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Das zerfallene Land Somalia

Erst wurde eine französische Luxusyacht mit 30 Franzosen an Bord gekapert, dann ein ukrainischer Frachter mit 30 Kampfpanzern. Nun ist den somalischen Piraten mit der Entführung des saudischen Supertankers Sirius der ultimative Schlag gelungen. Voller Sorge schaut die Welt wieder einmal auf das Horn von Afrika. Dabei ist der jüngste Zwischenfall nur ein weiterer in einer langen Reihe ähnlicher Entführungen. Fast 100 Überfälle hat es seit Jahresbeginn vor der Küste Ostafrikas gegeben. Die dreiste Entführung des Supertankers führt der Welt nun vor Augen welche Bedrohung der Zusammenbruch des Staates Somalia darstellt. Denn sein Kollaps ist der eigentliche Grund für die nun aus dem Ruder gelaufenen Piraterie.
Dass die knapp zwei Dutzend Kriegsschiffe, die zehn Nationen bislang in die Region entsandt haben, die Seeräuberei stoppen können, halten Fachleute für ausgeschlossen. Neben der Unwirtlichkeit und Länge der somalischen Küste liegt ein weiterer Grund darin, dass die Piraterie längst zu einem einträglichen Erwerbszweig geworden ist, der vor allem ehemaligen Fischern Lohn und Brot bietet. Inzwischen lockt das Geschäft aber auch immer öfter Gangster aus der somalischen Hauptstadt Mogadischu an. Die hohen Summen, die inzwischen im Spiel sind, dürften auch die Untätigkeit der Behörden in der Region Puntland erklären, wo die Piraten die von ihnen entführten Schiffe ankern.
"Eine rein militärische Lösung wird es deshalb auch nicht geben", sagt Andrew Mwangura, ein langjähriger Kenner der Piraterie in der Region. Mwangura ist überzeugt: Solange das chaotische Somalia nicht zur Ruhe komme, ist die Seeräuberei nicht zu stoppen. Doch genau darauf deutet zurzeit wenig hin. Beobachter sind der Ansicht, dass die Piraten zwar keine direkte Verbindung mit den aufständischen Islamisten in Somalia haben, aber diesen vermutlich Geld zahlen, um die für die Piraterie benutzten Küstenstreifen ohne Störungen nutzen zu können. Das dafür gezahlte Geld dürfte oft in den Ankauf neuer Waffen fließen - und den Bürgerkrieg schüren.
Unter Experten besteht kein Zweifel daran, dass die Piraterie eine direkte Folge des langen Machtvakuums in Somalia ist. Dessen weitgehend machtlose Übergangsregierung hat weder das Freibeutertum noch das Neuaufflammen des islamistischen Widerstands verhindern können, der zum Teil mit Al Quaida in Kontakt steht. Die Islamisten haben inzwischen wieder einen Gutteil des unwegsamen Südsomalias erneut unter ihre Kontrolle gebracht, darunter auch die Hafenstadt Kismayo. Hunderttausende Zivilisten sind derweil vor neuen heftigen Kämpfen aus Mogadischu geflohen. Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen sind im Zuge dieser Kämpfe über 9000 Menschen in den letzten 12 Monaten ums Leben gekommen.
Einziger Hoffnungsschimmer sind die von der Uno vermittelten Friedensgespräche zwischen der Übergangsregierung und einem moderaten Flügel der Islamisten. Ziel dieser in Dschibuti geführten Verhandlungen ist die Bildung einer Einheitsregierung aus beiden Gruppen für die im nächsten Jahr geplanten Wahlen. Vorbedingung dafür ist aber wiederum der Abzug der etwa 7000 Mann starken Truppen aus dem Nachbarland Äthiopien. Diese sollen nach dem Wunsch der Uno von 8000 Blauhelmen ersetzt werden.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2025-06-13

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