Entwicklungsperspektiven - mehr Zusammenarbeit erforderlich

Die hier präsentierten Perspektiven mögen als "Wunschdenken" erscheinen, wie eine die Menschen in den Mittelpunkt rückende Entwicklung gefördert werden könnte. Auch solche Visionen können jedoch in politische Entscheidungen einfließen.
Vision 2030

In Namibia wurde die "Vision 2030" zur Jahrhundertwende von Präsident Sam Nujoma initiiert. Sie sollte das richtungweisende Dokument für die Entwicklungsstrategie des Landes sein. 2004 vom Büro des Präsidenten veröffentlicht, beschrieb sie das Dilemma, mit dem die SWAPO-Regierung rechnen musste, wenn sie ihre Legitimität und Glaubwürdigkeit gegenüber der Wählerschaft behalten wollte, indem sie konstatierte: "Die Ziele des namibischen Unabhängigkeitskampfes umfassten soziale Gerechtigkeit, die Herrschaft des Volkes und die sozioökonomische Transformation des Landes. Daher beruht die Legitimität des Post-Apartheidsystems darauf, diese Transformation umzusetzen oder zumindest Ressourcen so umzuleiten, dass die sozioökonomischen Ursachen von Armut und potenziellen Konflikten angegangen werden. (...) Das weitere Bestehen allgemeiner Armut würde in den Augen der Betroffenen bedeuten, dass die Regierung nicht willens ist, den Status quo zu ändern, oder aber unfähig, die wirtschaftlichen Bedingungen zu verbessern."

Um solchen Herausforderungen jenseits wohlfeiler Lippenbekenntnisse gerecht zu werden, bedarf es jedoch keiner Selbstbereicherungsstrategie neuer nachkolonialer Eliten. Statt der kleptokratischen Tendenzen von Teilen nicht nur der namibischen Regierung, sondern der meisten "Befreiungsbewegungen an der Macht" bedarf es der Verfolgung folgender Ziele, denen eine Strategie im südlichen Afrika verpflichtet sein sollte: Verminderung der sozialen Ungleichheit und Armut, u.a. durch Schaffung tatsächlicher Beschäftigungsmöglichkeiten, sowie die Sicherung einer ökologisch nachhaltigen Entwicklung, die sich dem Klimawandel anpasst. Dies erfordert und ermöglicht die Gewährleistung eines Maximums an menschlicher Sicherheit für alle Bewohner der Region durch eine verantwortungsvolle Regierungspolitik, die den Grundbedürfnissen in allen Lebensbereichen gerecht wird (einschließlich der politischen Sphäre auf der Basis von Werten und Normen einer demokratischen Kultur, was den vollen Schutz und die Förderung der Menschenrechte umfasst).

Bislang herrschende und weithin unhinterfragte wachstumsorientierte Modelle wirtschaftlicher Entwicklung und sozialer Reproduktion müssen hingegen zunehmend kritischer hinterfragt werden. Die Mehrzahl der Bevölkerung hat dafür - nicht nur im Süden Afrikas - einen deutlich zu hohen Preis zahlen müssten.

Gegenwärtige Situation

Das Südliche Afrika hat seit Mitte der 1990er Jahre seine volle politische Unabhängigkeit erlangt. Die Verantwortlichkeit liegt in den meisten (jedoch nicht in allen) Ländern bei (mehr oder weniger) demokratisch gewählten Regierungen. Dies bedeutet jedoch nicht die tatsächliche Herrschaft über und Verantwortlichkeit für alle internen Angelegenheiten. Die Subregion ist weiterhin eng mit auswärtigen Interessen und Einflüssen verbunden und verfügt über einige der offensten Volkswirtschaften der Welt.

Was David Sogge in einem 2009 bei FRIDE in Madrid veröffentlichten Arbeitspapier für Angola feststellte, gilt für alle Staaten der Region: "Die Politik ist weiterhin mit mächtigen auswärtigen Akteuren verwoben und ist immer noch gekennzeichnet durch einen begrenzten Zugang zu Gütern und Privilegien. Staatliche und Parteieliten verfolgen ihre Interessen auf der Basis von Übereinkünften mit ausländischen Rohstoffunternehmen oder Bankgesellschaften, und in Abstimmung mit ausländischen Regierungen [...] verfolgen die Eliten soziale und wirtschaftliche Ziele, die jedoch nicht auf einen Entwicklungsstaat abzielen, der eine sozial inklusive Agenda verfolgt."

Falls die gegenwärtig dominanten wirtschaftspolitischen Ansätze die Oberhand behalten, erscheint die Verschlechterung der sozioökonomischen Bedingungen wahrscheinlicher als irgendwelche positive Entwicklungen. "Business as usual" wird die Verschlechterung der Lebensbedingungen der Mehrheit der Menschen in der Region beschleunigen und würde die fundamentalen Herausforderungen ignorieren, die der Klimawandel und die Notwendigkeit zur Anpassung mit sich bringen. Wie ein vom schwedischen Außenministerium 2009 veröffentlichter Bericht für die Commission on Climate Change and Development in deutlichen Worten erklärte: "Einen Weg der Anpassung zu finden, der menschlichen Dimension des Klimawandels Rechnung trägt, macht es notwendig, sich deutlich vom Status quo abzuwenden. Solch ein Weg wird einen sehr viel kritischeren Blick auf traditionelle Entwicklungsmodelle notwendig machen, deren Beitrag zur gegenwärtigen Ausprägung und Verteilung von Armut und deren Anfälligkeit für den Klimawandel kritisch betrachtet werden muss."

Eine vorausschauende Perspektive würde daher auch Alternativen zum kohlenwasserstoffbasierten Modell aufzeigen, die Herausforderungen, die dies für die Energieproduktion und den -verbrauch mit sich bringt sowie die Notwendigkeit mit dem vorhersehbaren Wassermangel, mit Überflutungen und Trockenheiten umzugehen, die zunehmend die Mehrheit der Menschen bedrohen und einmal mehr die Armen am stärksten betreffen werden. Diesen Herausforderungen sollte eher mit regionalen als mit nationalen Anstrengungen begegnet werden. Die Vorherrschaft des so genannten Nationalstaats und die Bedürfnisse seiner Regierungen müssen durch kollektive regionale Anstrengungen ergänzt (wenn nicht von diesen ersetzt) werden.
Unmittelbare Aufgaben

Dafür wäre es zunächst einmal nötig, dass die Staaten des Südlichen Afrika sich für engere regionale Zusammenarbeit entscheiden. Die gegenwärtige Orientierungslosigkeit ist bezeichnend für den Mangel an gemeinsamen Visionen. Angesichts der Herausforderungen muss die Architektur Klarheit darüber schaffen, wie das Haus beschaffen sein soll: Ist es ein Mietshaus, in dem alle Mieter mitreden und an den werterhaltenden bzw. -schaffenden Maßnahmen beteiligt sind, egal wie groß oder klein ihre Wohnung ist? Oder ist es eine Ansammlung von Eigenheimen, von großen Anwesen und schicken Villen bis hin zu Bauernhäusern und Hütten, deren Grundstücke und Gärten jeweils unterschiedlich groß und je nach dem Geschmack des Eigentümers und seiner jeweiligen Mittel bebaut sind - wenn nötig sogar auf Kosten der Nachbarschaft?

Die regionale Architektur erfordert außerdem dringende Aufmerksamkeit und politische Lösungen für Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Die Zukunft von SACU und SADC (Zollunion und Staatengemeinschaft des Südlichen Afrika) steht auf dem Spiel und macht entschlossene Initiativen zur Bekämpfung der Krise notwendig. Die Positionierung gegenüber externen Initiativen wie den EPAs (Economic Partnership Agreements) mit der EU oder Arrangements mit den unter dem Kürzel BRIC zusammen gefassten, aufstrebenden Mächten (Brasilien, Russland, Indien, China) und Aspiranten wie Südkorea, Mexiko, Malaysia und anderen, die im Wettbewerb um den Zugang zu globalen Märkten stehen, erfordert eine systematische Herangehensweise.

Handel und Abhängigkeit

Dasselbe gilt für den präferenziellen Zugang zu ausgewählten Märkten wie dem vom African Growth and Opportunity Act (AGOA) regulierten der USA - ist dies ein Handelsübereinkommen, das tatsächliches wirtschaftliches Wachstum ermöglicht und von dem die Mehrheit der Menschen profitiert? Oder setzt nicht das Paradigma vom "Handel als Hilfe" einfach die bisherige Politik fort, die eine Abhängigkeit von außen weiter verstärkt? Während in Namibia der kurzlebige Aufschwung und die baldige Schließung der Ramatex-Textilfabrik im nahezu ausschließlichen Profitinteresse eines ausländischen Konzerns ein warnendes Zeichen setzten, gilt vielleicht dasselbe für kernlose Tafeltrauben, die für die US-amerikanische und europäische Vorweihnachtssaison erzeugt werden. Wer profitiert wirklich von solchen Gelegenheiten, wie sie sogenannte Nischenmärkte bieten und wie tragen diese zu nachhaltiger Entwicklung bei?

Der Katalog dringend zu behandelnder Themen und Aufgaben müsste u.a. folgenden Problemen Rechnung tragen: nationale und regionale Ungleichheiten; die Verteilung von Produktionsmitteln, insbesondere von Boden; die Rolle einheimischer Märkte für lokal produzierte Güter (im Gegensatz zum Vorrang ausländischer Märkte und Importabhängigkeiten); die Verteilung öffentlicher Güter (einschließlich Wasser, Abwasserentsorgung und Gesundheit, aber auch Energie, Wohnraum und Bildung); sowie schließlich die Entwicklung von Strategien zur Konfliktlösung und zum Schutz der Grundrechte.

Die wirtschaftlich relevanten Themen einer solchen Agenda würden unter anderem folgende Bereiche umfassen: den Ausbau der physischen Infrastruktur (Straßen, Schienenverbindungen, Hafennutzung); die Gewährleistung der Mobilität von Menschen und Gütern (einschließlich Migration und Staatsangehörigkeitsrecht); Sicherung der Überlebenschancen aller Menschen durch Regelungen in den Bereichen Landnutzung. Zugang zu Wasser sowie Energieproduktion und -nutzung. Meistbegünstigungsklauseln sollten in diesem Kontext strikt auf die Mitgliedsstaaten der Subregion begrenzt sein, anstatt dass Sonderrechte und Privilegien an jene vergeben werden, die alte Bande der Freundschaft beanspruchen zu dürfen glauben.

Herausforderungen eines alternativen Entwicklungspfads

Diese Aufgaben machen es notwendig, sich von strukturell verfestigten globalen Handelsbeziehungen zu lösen. Stattdessen bedarf es einer Binnenorientierung mit nationalen und regionalen Komponenten; Anstrengungen, eine ökologisch nachhaltige (erneuerbare) Rohstoffbasis (Sonnen- und Windkraft) sicherzustellen, sowie einer lokalen und regionalen Wassermanagementpolitik, um allen Menschen Zugang zu sauberem Wasser zu ermöglichen. Diese Strategie würde dezentralisierte wirtschaftliche Aktivitäten für lokale und regionale Märkte fördern, um die Abhängigkeit von externen Faktoren wie ausländischen Direktinvestitionen, Rohstoffpreisen, Einnahmen von Touristen aus Übersee oder Zugang zu Märkten außerhalb der Region zu verringern.

Zuallererst jedoch bedeutet dies, die Rolle der gegenwärtigen politischen und wirtschaftlichen Eliten, der bislang Begünstigten sowie die Rolle des Entwicklungsstaates zu hinterfragen. Es sollte jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass die Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft dabei willige Kooperationspartner wären. Sozialer Wandel im Interesse der Mehrheit der Menschen wird kaum je (wenn überhaupt) freiwillig von oben eingeleitet. Dieser wurde in nahezu allen Fällen durch öffentlichen Druck und Forderungen von unten erzwungen. Daher wird der entscheidende lokale Aspekt in der Region des Südlichen Afrika die Kraft und Stärke der sozialen Bewegungen bleiben. In Abwandlung eines afrikanischen Sprichworts lässt sich daher schließen: Kümmere dich nicht zu sehr um die Elefanten (egal ob sie kämpfen oder sich lieben) - die Zukunft liegt im Gras.

(Der Autor ist Geschäftsführender Direktor der Dag-Hammarskjöld-Stiftung in Uppsala/Schweden.)

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-05-19

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