Das verbotene Land

Von Milena Schwoge, LüderitzbuchtDer deutsche Eisenbahnangestellte August Stauch und sein Mitarbeiter Zacharias Lewala taufen das Gebiet außerhalb von Lüderitzbucht daraufhin das Märchental. In ihm graben die Glücksritter eimerweise Diamanten aus dem Sand. Rund 1,3 Millionen Karat lesen sie mühelos von der Erde auf. Nach dem Abbau sind es sogar 6,1 Millionen Karat. Von dem einstigen Diamantenboom, der im 20. Jahrhundert im südlichen Namibia viele mit einem Arbeitsplatz versorgte, ist heute jedoch nur noch ein Bruchteil übrig.„Sperrgebiet. Kein Zutritt ohne Erlaubnisschein. Übertreter werden verfolgt“, steht es in fett gedruckten Buchstaben auf dem Warnschild. Doch auch ohne die drohenden Worte wirkt die mit Stacheldraht versehene Grenze abschreckend. Der Weg ins Diamant-Sperrgebiet führt über eine ruckelnde Schotterpiste. Rund 100 Kilometer breit und knapp 300 Kilometer lang erstreckt sich der wertvolle Wüstenstreifen im südlichen Namibia. Die gesamte Region umfasst eine Fläche von rund 26 000 Quadratkilometern und reicht von der Mündung des Oranje bis hin zum Namib-Naukluft-Park. Es ist ein verbotenes Land, das nur noch mit viel Fantasie an die damaligen Glanzzeiten erinnert.Die Spuren der teuren Steine sind im Sand weitgehend verflogen. In der heutigen Geisterstadt Pomona wurden noch bis vor wenigen Jahrzehnten massenhaft Diamanten gewonnen. Arbeiter schaufelten den Sand in Loren. Anschließend wurde das Material in Waschhäusern in Sieben mit viel Wasser gespült. Zurück blieben schwere Edelsteine. Inzwischen leben in der Minenstadt nur noch Springböcke, Oryx und gelegentlich braune Hyänen.Spuren im SandWer durch Pomona fährt, kann die vielen Siebe noch sehen. Geordnet liegen sie neben dem Waschhaus, fast so, als warteten sie darauf, wieder zum Einsatz zu kommen. Der Rest der Anlage ist dagegen in sich zusammengefallen. Meterhoher Sand vergräbt die Geräte unter sich, Türen ragen wild aus ihrer Halterung und machen zusammen mit den lose im Raum hängenden Balken das Waschhaus zu einem Einsturz gefährdeten Gebäude.Dabei begann das funkelnde Wunder einst so vielversprechend: Der Thüringer August Stauch, ein armer Streckenwärter mit dem Auftrag, die Schienen frei von Sand zu halten, bekam 1908 von seinem Mitarbeiter Zacharias Lewala einen glänzenden Stein gebracht. Nachdem sich der Hobby-Mineraloge von einem Geologen dessen fünfprozentigen Diamantanteil hatte nachweisen lassen, verschwand der Fund zunächst für zwei Wochen in seiner Hosentasche. Noch bevor das Gebiet vom Deutschen Reich zum Diamantsperrgebiet erklärt wurde, sicherte sich Stauch mehrere Claims und wurde zu einem vermögenden Mann. Er investierte in vielfältige Unternehmen, doch verlor 1931 in der Weltwirtschaftskrise sein gesamtes Vermögen. „Mit der Zeit haben sich auch andere Menschen ein Schürfrecht gesichert. Das Gebiet wurde eingegrenzt und Nummern von der Deutsch-Afrika-Bank herausgegeben“, erinnert sich Gisela Schmidt-Scheele. Sie arbeitet als Touristenführerin in Kolmanskuppe, einer der ersten und bekanntesten Minenstädte. Aufgrund der recht niedrigen Einwohnerzahl galt Kolmanskuppe damals als die Stadt mit dem höchsten Pro-Kopf-Vermögen. Während die Männer auf der Suche nach Diamanten tagsüber auf die Felder zogen, gingen die Frauen dem Haushalt nach. „Es gab alles in Kolmanskuppe. Das Angebot reichte vom Bäcker über eine Eisfabrik und ein Krankenhaus bis hin zu einer Turnhalle und Kegelhalle. Es haben nur diejenigen mit den besten Qualifikationen dort gearbeitet“, berichtet Schmidt-Scheele.Die Arbeit auf den Diamantenfeldern war für die Männer körperlich sehr anstrengend. Verträge hatten in der Regel eine Laufzeit von 18 Monaten. „Es war eine harte Zeit, aber die Gastarbeiter aus dem Ovamboland haben dort dreimal so viel Geld wie auf einer Farm verdient. Deshalb wollten sie auch immer wieder arbeiten“, erklärt Heinz Manns. Die Großeltern des Lüderitzbuchters, Hertha und Edmund Manns, lebten beide in Kolmanskuppe, sein Onkel Heinz arbeitete in Elisabethbucht.Abwanderung der GlückssucherSo schnell der Reichtum damals kam, so schnell war er auch wieder vorüber. Die Vorkommen waren bald ausgebeutet. „Heute sind nur noch etwa drei Prozent von dem damaligen Reichtum übrig“, sagt Eric Elia. Als Touristenführer bei der Agentur Coastways Tours nimmt er regelmäßig Besucher mit in das Sperrgebiet und klärt sie über dessen Vergangenheit auf.Während die Gäste Fotos machen und das Gebiet eigenständig erkunden, blickt Elia suchend auf den Boden. „Man kann nie wissen. Vielleicht wurde ja doch noch ein Diamant übersehen“, sagt er und schmunzelt. Würde es überhaupt wem auffallen, wenn ein oder zwei der kleinen Steinchen in die eigene Jackentasche wanderten? „Es ist verboten, irgendetwas aus dem Sperrgebiet mitzunehmen. Bei der Ausfahrt könnte es sogar eine Kontrolle geben“, erklärt er. Die Chancen auf einen Sensationsfund scheinen beim Anblick des umgegrabenen und aus vielen Hügeln bestehenden Gebietes ohnehin gering.Nachdem das Recht für den Diamantabbau in Lüderitzbucht zunächst ausschließlich bei der Deutschen Kolonialgesellschaft (DKG) lag, wurde 1920 die Consolidated Diamond Mines of South West Africa (CDM) gegründet. Bis 2010 baute die CDM im Sperrgebiet Diamanten ab. Auch heute ist die Gesellschaft in Zusammenarbeit mit dem namibischen Staat und unter dem neuen Namen Namdeb noch aktiv.Seit Beginn der Abbauarbeiten 1908 wurden schätzungsweise Diamanten im Wert von 100 Millionen Karat gefördert. Der bis dato größte Diamant hatte 246 Karat. Inzwischen wurde das Sperrgebiet in den Tsau-ǁKhaeb-(Sperrgebiet)-Nationalpark umbenannt, da die Diamantgewinnung sich immer weiter in andere Gebiete verlagerte. Bei der Mündung des Oranje stießen Arbeiter auf Diamantenvorkommen, die die Kolmanskuppe-Diamanten deutlich übertrafen. Aus dem Grund zogen viele Glückssucher einfach weiter zur nächsten Mine. Mit Pomona ging auch das alte Elisabethbucht unter, gefolgt von Kolmanskuppe und den Orten Bogenfels sowie Grillenthal. 1956 verließ der letzte Bewohner das Sperrgebiet.Diamantgeschäft heuteNamibia ist vom Volumen her ein kleiner Diamantförderer (1,7 bis 2 Mio. Karat pro Jahr), liefert aber weltweit die Diamanten mit der höchsten Qualität. Oranjemund ist ein wichtiger Standort. Im August 2011 wurde Oranjemund als Stadt proklamiert, bis dahin befand sich die Stadt, in der nahezu alle Einwohner für den Diamantkonzern Namdeb arbeiten, im Eigentum des Unternehmens. Seit Anfang 2012 gibt es einen Stadtrat, der für die Verwaltung zuständig ist. Inzwischen werden die meisten Diamanten offshore, also vor der Küste, gefördert. Pläne für die Zukunft sind ebenfalls schon gemacht: Oranjemund soll im Laufe der Zeit das Recht auf eine eigene Verwaltung zugebilligt werden. Am 14. Oktober öffnet die Stadt offiziell erstmals die Türen für die Außenwelt. Das Sperrgebiet soll der Namib-Skelettküste-Nationalpark angegliedert und die Sperrung künftig aufgehoben werden.Erst im August verkündete Namdeb in einer Pressemitteillung, dass die Zukunft der Bergbaubetriebe Elisabethbucht und Daberas gefährdet sei. Der Gegenwind sei vor allem auf die Gesamtwirtschaftslage, Entwicklung der Wechselkurse und „andere Indikatoren“ zurückzuführen.Doch auch wenn der Glanz des Diamantbooms zu schwinden scheint, die Erinnerung daran bleibt. Geführte Touren in das Sperrgebiet lassen den Edelsteinrausch wieder aufleben. Es wirkt beinahe schicksalhaft, dass der Sand, der einst Ursprung des wirtschaftlichen Aufschwungs war, die Siedlungen wieder zurückerobert hat.Wer sich für eine geführte Tour in das Diamant-Sperrgebiet interessiert, findet Informationen unter http://www.coastways.com.na/ oder auch http://luderitztours.webs.com/

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Kommentar

Allgemeine Zeitung 2025-03-18

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