Dominoeffekt ist unübersehbar - Hungersnot als letzte Folge
Die Satellitenfotos sind zauberhaft - und erschütternd zugleich: Sie zeigen den Tschadsee im Jahre 1963 - ein See so groß und weit wie ein Meer oder genauer: so groß wie Israel. Mächtige Barsche zogen die Fischer damals aus dem bis zu 25 Meter tiefen Wasser, das Menschen in vier Anrainerstaaten als Lebensgrundlage diente. Der Großteil des Sees lag damals noch in Nigeria; riesige Wasserflächen gehörten aber auch zum Niger, zu Kamerun und zum Tschad, der dem See seinen Namen gab. Selbst Krokodile gab es dort vor 50 Jahren noch zuhauf.
Der Kontrast zu den jüngsten Aufnahmen könnte größer nicht sein. Von 25000 Quadratkilometern ist der einst größte afrikanische Binnensee um über 90 Prozent auf jämmerliche 1300 Quadratkilometer geschrumpft. Von oben sieht er nun aus wie eine große Pfütze, umgeben von unwirtlichem Land. Nigeria und Niger haben in ihren Grenzen gar kein Wasser mehr. Wo sich einst die Dörfer wie die Perlen am Ufer des Sees aneinanderreihten, erinnern heute nur noch zerfallene Fischerboote auf dem Trockenen an ein Gewerbe, das Tausenden von Menschen ein Auskommen sicherte. Das größte Stück See gibt es heute im Tschad. Aber selbst dort müssen die Fischer, die einst direkt am Ufer lebten, oft mehr als eine Stunde laufen, um an sein Wasser zu gelangen.
Für die meisten Teilnehmer der Klimakonferenz, die seit über einer Woche im südafrikanischen Durban tagt und neue Ziele beim Abbau von Treibhausgasen verhandelt, ist die Sache einfach: Das Schrumpfen des Tschadsees ist für Viele der lebende Beweis dafür, dass sich Afrikas Umwelt allein wegen des Klimawandels dramatisch verändert. "Unseren Berechnungen nach werden in Afrika bis 2020 bis zu 250 Millionen Menschen Opfer von Wassermangel, der dem Klimawandel zuzuschreiben ist", sagt der Vorsitzende des Weltklimarats, Rajendra Pachauri. Allein die (bereits niedrigen) landwirtschaftlichen Erträge drohten vielerorts um 50 Prozent zu sinken. Die Zunahme von Unwettern, Überschwemmungen und Dürren belaste arme Länder im Besonderen.
Afrika, so ist der Tenor in Durban, zahlt die Zeche für den von den Industrienationen angerichteten Schaden. Dafür sollen diese Staaten und ihre Unternehmen nun zahlen. Ein "grüner Klimafonds", um den derzeit in Durban gestritten wird, soll den armen Ländern helfen, sich an die Auswirkungen des Klimawandels anzupassen. "Es ist eine Frage von Leben und Tod", mahnt Südafrikas Präsident Jacob Zuma.
Tausende zogen deshalb am Wochenende durch die südafrikanische Küstenmetropole, um gegen den Stillstand in der ersten Konferenzwoche zu protestieren.
Weder Zuma noch Pachauri sprechen jedoch davon, wie groß der Anteil direkter afrikanischer Eingriffe am afrikanischen Umweltdrama ist. Wissenschaftler wie Michael Coe und Jonathan Foley, die das Austrocknen des Tschadsees gründlich erforscht haben, sind überzeugt: Die Verwüstung rund um den See ist das Ergebnis einer fatalen Kombination aus Klimawandel und ungebremstem Bevölkerungswachstum. Immer höhere Temperaturen und damit verbunden immer weniger ergiebige Regenfälle sind demnach hauptverantwortlich für das Austrocknen des Sees. Gleichzeitig haben unzählige Bewässerungssysteme den Wasserspiegel stark abgesenkt - eine direkte Folge der Bevölkerungsexplosion, der Menschenballung auf kleinstem Raum. Je mehr Menschen hier leben, desto mehr Lebensmittel werden benötigt und desto größer ist die Wasserentnahme. Mehr als 25 Millionen Menschen sind heute für ihr Überleben auf den See angewiesen. Das Bevölkerungswachstum erhöht aber eben nicht nur seinerseits die Kohlendioxid-Emission, es führt auch zu einer immer stärkeren Plünderung der begrenzten Ressourcen in einer ökologisch extrem sensiblen Region. Die Sahelzone am Südrand der Sahara, in der auch der Tschadsee liegt, ist aber seit jeher eine Trockenzone, die nur eine sehr begrenzte Zahl an Menschen tragen kann.
Der Dominoeffekt ist jedenfalls unübersehbar: Nach dem See sind die Bäume und das Gras gestorben. Als Folge produzieren die Kamele der Dorfbewohner weniger Milch. Dürren führen zur Überweidung der letzten intakten Flächen, zu Erosion und zum Verlust der Pflanzendecke. Die notwendige künstliche Bewässerung entzieht dem See fortlaufend Wasser, das nie ersetzt wird. Hungersnöte sind schließlich die letzte Folge, im Extremfall so schlimm wie zur Jahresmitte am Horn von Afrika.
Satellitenbilder aus anderen Teilen Afrikas erzählen ähnlich bedrückende Geschichten. So sind die Gletscher in den majestätischen Ruwenzori-Bergen von Uganda zwischen 1987 und 2003 um mehr als 50 Prozent geschmolzen. Auch die Schneekappen auf dem Kilimandscharo, dem höchsten Berg von Afrika, gehen ständig zurück. Seit Beginn der Aufzeichnungen um 1912 ist die Eisdecke des 6000 Meter hohen Vulkans um fast 90 Prozent geschrumpft. Sollte der Prozess anhalten, wird der letzte Schnee schon in zehn Jahren verschwunden sein.
Aber auch Afrikas Regenwald gerät immer stärker unter Druck. Ein immer engeres Netz an Schotterstraßen frisst sich durch einst unzugängliche Waldgebiete, erschließt sie für Jäger, Siedler, Holzfäller. Nach Angaben des in Nairobi ansässigen UN-Umweltprogramms (Unep) verliert Afrika jedes Jahr mehr als vier Millionen Hektar Regenwald - zweimal mehr als der durchschnittliche Holzeinschlag in anderen Regionen. Die Auswirkungen auf den nun dem Sonnenlicht ausgesetzten Boden sind massiv. Längst haben es die Wissenschaftler deshalb aufgegeben, minutiös zwischen den Auswirkungen der Klimaerwärmung und dem von Menschen unmittelbar vor Ort angerichteten Schaden zu unterscheiden. Das Zusammenspiel von steigenden Temperaturen, Bevölkerungsdruck, chronischem Wassermangel und dem immer stärkeren Wettbewerb um Land und Boden erschwert das Gegensteuern. "Viele Kleinfarmer sind in die Waldgebiete vorgedrungen und schlagen dort alles nieder", heißt es in einer Unep-Studie über den Kilimandscharo. Dies ist vor allem deshalb so verheerend, weil der Regenwald seinen eigenen Regen erzeugt. Wo zum Beispiel Brandrodung betrieben wird, ist die verbliebene Vegetation trockener und damit auch sehr viel feueranfälliger. Unter solchen Bedingungen fließt Regen auch viel schneller ab - und wird nur noch selten vom Boden absorbiert, wenn er den wertvollen Mutterboden nicht ganz wegschwemmt.
Dass der Kampf um den Erhalt der letzten Regenwälder so schwierig ist, liegt auch daran, dass viele Afrikaner nicht einsehen, warum sie die Bäume nicht abholzen und meistbietend verkaufen sollen. Nachhaltiges Denken und Handeln spielt hierbei auch eine Rolle. Der Wald und damit das Holz gehört Allen - entsprechend scharf und schnell werden Interventionen von außen als "neokolonialistisch" gegeißelt. Schließlich habe der Westen zur eigenen Entwicklung auch seine Wälder abgeholzt, heißt es. Mit Finanztransfers, selbst in Milliardenhöhe, oder guten Vorsätzen allein wird das Sterben des Regenwalds aber kaum zu verhindern sein.
Der Kontrast zu den jüngsten Aufnahmen könnte größer nicht sein. Von 25000 Quadratkilometern ist der einst größte afrikanische Binnensee um über 90 Prozent auf jämmerliche 1300 Quadratkilometer geschrumpft. Von oben sieht er nun aus wie eine große Pfütze, umgeben von unwirtlichem Land. Nigeria und Niger haben in ihren Grenzen gar kein Wasser mehr. Wo sich einst die Dörfer wie die Perlen am Ufer des Sees aneinanderreihten, erinnern heute nur noch zerfallene Fischerboote auf dem Trockenen an ein Gewerbe, das Tausenden von Menschen ein Auskommen sicherte. Das größte Stück See gibt es heute im Tschad. Aber selbst dort müssen die Fischer, die einst direkt am Ufer lebten, oft mehr als eine Stunde laufen, um an sein Wasser zu gelangen.
Für die meisten Teilnehmer der Klimakonferenz, die seit über einer Woche im südafrikanischen Durban tagt und neue Ziele beim Abbau von Treibhausgasen verhandelt, ist die Sache einfach: Das Schrumpfen des Tschadsees ist für Viele der lebende Beweis dafür, dass sich Afrikas Umwelt allein wegen des Klimawandels dramatisch verändert. "Unseren Berechnungen nach werden in Afrika bis 2020 bis zu 250 Millionen Menschen Opfer von Wassermangel, der dem Klimawandel zuzuschreiben ist", sagt der Vorsitzende des Weltklimarats, Rajendra Pachauri. Allein die (bereits niedrigen) landwirtschaftlichen Erträge drohten vielerorts um 50 Prozent zu sinken. Die Zunahme von Unwettern, Überschwemmungen und Dürren belaste arme Länder im Besonderen.
Afrika, so ist der Tenor in Durban, zahlt die Zeche für den von den Industrienationen angerichteten Schaden. Dafür sollen diese Staaten und ihre Unternehmen nun zahlen. Ein "grüner Klimafonds", um den derzeit in Durban gestritten wird, soll den armen Ländern helfen, sich an die Auswirkungen des Klimawandels anzupassen. "Es ist eine Frage von Leben und Tod", mahnt Südafrikas Präsident Jacob Zuma.
Tausende zogen deshalb am Wochenende durch die südafrikanische Küstenmetropole, um gegen den Stillstand in der ersten Konferenzwoche zu protestieren.
Weder Zuma noch Pachauri sprechen jedoch davon, wie groß der Anteil direkter afrikanischer Eingriffe am afrikanischen Umweltdrama ist. Wissenschaftler wie Michael Coe und Jonathan Foley, die das Austrocknen des Tschadsees gründlich erforscht haben, sind überzeugt: Die Verwüstung rund um den See ist das Ergebnis einer fatalen Kombination aus Klimawandel und ungebremstem Bevölkerungswachstum. Immer höhere Temperaturen und damit verbunden immer weniger ergiebige Regenfälle sind demnach hauptverantwortlich für das Austrocknen des Sees. Gleichzeitig haben unzählige Bewässerungssysteme den Wasserspiegel stark abgesenkt - eine direkte Folge der Bevölkerungsexplosion, der Menschenballung auf kleinstem Raum. Je mehr Menschen hier leben, desto mehr Lebensmittel werden benötigt und desto größer ist die Wasserentnahme. Mehr als 25 Millionen Menschen sind heute für ihr Überleben auf den See angewiesen. Das Bevölkerungswachstum erhöht aber eben nicht nur seinerseits die Kohlendioxid-Emission, es führt auch zu einer immer stärkeren Plünderung der begrenzten Ressourcen in einer ökologisch extrem sensiblen Region. Die Sahelzone am Südrand der Sahara, in der auch der Tschadsee liegt, ist aber seit jeher eine Trockenzone, die nur eine sehr begrenzte Zahl an Menschen tragen kann.
Der Dominoeffekt ist jedenfalls unübersehbar: Nach dem See sind die Bäume und das Gras gestorben. Als Folge produzieren die Kamele der Dorfbewohner weniger Milch. Dürren führen zur Überweidung der letzten intakten Flächen, zu Erosion und zum Verlust der Pflanzendecke. Die notwendige künstliche Bewässerung entzieht dem See fortlaufend Wasser, das nie ersetzt wird. Hungersnöte sind schließlich die letzte Folge, im Extremfall so schlimm wie zur Jahresmitte am Horn von Afrika.
Satellitenbilder aus anderen Teilen Afrikas erzählen ähnlich bedrückende Geschichten. So sind die Gletscher in den majestätischen Ruwenzori-Bergen von Uganda zwischen 1987 und 2003 um mehr als 50 Prozent geschmolzen. Auch die Schneekappen auf dem Kilimandscharo, dem höchsten Berg von Afrika, gehen ständig zurück. Seit Beginn der Aufzeichnungen um 1912 ist die Eisdecke des 6000 Meter hohen Vulkans um fast 90 Prozent geschrumpft. Sollte der Prozess anhalten, wird der letzte Schnee schon in zehn Jahren verschwunden sein.
Aber auch Afrikas Regenwald gerät immer stärker unter Druck. Ein immer engeres Netz an Schotterstraßen frisst sich durch einst unzugängliche Waldgebiete, erschließt sie für Jäger, Siedler, Holzfäller. Nach Angaben des in Nairobi ansässigen UN-Umweltprogramms (Unep) verliert Afrika jedes Jahr mehr als vier Millionen Hektar Regenwald - zweimal mehr als der durchschnittliche Holzeinschlag in anderen Regionen. Die Auswirkungen auf den nun dem Sonnenlicht ausgesetzten Boden sind massiv. Längst haben es die Wissenschaftler deshalb aufgegeben, minutiös zwischen den Auswirkungen der Klimaerwärmung und dem von Menschen unmittelbar vor Ort angerichteten Schaden zu unterscheiden. Das Zusammenspiel von steigenden Temperaturen, Bevölkerungsdruck, chronischem Wassermangel und dem immer stärkeren Wettbewerb um Land und Boden erschwert das Gegensteuern. "Viele Kleinfarmer sind in die Waldgebiete vorgedrungen und schlagen dort alles nieder", heißt es in einer Unep-Studie über den Kilimandscharo. Dies ist vor allem deshalb so verheerend, weil der Regenwald seinen eigenen Regen erzeugt. Wo zum Beispiel Brandrodung betrieben wird, ist die verbliebene Vegetation trockener und damit auch sehr viel feueranfälliger. Unter solchen Bedingungen fließt Regen auch viel schneller ab - und wird nur noch selten vom Boden absorbiert, wenn er den wertvollen Mutterboden nicht ganz wegschwemmt.
Dass der Kampf um den Erhalt der letzten Regenwälder so schwierig ist, liegt auch daran, dass viele Afrikaner nicht einsehen, warum sie die Bäume nicht abholzen und meistbietend verkaufen sollen. Nachhaltiges Denken und Handeln spielt hierbei auch eine Rolle. Der Wald und damit das Holz gehört Allen - entsprechend scharf und schnell werden Interventionen von außen als "neokolonialistisch" gegeißelt. Schließlich habe der Westen zur eigenen Entwicklung auch seine Wälder abgeholzt, heißt es. Mit Finanztransfers, selbst in Milliardenhöhe, oder guten Vorsätzen allein wird das Sterben des Regenwalds aber kaum zu verhindern sein.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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