Dies gab es schon einmal

Die zweiwöchigen Schulschließungen führen zu pointierten Berichterstattungen und Leserbriefen. Auch bei unseren 3.und 5.-klassigen Enkeln erleben wir, wie diese mit Lern-E-Mails überschüttet werden. Teilweise werden die elektronischen Möglichkeiten extensiv genutzt. Die zuhause arbeiteten Eltern müssen einen breiten Spagat bewältigen, damit ihre Kinder den Anschluss nicht verlieren. Da ist es vielleicht gut, sich an Erfahrungen aus der Nachkriegszeit zu erinnern: Wir hatten keinen Unterricht von März – Dez. 1945, weil die Lehrer erst entnazifiziert werden mussten. In Darmstadt, meiner Heimatstadt, waren fast alle Schulen zerstört, so dass die wenigen noch nutzbaren Schulen im Vier-Schichtbetrieb genutzt wurden, d.h. 1. Schicht von 8 - 10.30 Uhr; 2. Schicht von 10.30 - 13 Uhr; 3. Schicht von 13 - 15.30 und dann von 15.30 - 18 Uhr und das im wöchentlichen Wechsel. Der Winter 1946/47 war extrem kalt und für die Schulen gab es keinen Koks, d.h. wir hatten mehrere Wochen „Kohleferien”, frei zum Schlitten fahren. Alle zwei Wochen wurden wir in die kalte Schule bestellt; der Lehrer hatte die Tafel vollgeschrieben mit Aufgaben, die wir auf unsere Tafeln abschreiben mussten, um sie bis zum nächsten Termin zu lösen. Eine Tafel voll Aufgaben, mehr ging nicht und Schulbücher hatten wir auch keine. In meinen Klassen waren wir immer über 50 „Buben” oder parallel 50 Mädchen. Wenn wir unsere 8-jährige Volksschulzeit auf Schulstunden zusammenrechnen, dürften vielleicht vier-fünf normale Schuljahre dabei herausgekommen. Nicht zu vergessen die Währungsreform 1948. Bei unserem 60-jährigen Schulentlassungstreffen, stellten wir fest: Wir haben unser Leben gemeistert. Schlimmer als zwischen 1940 und 1950 kann die Krise nicht kommen. Die heutigen Schüler bleiben hoffentlich gelassen und zuversichtlich.

Dr. Erwin Kreim, Mainz