Die Natur rächt sich: Der Jäger wird zum Gejagten

Betr.: „Leoparden-Angriff überlebt” (AZ, 13. April 2018) Dieser Fall gibt zu denken. Normalerweise jagen Raubkatzen auf Futtersuche Wild und nicht Menschen. Was mag das Tier zu diesem Schritt veranlasst haben? Ist der Jagdinstinkt durch Weglaufen geweckt worden? Nein. Großkatzen meiden den Menschen, denn sie gehen ihrem Feind, dem größten Raubtier, lieber aus dem Weg, wo der es auf ihr Fell abgesehen hat. Hier handelt es sich um eine Jagd mit umgekehrten Akteuren. Der Jäger wird zum Gejagten. Das Tier jagt den Menschen und wie bei Jagdsafaris üblich, hat der Jäger alle Vorteile. Der Leopard kauert unerkannt im Schutz der Dunkelheit am Erdboden, beobachtet sorgfältig das offene Fenster von dem Automobil, wo sich das Opfer verbirgt. Die Raubkatze nimmt jede Bewegung drinnen wahr und wartet, bis sich das Opfer in der Öffnung zeigt. Auf diese Gelegenheit wartet sie wie der Jäger in der Buschdeckung oder auf dem Hochsitz. Sie hat Zeit, ihr Opfer sitzt in der Falle und kann nicht weglaufen. Der ahnungslose Mensch hingegen hat keine Chance, dem Unheil zu entgehen. Er sieht nicht, was unter seinem Fenster im Ansitz lauert und hat keine Abwehrmöglichkeit. Als sein Kopf aus dem Fenster lugt und die Hände den Handgriff fassen, ist es bereits geschehen. Mit einem Satz schlägt die Großkatze zu und hängt mit ihren 100 kg am Opfer, aber die Frau zerrt auch. Wir kampierten vor Jahren einmal nachts auf Farm Niedersachsen am Kuiseb an einem Abhang auf freier Fläche inmitten der Savanne und haben, ohne eine Wache aufzustellen, friedlich des Nachts geschlafen – nur das Geheul zweier Schakale war in der Ferne zu hören. Während der Tagestour im Rivierbett am Rand des Naukluftparks sahen wir Fußspuren des Wildes und vereinzelt an Bäumen Kratzspuren, die die Anwesenheit des Leoparden anzeigen. Eine Übernachtung im Canyon haben wir uns erspart; denn das Wasser zieht das Wild an und dieses lockt den Leopard an. Nachts lagen die Berge weit entfernt. Was könnte die Raubkatze an der Kuiseb-Brücke nun zum Auflauern veranlasst haben, dem Menschen ins Gesicht zu springen, der sie ansonsten selten zu Gesicht bekommt? Das Tier hatte Hunger. Das Wildfleisch in der freien Wildbahn ist im einst wildreichen Südwestafrika rar geworden. Ganze Wildherden wurden vorzeiten ausgerottet. Das Wild wird gejagt, gewildert und vom Menschen wird auch sein Terrain besetzt, das seine Viehherden und wachsende Kinderzahl beanspruchen. Wenn das Fleisch auf vier Beinen fehlt, bleibt das übrig, was auf zwei Beinen umherläuft. Das ist eine Lektion aus dieser Leopardenattacke. Vor dem Menschen schuf der Schöpfer Flora und Fauna – zur Bewahrung. Was tun wir? Chinesen sitzen im Naturschutzpark nach Einladung der Regierung und bauen eine der Welt größten Minen auf, von dessen Gelände die Rohstoffe in die Welt gehen, z.B. nach Nordkorea. Nicht nur wird die Erde für kurzzeitigen Profit ausgebeutet, in der Küstenregion auf dem Territorium eines Urkontinents die Natur geplündert und ihr der Lebensraum zugunsten von Betonsilos genommen, die die Umwelt zerstören. Als wolle die Raubkatze dem Eindringling ihren Herrschaftsanspruch über ihre Bergheimat demonstrieren, wer seit Urzeiten in dem zerklüfteten Felsengelände zuhause ist, setzt sie sich noch auf dem Dach nieder und versucht, von oben ins Auto zu springen. Lernen wir aus dieser Lektion? Geingob will bis 2020 noch elf Minen für 4000 Arbeiter ansiedeln. Wenn aber die Mineralien abgebaut, der Minenbetreiber abgeflogen und die entlassenen Grubenarbeiter in zernarbter Landschaft voller Maulwurfshügel von Abraumhalden keinen wasserführenden Boden mehr finden, sind sie nicht nur arbeitslos, sondern ärmer als je zuvor. Die rekultivierten Landschaften von Rheinbraun AG westlich Köln kennt Afrika nicht. Wenn die Bevölkerung nicht lernt, statt immer mehr Kinder, die nicht arbeiten können oder Arbeit finden, mehr Kartoffeln und Gemüse zur eigenen Versorgung zu produzieren, hat das Wild keine Überlebenschance mehr. Sind die Vierbeiner verschwunden, geht es den Zweibeinern an den Kragen. Das ist eine weitere Lektion. Die Natur schlägt erst zurück, wenn der Mensch Naturgesetze missachtet; wenn er sein Mandat überschreitet, folgt das Gericht. Bernd Seefeldt, Swakopmund

Die Natur rächt sich: Der Jäger wird zum Gejagten

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2025-06-10

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