftlich produzierten Güter damals noch bei 28 Milliarden Rand, so steigerte er sich nach den Worten der Wirtschaftsexpertin Wandile Sihlobo zuletzt bis auf 246 Milliarden Rand. Berücksichtigt man die Inflationsrate während des Zeitraums, so hat sich der Wert immer noch mehr als verdoppelt. Wären aber in all den Jahren hunderte oder gar tausende Farmer ermordet worden, hätte dieses Ergebnis wohl kaum zustande kommen können, denn die Farmwirtschaft liegt nach wie vor weitgehend in den Händen weißer Südafrikaner, ja sie bildet geradezu deren Rückgrat (heute immerhin noch zu 75 Prozent gegenüber 85 Prozent im Jahre 1994).

Australisches Angebot

Das Angebot des australischen Innenministers Dutton ist daher in Südafrika auch sehr zwiespältig aufgenommen worden. Tatsächlich haben seit 1994 mehrere tausend weiße Südafrikaner ihr Land verlassen, weil sie keine Zukunftsperspektive mehr sahen – die meisten ausgerechnet aus der eher liberalen englischsprachigen Bevölkerungsgruppe, die aber plötzlich doch nicht mehr in einem von Schwarzen regierten Staat leben wollten. Viele wanderten nach Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland aus, aber die wenigsten unter ihnen waren Farmer. So gibt es in den australischen Großstädten Sydney und Perth jeweils größere weiße südafrikanische Gemeinden, ja die Südafrikaner bilden heute dort mit 150000 Personen nach Großbritannien die zweitgrößte im Ausland lebende Minderheit. Doch gerade aus Australien sind in den letzten Jahren auch wieder etliche Südafrikaner in ihre alte Heimat zurückgekehrt. Zum Teil kamen sie mit der Mentalität der „Aussies“ nicht zurecht, zum Teil lockte das Land am Kap aber auch mit lukrativen Angeboten zur Rückkehr, wenn es sich um Fachkräfte handelte, deren qualifizierte Tätigkeit nach 1994 plötzlich fehlte und nicht so schnell durch Schwarze ersetzt werden konnte, weshalb viele ohne die nötige Ausbildung eingestellt wurden, was sich letztlich negativ auf die Wirtschaft des Landes auswirkte.

Bleibt noch die Frage nach dem kürzlich gefassten Parlamentsbeschluss, nämlich Land, das Weißen gehört, in Zukunft auch ohne Entschädigung zu enteignen. Tatsächlich war dies nur eine Absichtserklärung, und bisher fehlen Ausführungsbestimmungen dazu, von denen fraglich ist, ob sie vor den Wahlen im Jahr 2019 überhaupt noch erfolgen, denn in der Regierungspartei ANC gibt es zu viele Pragmatiker, die genau wissen, was eine solche Praxis bewirken würde. Auch der neue Präsident Cyril Ramaphosa hat vor voreiligen Schritten gewarnt, und so wird man abwarten müssen, ob letztlich alles so heiß gegessen wird, wie es gekocht wurde.

Wolfgang Reith, Kapstadt

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-05-04

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