Eindrucksvolle Landschaftsbilder und rege Diskussionen

Das Wetter wollte dieses Jahr zum Wochenend-Seminar der Deutsch-Namibischen Gesellschaft (DNG) Anfang November in Erfurt nicht richtig mitspielen. So konnten sich die knapp 100 Teilnehmer auf das Seminar konzentrieren und gedanklich aus dem verregneten Deutschland in das warme, sonnige Namibia flüchten.

Die Tonbildschau "Bezaubernde Wüste - eine Reise in die unendlichen Weiten der Namib" von Helmut Gries war wieder ein Höhepunkt der Veranstaltung. Der exzellente Fotograf entführte die Zuschauer auf eine Tour von Windhoek über das Khomas-Hochland an die Küste nach Swakopmund und weiter über den Kuiseb-Pass zum NamibNaukluft-Park. Schöne Schattenspiele an den Dünengürteln zwischen Swakopmund und Walvis Bay, die kahlen Bäume in der Salzlandschaft des Dead Vleis, der eindrucksvolle Sternenhimmel über dem Fish River Canyon und Mak-roaufnahmen einer Puffotter oder eines Skorpions faszinierten die Zuschauer.

Aber die Teilnehmer kamen nicht nur, um das Land ihres Herzens zu bewundern, sondern auch um Informationen auszutauschen und zu diskutieren. So sorgte bereits der moderne Kurzfilm am Freitagabend "Africa Light - Gray Zone" mit seinen schnell wechselnden Bildern von Landschaft, Tieren und Armut und provozierenden Zitaten für einigen Diskussionszündstoff.

Am Sonnabend und Sonntag wurde über viele weitere interessante Themen referiert. Dr. Ingolf Dietrich, Referatsleiter "Südliches Afrika" im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), gab Aufschluss über die Situation der Entwicklungszusammenarbeit (EZ). Namibia sei weltweit das Land mit der größten Ungleichheit. Das Ziel der deutschen EZ sei es, die namibische Regierung bei der Umsetzung ihrer Entwicklungsstrategien zu unterstützen. Dafür habe sich das BMZ drei Schwerpunkte gesetzt: nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, Management natürlicher Ressourcen und Transport. Die Herausforderungen seien die oft sehr langwierigen Verfahrensweisen; die Koordinierung zwischen der namibischen Regierung und den Gebern; die Kapazitäten, wie Personalausstattung vor Ort sowie die Konsolidierung der Schwerpunkte für eine effizientere EZ.

Über das Für und Wider der "Roten Linie" referierte der Historiker Dr. Giorgio Miescher von den Basler Afrika Bibliographien und dem Namibia Resource Centre. Diese Linie quer durch den Norden des ganzen Landes stammt aus der deutschen Kolonialzeit und wurde 1960 mit einem über 1000 Kilometer langen Zaun gefestigt. Dieser sollte dazu dienen, die Ausbreitung der Maul- und Klauenseuche in den Süden Namibias zu verhindern. Er spiegelte aber auch die realen Machtverhältnisse wider. Auch heute würden viele in diesem Zaun noch einen "physischen Ausdruck der räumlichen Zweiteilung des Landes" sehen, erläuterte Miescher. Das Parlament beschloss deshalb seine Abschaffung bis 2015. Dabei gehe es für die Farmer im Norden auch um einen besseren Marktzugang.

Prof. Dr. Volker Gretschel von der UNAM sprach über die Zukunft der deutschen Spra-che in Namibia. Während Deutsch als Fremdsprache in den letzten Jahren nicht zu-rückgegangen sei, sei Deutsch als Muttersprache mittlerweile deutlich unterrepräsen-tiert. Ein Problem sei vor allem die Vermischung der deutschen Sprache mit Englisch oder Afrikaans, das daraus entstandene Südwesterdeutsch verdränge das Hoch-deutsch. Vor allem bei der jüngeren Generation sei dieses Problem ersichtlich, kaum einer von ihr spreche noch Hochdeutsch. "Der Countdown für den Fortbestand von Deutsch als Muttersprache in Namibia hat begonnen", erklärte er.

Am Sonntagvormittag referierte die Diplom-Kartographin Johanna Görlitz aus Dresden über die Notwendigkeit eines neuen Atlasses für Namibia. Für das Land seien momentan nur zwei Arten von Atlanten verfügbar, der Nationalatlas und der Straßenatlas. Bisher gebe es aber keinen topographischen Atlas, in dem die Landschaft mit Relief eingezeichnet ist und Berge, Täler und Nationalparks erkennbar sind. Vorgesehen ist deshalb eine Karte mit einem Maßstab von 1:450000, die vor allem Tourguides als Zielgruppe haben soll.

Für einen sehr interessanten Abschluss sorgte Dr. Oliver Ruppel von der UNAM, der das Thema "Rechtspluralismus und Gerichtsbarkeit in Namibia" genauer beleuchtete. Die größte Besonderheit sei die parallele Existenz eines "ordentlichen" Rechtssystems und des traditionellem Gewohnheitsrechts. Gesetzlich darf das traditionelle Recht an-gewendet werden, soweit es mit der Verfassung Namibias vereinbar ist. Daraus erge-ben sich auch einige Probleme: Die Verfassung ist sehr modern, Menschenrechte spielen eine wesentliche Rolle, während bei dem Gewohnheitsrecht Kinder und Frauen oftmals noch stark benachteiligt sind. Ein wichtiger Schritt diese Problematik anzugehen, seien Aufklärung und Bildung, erklärte Ruppel.

Das Seminar bot wieder viele Informationen und den Teilnehmern die Möglichkeit, alte Kontakte zu pflegen oder neue zu knüpfen.

Noreen Hirschfeld