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Der Millionär hinter dem "Slumdog"

Ein kleiner Junge rennt durch die Slums von Mumbai, kämpft sich durch Müll, hetzt vorbei an Wellblechhütten und rettet sich vor dem strömenden, eiskalten Regen zitternd in einen Container. Der kleine Junge heißt Jamal, ist ein ungebildetes, armes Waisenkind. Sein Schöpfer ist ein ganz anderer. Der indische Bestsellerautor Vikas Swarup schuf die Hauptfigur für den Erfolgsfilm "Slumdog Millionär".
Ein Diplomat in Südafrika, dessen Verwandte alle Anwälte sind, weiß trotz seiner Kaste das Elend in den indischen Slums zu beschreiben: "Alle Menschen sind gleich," erklärt Swarup, "Jeder macht im Leben die gleichen Erfahrungen wie Liebe, Hass, Erfolg und Enttäuschung: Ein armer Mann unterscheidet sich nicht von einem reichen Mann." Als Swarup die Buchvorlage "Q&A", auf Deutsch als "Rupien Rupien" publiziert, schrieb, malte er sich in seiner Fantasie aus, wie sich Armut und Hunger anfühlen müssen.
So entstand die Figur von Ram Mohammed Thomas alias Jamal. Es ist nur eine der wenigen Änderungen, die Simon Beaufoy für das Drehbuch konstruierte. Ist der Name doch einer der Gründe, warum der Roman ein internationales Publikum anspricht und bisher schon in 41 Sprachen übersetzt wurde. Mit Ram Mohammed Thomas sollen sich Hindus, Moslems und Christen identifizieren können. Viel wichtiger ist jedoch sein Hintergrund: Es ist die klassische Geschichte eines "Underdogs", der zum Gewinner wird. "Man kann das überall finden - auch in Amerika und Europa. Daher finden ihn Leser auf der ganzen Welt sympathisch", erklärt der Autor.
Es ist der Kinoerfolg des Jahres, der bei Preisverleihungen wie den Golden Globes und dem Oscar groß gefeiert wurde: "Slumdog Millionär" - die Geschichte des 18-Jährigen Jamals, der trotz seines geringen Wissens die Quizshow "Wer wird Millionär" gewinnt. Jamal wird verhaftet und verhört. Ihm wird vorgeworfen, die Produzenten der Sendung betrogen zu haben. Die Antworten auf die Fragen weiß er von zwölf außergewöhnlichen Ereignissen in seinem Leben. Ein Schnitt durch seine Vergangenheit als Waisenkind in den Slums von Mumbai beginnt.
Jamals Geschichte spielt in Indien, wird erzählt von indischen Schauspielern. Und doch ist dies keine indische Geschichte. Die Geschichte und die Charaktere finde man überall - nicht nur in Indien: "Diese Geschichte kann sich in allen Ländern und allen Kulturen wieder finden," sagt Swarup. Aus diesem Grund ist das Buch keine Bollywood-Verfilmung geworden, auch wenn Swarup nach dem Verkauf der Rechte an Regisseur Danny Boyle auch Anfragen aus Indien und Japan bekam. Schon ein Jahr vor der Veröffentlichung seines Werkes verkaufte der Diplomat die Filmrechte, Drehbuchautor Simon Beaufoy lobte sein Werk und machte doch schnell klar: "Dein Buch braucht Veränderungen." Die Finanzen, um die gesamte Geschichte zu erzählen, fehlten. "Ich wusste, dass sich Buch und Film unterscheiden werden, aber die Struktur blieb dieselbe."
Vikas Swarup gab seine Zustimmung zu den Änderungen für das Drehbuch. Auch wenn die Geschichte fast gleich bleibt, wird die Botschaft doch zu einer anderen: Das Buch handelt von Glück, der Film von Schicksal. Das sei der wohl größte Unterschied zwischen den beiden Medien, findet Swarup: "Mein Buch erzählt davon, dass sich jeder die gleiche Art von Glück aufbauen kann. Der Film wirft die Frage über das Schicksal auf und zeigt, dass Schicksal individuell ist."
Swarup ist sich über die Unterschiede bewusst und behält sich doch in Gedanken: Der Film ist ein anderes Medium als das Buch. Swarup steht hinter dem Film: Er findet die Schauspieler brillant, liebt den Musikmix aus Hip Hop, Soul und Raggae, dessen Kern doch indisch bleibt, und ist beeindruckt, welche Bilder der Regisseur mit einer originellen Kameraführung von Mumbai kreieren konnte. Es ist ein Risiko gewesen, doch auch Swarup sieht es als Gewinn, dass nicht der ganze Film synchronisiert wurde. Einige Szenen laufen mit Untertiteln. "Es wäre langweilig und künstlich, alle Szenen zu übersetzten. Untertitel sind ein Risiko, aber ich bin glücklich über sie, denn nicht alle indischen Kinder sprechen Englisch," erklärt Swarup. Den Produzenten sei von Beginn an klar gewesen, dass der Film eine Liebesgeschichte sein soll - Swarups Buch erzählt die Geschichte vom Leben. Und doch sieht er die Liebesgeschichte nicht als Fehler der Produzenten, denn er trennt sein Buch klar von der Verfilmung.
Trotzdem gibt es einiges, was Swarup beibehalten hätte. "Ich hätte alles vom Glück abhängig gemacht und den Titel beibehalten," sagt Swarup. Denn auch den haben die Produzenten geändert. Trotzdem ist Swarup zufrieden mit dem neuen Titel. Es gäbe wohl viele Menschen, die Jamal einen "Slumdog" nennen würden. " "Q&A" ist ein mysteriöser Titel. Es steht für "Questions and Answers" (Fragen und Antworten). Aber "Slumdog Millionär" ist provokanter."
Sehr unzufrieden ist er aber über den Streit zwischen Religionen. Im Film macht eine Schar von Hindus den muslimischen Jamal zum Waisen. Das widerspreche ganz Swarups harmonischer Darstellung. Immerhin wurden alle Inder durch den Erfolg des Films mehr in den Unterhaltungssektor integriert, glaubt er. Features wie Musik oder Ton wurden von Indern gemacht. "Der Film hat der Welt gezeigt, dass wir einige Talente haben," sagt Swarup überzeugt.
Aber nicht nur Indien, sondern auch Vikas Swarup selbst genoss den Kinoerfolg: "Ich war so stolz zu der Oscarverleihung, dem größten Filmpodium der Welt, zu gehen." Vikas Swarup ist durch seine Position als Diplomat einen Bekanntheitsstatus gewohnt - das Treffen mit den Kinostars genoss auch er. "Es war fantastisch, Stars wie Robert de Niro und Julia Roberts zu sehen. Aber sobald man im Kodak Theatre ist, ist man genauso ein Gast wie sie," erzählt er fasziniert. Den Erfolg von Buch und Film in solchen Dimensionen zu erleben, ist für den bekannten Diplomaten trotzdem ein besonderes Erlebnis. "Es ist bezaubernd, so vielen Menschen mit meinen Roman Freude zu schenken," sagt Vikas Swarup über den weltweiten Erfolg.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2025-06-15

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