Der Getriebene aus Onheleiwa
Von Florian Gontek und Robby Echelmeyer, Windhoek
Elf Uhr ist vereinbart. Joel Matheus ist zehn Minuten früher da. Gut gelaunt, federnder Schritt: Blaues Hemd, beige Hose, graue Trekkingschuhe. Ein passionierter Volleyballer. 1,90 Meter, nicht sonderlich lang für einen Außenangreifer, wie Matheus einer war. Breit wie ein Boxer ist der Mann, der gebürtig aus Onheleiwa, einem Dorf im Norden des Landes stammt. Seine Zähne blitzen blütenweiß, wenn er lacht. Matheus hat viel zu lachen momentan. Sein Projekt rauscht rasant wie ein D-Zug - und immer mehr springen auf.
Seit 19 Jahren spielt Matheus Volleyball. Nationalspieler in der Halle und auf dem Sand. Begonnen hat alles in der Auswahl der Jan Jonker Afrikaner High School. Bevor er von den namibischen Streitkräften (NDF) als Spielertrainer abgeworben wurde, schmetterte er für den Spartan Volleyball Club und die Revivals - beides Vereine aus Katutura, wo er heute mit seiner Familie lebt.
Hier steht nun eines von vier Volleyball-Leistungszentren Namibias, die Matheus mit Geldern der Fédération Internationale de Volleyball (FIVB) in den vergangenen Monaten hochgezogen hat. Auch in Katima Mulilo, Rundu und Oshakati gibt es solche Kaderschmieden. Jede einzelne funktioniert komplett autark und hat zwei hauptamtliche Coaches, die Management und Training organisieren. Der namibische Verband unterstützt strukturell und mit seinem Know-how. Jeden Monat muss berichtet werden, ob die projektbezogenen Ziele erreicht sind - nur dann gibt es Geld. Je besser die Vorgaben umgesetzt werden, desto höher ist letztendlich auch die finanzielle Unterstützung. Ergebnisorientiert - nicht mehr, nicht weniger.
Das Tempo, das der Vater zweier Kinder dabei vorgelegt hat, ist rasant. Es sind viele kleine Schritte, die Matheus macht. Gut Ding will Weile haben. Der aber gibt sich als Hans Dampf in allen Gassen - ein Getriebener.
Der NVF-Präsident hat in den wenigen Monaten seiner Amtszeit vier Performance-Zentren aufgebaut, in denen mittlerweile 200 junge Sportler zwischen acht und 14 Jahren dreimal in der Woche auf Top-Niveau getrimmt werden sollen. Strukturen für Schul-Ligen werden gerade geschaffen, sie sollen im nächsten Jahr starten. „Hier liegen die größten Möglichkeiten, diesen Sport nach vorne zu bringen“, weiß Matheus - bislang gab es für Jungen und Mädchen kaum Gelegenheit, organisierten Volleyball zu spielen.
Das alles ist ein wesentlicher Teil des Planes, den Matheus verfolgt. Er hat dafür die Satzung des Verbandes geändert. Alles hinterfragt. Nun hat jede regionale Zone ein eigenes Komitee sowie Schiedsrichter- und Trainerkommissionen - Dezentralisierung. Eines von Matheus` Zauberwörtern - nicht nur an diesem Tag.
Basierend darauf hat er im Seniorenbereich ein System aus fünf Regionalstaffeln geschaffen, die die verstaubte Nationalliga ersetzen. Im Juni letzten Jahres, kurz nach seinem Antritt, wurde er für diese Idee ausgelacht - ein Dampfplauderer, meinten viele.
Heute floriert das System in Khomas (Central Region), Erongo, Sambesi, Kavango sowie im hohen Norden. Hier stellen Regionen wie Oshikoto, Oshana oder Kunene die mitgliederstärkste Regional-Liga, in der sechs Damen- und zehn Männer-Teams gegeneinander antreten. Nächstes Jahr stößt die Region Omaheke hinzu. Die südlichen Landesteile Hardap und Karas sind die einzigen weißen Flecken auf der namibischen Volleyball-Karte. In diesen Regionen Strukturen zu schaffen, sieht Matheus als riesige Herausforderung - dann hätte er ein erstes Ziel erreicht: Namibia, eine Volleyball-Nation.
Der hiesige Meister wird kommenden Monat in der Endrunde des NVF-Cups gesucht - hier spielen die besten zwei Teams aller Zonen gegeneinander. Dominiert wird der Wettbewerb von NDF-Teams - ihr Chefcoach: Matheus. „Ich habe lange überlegt, ob ich den Präsidenten-Job machen möchte. Meine wahre Leidenschaft ist es, Trainer zu sein, das gibt mir unglaublich viel“, sagt der FIVB-Level-III-Inhaber. Wichtig sei hier auch die Balance. Nun habe es sich als großer Vorteil herausgestellt, die Kontakte seiner NDF-Tätigkeit nutzen zu können, ist sich Matheus mittlerweile sicher. Interessenskonflikte, die er anfangs befürchtete, kann er bislang nicht bestätigen.
Während er den Job als NVF-Präsident auf freiwilliger Basis macht, verdient er seit 2002 als Coach der NDF-Teams sein Geld. „Als ich damals anfing, gab es dort ein Team, mittlerweile sind es landesweit elf.“
Matheus führt solche Sätze an, um zu zeigen, wie gigantisch das Potenzial ist, das Volleyball in Namibia besitzt. Das gilt auch für den Schulsport, wo nun durch die Namibian School Sports Union (NSSU) eine erste Prüfung dessen durchgeführt werden soll, was erreicht werden kann. „Wir haben die Regional-Ligen in wenigen Monaten auf die Beine gestellt. Bei den Schülermannschaften ist es ähnlich. Wenn wir ihnen einen Ball und ein Netz zur Verfügung stellen, sind sie sofort startklar - ihre Motivation ist unglaublich.“ Auf Schulniveau soll der Anfang gemacht, die Basis gelegt werden. Der Feinschliff soll später in den Performance-Zentren folgen. Wichtig ist Matheus erst einmal eines: die Massen zu aktivieren. Auch der Schulsportverband soll in jeder Zone vertreten sein, um auch hier Regional-Ligen zu schaffen. Da ist es wieder, das Zauberwort: Dezentralisierung.
Als der Ex-Nationalspieler im Juni vergangenen Jahres seinen Dienst antrat, waren in der hiesigen Liga 200 Spieler registriert - heute sind es 1300. Matheus schätzt die Zahl derer, die regelmäßig spielen, dreimal so hoch. „Viele wissen überhaupt nicht, dass sie sich beim Verband einschreiben können. Wir müssen unser Konzept über die Medien an die Massen bringen“, sagt der in Soweto lebende Funktionär. Fasst man die Aktiven in den Verbandsstrukturen und auf privater Ebene zusammen, schätzt der NVF-Präsident, so liege die Zahl schon bald bei über 10000 Sportlern.
Das Geheimnis, seinen Plan auch auf internationaler Ebene auszuweiten, liege laut Matheus darin, den Breitensport zu fördern und den Top-Athleten im Land die Möglichkeit zu geben, auf höchstem Niveau zu spielen und zu trainieren. Dabei behält er auch den Sports Plan, das Langzeitprojekt des namibischen Dachverbandes, im Blick. „Die Kommission muss den Fokus ihrer Förderung auf wenige Sportarten legen, um Erfolg zu haben. Sollten wir davon nicht als Top-Ten-Nation profitieren, wirft uns das nicht um. Dann arbeiten wir umso härter.“ Ziel sei es, Namibia wieder zu einer Sieger-Nation zu formen - auch über die Landesgrenzen hinaus. Dies gehe nur mit Leistung.
Die Förderprogramme, die Matheus auf nationaler Ebene kreiert hat, sind die Basis dafür. Erfolg definiert sich für den Ovambo nicht nur durch Titel. Erfolg hat für ihn viele Facetten. „Steigende Mitgliederzahlen und die Tatsache, dass wir Kinder und Jugendliche von der Straße holen, sind für uns ebenso wichtig. Wir wollen internationalen Erfolg, aber das wird nicht über Nacht passieren.“
2028, das ist die magische Zahl, auf die er seine Arbeit, sein gesamtes Projekt ausgerichtet hat. „Da müssen wir als Nation hinterstehen.“ Olympia ist ein gewagtes Ziel. Auch Matheus sagt das. „Warum sollten wir es nicht schaffen?“, fragt er in den Raum. „Wir haben einen Plan.“
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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