Der Aufschrei
Mehrfach belegt und anlässlich der Gedenken an 1904 auch in Namibia wieder zu erfahren - die weit verbreitete Haltung: "Afrika kann nur Opfer sein: der Sklavenhandel, die Kolonisation, die Apartheid, die Verschlechterung der Handelsbedingungen und die Verschuldung beweisen doch, dass der Hauptteil der Verantwortung nicht in, sondern außerhalb von Afrika liegt ... Die Afrikaner sind die einzigen Menschen auf der Welt, die noch meinen, dass sich andere als sie selbst um ihre Entwicklung kümmern müssen." - Zitat von der Ökonomin Axelle Kabou aus Kamerun.
In den 70-er und 80-er Jahren diente die Apartheid in der Oppositionspolitik als Hauptaufhänger für alle Miss-Stände - in der Erkenntnis des tatsächlichen, aber auch des vermeintlichen Zusammenhangs. Die Grenze zwischen wirklichem und eingebildetem Unrecht blieb verwischt. Im Kampf um und im Streben nach der Unabhängigkeit kam es zu der Zeit nicht auf feine Differenzierung an. Folglich bildete sich unter der Apartheid zum Beispiel auch in der Befreiungstheologie ein Martyrium heran, das einerseits die wirklichen Härten der Rassendiskriminierung behandelte und dagegen mutig protestierte, andererseits aber Leiden - suffering - vortäuschte, wo es das in Wirklichkeit nicht gab.
Nach der Abschaffung der Apartheid und im Zuge der subtilen Wiedereinführung neuerlicher Rassendiskriminierung besteht jedoch stets das Bedürfnis, die Opferrolle zu pflegen. Also wird auch das Gedenken an die Kriegsgeschehnisse von 1904, an den gewaltigen Verlust an Menschenleben unter Herero und Nama, an den Schießbefehl Von Trothas und an ermordete Kolonisten und gefallene Schutztruppler eine sehr gemischte Erfahrung. Das Spektrum reicht von aufrichtiger Erinnerung und dem Willen zu verstehen, woher wir kommen, wo wir stehen und wohin wir mit den Erkenntnissen der Vergangenheit auf dem Weg sind. Und wohin wir nicht (wieder) gehen sollen. Das Spektrum erstreckt sich weiter bis zu den Erklärungsmühlen und, die im Gedenken lediglich die Opferrolle suchen (und finden) oder sich an der Völkermordthese und der Forderung nach einem bundesdeutschen Schuldgeständnis festbeißen.
Jede Variante des Gedenkens steht gleichermaßen in der Ohnmacht, Geschehenes nicht ungeschehen machen zu können. Der Unterschied liegt jedoch darin, ob wir die Herausforderung annehmen, Formen konstruktiven Erinnerns zu finden, oder in der Lähmung des selbst auferlegten Martyriums stecken bleiben und über unser Wehklagen nicht hinauskommen. Entweder hocken wir mit unserer alten Geschichte wie der Arbeitslose an der Straßenecke und fordern und hoffen, dass uns endlich jemand mitnimmt, oder wir stehen auf und gestalten eigene, zukunftsweisende Zeitgeschichte - hier in Namibia.
Etliche der Kritiker der Resolution des Deutschen Bundestags "Zum Gedenken an die Opfer des Kolonialkrieges im damaligen Deutsch-Südwestafrika" (16. Juni 2004) hocken tatsächlich noch an (in) der Ecke.
In den 70-er und 80-er Jahren diente die Apartheid in der Oppositionspolitik als Hauptaufhänger für alle Miss-Stände - in der Erkenntnis des tatsächlichen, aber auch des vermeintlichen Zusammenhangs. Die Grenze zwischen wirklichem und eingebildetem Unrecht blieb verwischt. Im Kampf um und im Streben nach der Unabhängigkeit kam es zu der Zeit nicht auf feine Differenzierung an. Folglich bildete sich unter der Apartheid zum Beispiel auch in der Befreiungstheologie ein Martyrium heran, das einerseits die wirklichen Härten der Rassendiskriminierung behandelte und dagegen mutig protestierte, andererseits aber Leiden - suffering - vortäuschte, wo es das in Wirklichkeit nicht gab.
Nach der Abschaffung der Apartheid und im Zuge der subtilen Wiedereinführung neuerlicher Rassendiskriminierung besteht jedoch stets das Bedürfnis, die Opferrolle zu pflegen. Also wird auch das Gedenken an die Kriegsgeschehnisse von 1904, an den gewaltigen Verlust an Menschenleben unter Herero und Nama, an den Schießbefehl Von Trothas und an ermordete Kolonisten und gefallene Schutztruppler eine sehr gemischte Erfahrung. Das Spektrum reicht von aufrichtiger Erinnerung und dem Willen zu verstehen, woher wir kommen, wo wir stehen und wohin wir mit den Erkenntnissen der Vergangenheit auf dem Weg sind. Und wohin wir nicht (wieder) gehen sollen. Das Spektrum erstreckt sich weiter bis zu den Erklärungsmühlen und, die im Gedenken lediglich die Opferrolle suchen (und finden) oder sich an der Völkermordthese und der Forderung nach einem bundesdeutschen Schuldgeständnis festbeißen.
Jede Variante des Gedenkens steht gleichermaßen in der Ohnmacht, Geschehenes nicht ungeschehen machen zu können. Der Unterschied liegt jedoch darin, ob wir die Herausforderung annehmen, Formen konstruktiven Erinnerns zu finden, oder in der Lähmung des selbst auferlegten Martyriums stecken bleiben und über unser Wehklagen nicht hinauskommen. Entweder hocken wir mit unserer alten Geschichte wie der Arbeitslose an der Straßenecke und fordern und hoffen, dass uns endlich jemand mitnimmt, oder wir stehen auf und gestalten eigene, zukunftsweisende Zeitgeschichte - hier in Namibia.
Etliche der Kritiker der Resolution des Deutschen Bundestags "Zum Gedenken an die Opfer des Kolonialkrieges im damaligen Deutsch-Südwestafrika" (16. Juni 2004) hocken tatsächlich noch an (in) der Ecke.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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