Deutsche Bibel zum Preis eines Pferdes
Dieser Vortrag stellte sich als hervorragende Ergänzung zu Bischof Burgert Brands (Evangelisch-Lutherische Kirche in Namibia) viel beachteten Ausführungen im gleichen Lokal Ende April heraus, als die Rolle Luthers als Reformator sowie dessen geistlich-politisches Vermächtnis vor der Ausstellung „Here I stand“ Gegenstand des Referats waren.
Gretschel bezeichnet Luthers Bibelübersetzung und überlieferte Richtlinien zur Methodik des Übersetzens (Sendbrief vom Dolmetschen 1530) als „größte Leistung in der deutschen Sprache“, die selbst die großen Klassiker Goethe und Schiller zurücklasse. Der Referent führte die Zuhörerschaft zunächst zum Schnittpunkt zwischen Mittelalter und Neuzeit, in welchen Luther hineingeboren war. Rund 60 Jahre vor Luther war das Schrifttum durch die Buchdruck-Kunst von Gutenberg revolutionär umgewälzt worden, wodurch bis zu Luthers Zeit bereits zehn bis zwölf Millionen Bücher gedruckt und in Umlauf gekommen waren, die die mühsame Anfertigung handschriftlich kopierter und verfasster Schreiben weitgehend abgelöst hatte.
In Luthers Zeitalter lösten sich aufgeklärte Kreise Europas vom Weltbild der Erde als Scheibe und erkannten durch Kopernikus und schließlich Galileo Galilei, dass die Erde kein Mittelpunkt des Universums, sondern ein Teil des Planetarsystems der Sonne ist. Wo sollte man nun Himmel und Hölle verorten?, wollte Gretschel wissen. „Nach 500 Jahren ist es schwierig, Luther zu würdigen“, so der Referent weiter. Er wolle es annähernd versuchen. Er sprach von der „neuen Kunst des Zweifelns, die auf die Peiniger gerichtet“ wurde, zum Beispiel die Verbrennung der päpstlichen Bulle (Urkunde) und die Behauptung seiner Standpunkte vor dem Reichstag, was zur Reichsacht führte und Luther vogelfrei machte.
Dennoch erfuhr Luther fürstlichen Schutz und fand 1522 getarnt als „Junker Jörg“ Schutz auf der Wartburg in Thüringen, wo er allen Ernstes mit der Bibelübersetzung ins Deutsche begann. „Eine Herkulesaufgabe vor der Kulisse von rund 300 deutschen Staaten und 50 freien Reichsstädten mit einem babylonischen Gewirr an Dialekten“, führt Gretschel aus. In Kirche und Wissenschaft benutzte man Latein. An deutschen Fürstenhöfen wurde hauptsächlich Französisch gesprochen. Wie kam es, dass trotz schon bestehender Bibelübersetzungen ins Deutsche seit über 50 Jahren vor dem Reformator ausgerechnet die Lutherbibel den Vorrang einnehmen sollte?, fragte Gretschel und erklärte: Luthers Devise lautete „zurück zu den Quellen“, also nicht nur zur aktuellen lateinischen Bibel, der Vulgata von 1516, sondern auch zu den klassischen griechischen und hebräischen Quellen, wozu die Übersetzer vor ihm offensichtlich nicht imstande waren. Auf dem Wege der Übersetzung hat Luther zuweilen drei, vier Wochen allein nach „einem Wort“ gesucht. An drei Zeilen aus dem Buche Hiob habe er vier Tage lang gerungen, so Gretschel.
Luther habe sich bewusst an der üblichen „Sprache der Gassen und der verräucherten Katen“ gehalten und habe nicht buchstäblich und wörtlich, sondern sinngemäß aus allen Quellen übersetzt. „Sein Sprachgebrauch war für manchen Klerus und manchen Aristokraten ein Affront“, erklärt Gretschel. Er nennt noch unzählige sprachschöpferische Beispiele Luthers in der Bildsprache, in Redewendungen, in idiomatischen Ausdrücken und Redensarten, die in die deutsche Alltagssprache geflosssen sind und heute nur selten zu Luther zurückverfolgt werden. Hier diente als Quelle auch das Evangelische Sonderblatt „Heimat“ vom 10. Mai 2017, das anlässlich der 12. Vollversammlung des Lutherischen Weltbunds in Windhoek vor Ort von der deutschsprachigen Evangelisch-Lutherischen Kirche herausgegeben worden war.
Die Prägung der Hochsprache durch den Reformator sieht Gretschel auch als eine begünstigende Voraussetzung, dass sich die deutschen Staaten 1871 zur Reichsgründung zusammenfinden konnten.
Eberhard Hofmann
Gretschel bezeichnet Luthers Bibelübersetzung und überlieferte Richtlinien zur Methodik des Übersetzens (Sendbrief vom Dolmetschen 1530) als „größte Leistung in der deutschen Sprache“, die selbst die großen Klassiker Goethe und Schiller zurücklasse. Der Referent führte die Zuhörerschaft zunächst zum Schnittpunkt zwischen Mittelalter und Neuzeit, in welchen Luther hineingeboren war. Rund 60 Jahre vor Luther war das Schrifttum durch die Buchdruck-Kunst von Gutenberg revolutionär umgewälzt worden, wodurch bis zu Luthers Zeit bereits zehn bis zwölf Millionen Bücher gedruckt und in Umlauf gekommen waren, die die mühsame Anfertigung handschriftlich kopierter und verfasster Schreiben weitgehend abgelöst hatte.
In Luthers Zeitalter lösten sich aufgeklärte Kreise Europas vom Weltbild der Erde als Scheibe und erkannten durch Kopernikus und schließlich Galileo Galilei, dass die Erde kein Mittelpunkt des Universums, sondern ein Teil des Planetarsystems der Sonne ist. Wo sollte man nun Himmel und Hölle verorten?, wollte Gretschel wissen. „Nach 500 Jahren ist es schwierig, Luther zu würdigen“, so der Referent weiter. Er wolle es annähernd versuchen. Er sprach von der „neuen Kunst des Zweifelns, die auf die Peiniger gerichtet“ wurde, zum Beispiel die Verbrennung der päpstlichen Bulle (Urkunde) und die Behauptung seiner Standpunkte vor dem Reichstag, was zur Reichsacht führte und Luther vogelfrei machte.
Dennoch erfuhr Luther fürstlichen Schutz und fand 1522 getarnt als „Junker Jörg“ Schutz auf der Wartburg in Thüringen, wo er allen Ernstes mit der Bibelübersetzung ins Deutsche begann. „Eine Herkulesaufgabe vor der Kulisse von rund 300 deutschen Staaten und 50 freien Reichsstädten mit einem babylonischen Gewirr an Dialekten“, führt Gretschel aus. In Kirche und Wissenschaft benutzte man Latein. An deutschen Fürstenhöfen wurde hauptsächlich Französisch gesprochen. Wie kam es, dass trotz schon bestehender Bibelübersetzungen ins Deutsche seit über 50 Jahren vor dem Reformator ausgerechnet die Lutherbibel den Vorrang einnehmen sollte?, fragte Gretschel und erklärte: Luthers Devise lautete „zurück zu den Quellen“, also nicht nur zur aktuellen lateinischen Bibel, der Vulgata von 1516, sondern auch zu den klassischen griechischen und hebräischen Quellen, wozu die Übersetzer vor ihm offensichtlich nicht imstande waren. Auf dem Wege der Übersetzung hat Luther zuweilen drei, vier Wochen allein nach „einem Wort“ gesucht. An drei Zeilen aus dem Buche Hiob habe er vier Tage lang gerungen, so Gretschel.
Luther habe sich bewusst an der üblichen „Sprache der Gassen und der verräucherten Katen“ gehalten und habe nicht buchstäblich und wörtlich, sondern sinngemäß aus allen Quellen übersetzt. „Sein Sprachgebrauch war für manchen Klerus und manchen Aristokraten ein Affront“, erklärt Gretschel. Er nennt noch unzählige sprachschöpferische Beispiele Luthers in der Bildsprache, in Redewendungen, in idiomatischen Ausdrücken und Redensarten, die in die deutsche Alltagssprache geflosssen sind und heute nur selten zu Luther zurückverfolgt werden. Hier diente als Quelle auch das Evangelische Sonderblatt „Heimat“ vom 10. Mai 2017, das anlässlich der 12. Vollversammlung des Lutherischen Weltbunds in Windhoek vor Ort von der deutschsprachigen Evangelisch-Lutherischen Kirche herausgegeben worden war.
Die Prägung der Hochsprache durch den Reformator sieht Gretschel auch als eine begünstigende Voraussetzung, dass sich die deutschen Staaten 1871 zur Reichsgründung zusammenfinden konnten.
Eberhard Hofmann
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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