Briefe 1893 - 1904 (XLIX Brief)
Von Hans Warncke alias „Hans Waffenschmied“ aus Windhoek und Hamakari
Tchossemba, den 3. Februar 1902
Liebe Eltern!
Ich schreibe hier unterwegs. Ich habe mir Tinte und Schreibmaterial mit auf den Wagen genommen, um unterwegs schreiben zu können, da ich in Karibib doch keine Zeit habe. Ich komme von oben, von Hamakari mit einem Transport Kleinvieh und Großvieh, um dasselbe in Karibib zu verkaufen und andere Waren zu kaufen. Ich habe deine Karten vom November vorigen Jahres erhalten, lieber Vater. Ich werde telegraphieren, wenn es geht, damit du Schuhe, Anzüge, Hemden, Cordhosen schickst. Wenn ich die Sendung erhalten habe, dann verkaufe ich einen ganzen Trupp Vieh an die Truppe und schicke das ganze Geld auf einmal ein. Es ist doch ein ganz gewaltiger Unterschied zwischen dem Preis der deutschen Sachen und dem der hiesigen. Deinen Burenartikel habe ich kürzlich erhalten. Nach Omaruru wegen der Bücher und Brillen schicke ich gleich. Ich danke vielmals, daß du meinem Wunsch nachgekommen bist. Man hat hier so wenig Lektüre und geistige Beschäftigung, daß es eine wahre Wohltat ist, wenn man etwas Lesbares und besonders etwas Nützliches erhält. Schicke nur oft ... Zeitungen. Es wäre mir sehr lieb. Wie geht es sonst zu Hause? Alles gesund? Wie steht es mit Onkel Martin? Du schriebst seiner Zeit, er habe Gehirnerweichung. Ich werde nächstens auch einen Brief an Paul schreiben. Da ich aber seine Adresse nicht weiß, so schicke ich den Brief nach Grünow und du beförderst ihn von dort weiter.
Es hat dieses Jahr schon wunderschön geregnet, so wie lange nicht. Es ist alles grün. Das einzig Unangenehme dabei ist nur, daß das Vieh leicht Klauenseuche bekommt. Ich muß schon mehrere Böcke auf den Wagen laden. Auch fahre ich aus dem Grund langsam, denke, in 6 Tagen unten zu sein. Mein Reis und Mehl ist schon alle, doch habe ich unterwegs viel Fleisch geschossen und die Hereros bringen Perlhühner-Eier, von denen ich jetzt sozusagen lebe. Es ist nämlich gerade die Zeit, wo die Perlhühner brüten. Doch sind sie jetzt sehr scheu und halten sich nur allein oder zu zweit auf, sodaß sie sehr schwer zu schießen sind. Ich fuhr herunter auf einem anderen Weg, als den gewöhnlichen. Ich fuhr vielmehr ohne Weg, da ich auf der Strecke Wasser wußte und daher mit meinem Vieh langsamer ziehen konnte. Auch sind auf dieser Strecke viele Springböcke, und da ich wenig Kost hatte, war dies auch ein Grund, um dort zu fahren, da ich Fleisch schießen wollte. Ich habe auch 2 Springböcke geschossen, 7 Steinböcke und ein Hartebeest, alle auf der Strecke von Hamakari bis hierher. Dieser Platz liegt nahe bei Okanatjikuma (ist auf der Karte von Südwest zu finden). Etwa halbwegs von Omatako-Berg und Otjimbingue. Hier dreht der Weg jetzt nach Westen nach Karibib, während er bisher von Hamakari nur im Großen und Ganzen von Nord nach Süd geht. Ich fahre von Otjimbingue aus, was die letzte Wasserstelle vor Karibib ist, (6 Stunden entfernt von Karibib) mit der Eisenbahn voraus. Das heißt, wenn sie fährt, denn wenn ein großer Regen kommt, ist sie jedes Mal außerstande. Ich denke, dies Jahr zur kalten Zeit auch mal oben ins Land nach den Salzpfannen im Westen der Etoscha-Pfanne zu fahren, um eine Fracht Salz zu holen für mich. Auch Hörner, Federn usw. kann man von den Buschmännern dort handeln, auch viel Fleisch schießen. Ich bin übrigens gesund, hoffe, daß ich vor dem Fieber jetzt wieder ein ganzes Jahr Ruhe haben werde.
Die Rinderpest ist noch immer nicht erloschen. Jetzt aber bricht sie überall wieder aus, am Omatako und am Omuramba bis oben hin. Das Fleisch wird gewiß noch sehr im Preis steigen. Es ist nämlich nur der Zeitpunkt abzuwarten, bis die Viehbestände, welche viele Storebesitzer noch haben, erschöpft sind. Auch wird viel Vieh ausgeführt werden, denn man soll ja im englischen Gebiet kolossale Summen für Schlachtochsen bezahlen. Es kostet allerdings 20 Mark pro Ochsen, der über die Grenze geht. Wenn nur erst in Südafrika Frieden käme. Dann würde Südwest leer werden. Alle Buren in erster Linie würden gehen, dann die ganzen Arbeiter und viele, sehr viele Ansiedler. Denn die sozialen Verhältnisse haben sich hier sehr zugespitzt. Nirgends ist Geld. Die Eisenbahn, der Zoll, die Abgaben und Strafen, die die Regierung über die Ansiedler verhängt, haben alles ruiniert.
Es ist größtenteils die reine Scheinexistenz, die die Ansiedler und Frachtfahrer und Händler führen. Auch viele Groß-Storeleute stehen auf sehr schwachen Füßen. Es sind jetzt wieder mehrere durchgebrannt, die große Summen bei Stores gepumpt hatten. Alles, was früher Fracht gefahren hat, weiß jetzt vor Angst nicht mehr, was er machen soll. Verschiedene Leute, die ich kenne, die noch Fracht fahren, fahren sich nur in die Schulden hinein, obwohl es sehr solide Leute sind. Nur die Herrn Beamten, Schreiberseelen, Offiziere und Polizisten haben es gut hier, da sie ein verhältnismäßig hohes Gehalt beziehen und dabei nichts zu tun haben, als nur die paar Ansiedler in Schranken zu halten!! Denn einem Kaffern tut die Regierung nichts, ob aus Angst oder aus Bequemlichkeit, ich weiß es nicht. Den deutlichsten Beweis für den deutschen Humanitätsdusel den Eingeborenen gegenüber bildet doch der Fall „Prinz Ahrenberg” (von Arenberg). Der Mann hat eine große Strafe bekommen. Ich will nicht sagen, daß sie ungerecht ist, aber vergleiche nur den Fall Hübner damit. Ein Unteroffizier, der einen Ansiedler (Hofmann, ein spezieller Freund von mir, Invalide, dem in der Naukluft durchs Bein geschossen) mit kaltem Blut, mit voller Überlegung, mit einem Seitengewehr absticht, ein solcher Schuft bekommt ½ Jahr. Und jetzt hat er oben bei Gobabis von der deutschen Regierung eine Farm und eine Anstellung bekommen! Es ist himmelschreiend. So etwas kann tatsächlich in Rußland nicht vorkommen! Aber das ist der Verdienst von den Herren, die hier an der Spitze stehen; die freuen sich jedenfalls, wenn ein Deutscher, der Invalidengeld bezieht, abgemurkst wird. Und ein anderer, ein Mann, der 20 Mark gestohlen haben soll, bekommt 2 Jahre. Das ist der Verdienst des Herrn von Lindequist.
Lieber Vater, erkundige dich doch mal danach, was die neuen Gewehre kosten. Modell 98, die so gut schießen. Die Gewehre darf man hier führen. Wenn du übrigens mal einen Artikel in die Zeitung setzen wolltest darüber, daß ein Mann, der draußen im Feld lebt, nicht genug Patronen bekommt, dann wäre ich dir sehr dankbar. Man muß wegen 50 Patronen monatlich 8 Tagereisen weit schicken von Waterberg nach Okahandja. Das ist aber das Verkehrte, daß Leute, die auf einem größeren Platz leben und solche wie ich, die weit von solchem Platz sich aufhalten, alle über einen Kamm geschoren werden und nur 50 Patronen zur Zeit bekommen sollen.
Aber jetzt will ich schließen. Hoffentlich geht’s euch gut, desgleichen allen Geschwistern. Grüßt Friedel, Gretchen und Else und ihren Mann vielmals von mir.
Hiermit verbleibe ich in herzlicher Liebe
Euer Sohn Hans
Liebe Eltern!
Ich schreibe hier unterwegs. Ich habe mir Tinte und Schreibmaterial mit auf den Wagen genommen, um unterwegs schreiben zu können, da ich in Karibib doch keine Zeit habe. Ich komme von oben, von Hamakari mit einem Transport Kleinvieh und Großvieh, um dasselbe in Karibib zu verkaufen und andere Waren zu kaufen. Ich habe deine Karten vom November vorigen Jahres erhalten, lieber Vater. Ich werde telegraphieren, wenn es geht, damit du Schuhe, Anzüge, Hemden, Cordhosen schickst. Wenn ich die Sendung erhalten habe, dann verkaufe ich einen ganzen Trupp Vieh an die Truppe und schicke das ganze Geld auf einmal ein. Es ist doch ein ganz gewaltiger Unterschied zwischen dem Preis der deutschen Sachen und dem der hiesigen. Deinen Burenartikel habe ich kürzlich erhalten. Nach Omaruru wegen der Bücher und Brillen schicke ich gleich. Ich danke vielmals, daß du meinem Wunsch nachgekommen bist. Man hat hier so wenig Lektüre und geistige Beschäftigung, daß es eine wahre Wohltat ist, wenn man etwas Lesbares und besonders etwas Nützliches erhält. Schicke nur oft ... Zeitungen. Es wäre mir sehr lieb. Wie geht es sonst zu Hause? Alles gesund? Wie steht es mit Onkel Martin? Du schriebst seiner Zeit, er habe Gehirnerweichung. Ich werde nächstens auch einen Brief an Paul schreiben. Da ich aber seine Adresse nicht weiß, so schicke ich den Brief nach Grünow und du beförderst ihn von dort weiter.
Es hat dieses Jahr schon wunderschön geregnet, so wie lange nicht. Es ist alles grün. Das einzig Unangenehme dabei ist nur, daß das Vieh leicht Klauenseuche bekommt. Ich muß schon mehrere Böcke auf den Wagen laden. Auch fahre ich aus dem Grund langsam, denke, in 6 Tagen unten zu sein. Mein Reis und Mehl ist schon alle, doch habe ich unterwegs viel Fleisch geschossen und die Hereros bringen Perlhühner-Eier, von denen ich jetzt sozusagen lebe. Es ist nämlich gerade die Zeit, wo die Perlhühner brüten. Doch sind sie jetzt sehr scheu und halten sich nur allein oder zu zweit auf, sodaß sie sehr schwer zu schießen sind. Ich fuhr herunter auf einem anderen Weg, als den gewöhnlichen. Ich fuhr vielmehr ohne Weg, da ich auf der Strecke Wasser wußte und daher mit meinem Vieh langsamer ziehen konnte. Auch sind auf dieser Strecke viele Springböcke, und da ich wenig Kost hatte, war dies auch ein Grund, um dort zu fahren, da ich Fleisch schießen wollte. Ich habe auch 2 Springböcke geschossen, 7 Steinböcke und ein Hartebeest, alle auf der Strecke von Hamakari bis hierher. Dieser Platz liegt nahe bei Okanatjikuma (ist auf der Karte von Südwest zu finden). Etwa halbwegs von Omatako-Berg und Otjimbingue. Hier dreht der Weg jetzt nach Westen nach Karibib, während er bisher von Hamakari nur im Großen und Ganzen von Nord nach Süd geht. Ich fahre von Otjimbingue aus, was die letzte Wasserstelle vor Karibib ist, (6 Stunden entfernt von Karibib) mit der Eisenbahn voraus. Das heißt, wenn sie fährt, denn wenn ein großer Regen kommt, ist sie jedes Mal außerstande. Ich denke, dies Jahr zur kalten Zeit auch mal oben ins Land nach den Salzpfannen im Westen der Etoscha-Pfanne zu fahren, um eine Fracht Salz zu holen für mich. Auch Hörner, Federn usw. kann man von den Buschmännern dort handeln, auch viel Fleisch schießen. Ich bin übrigens gesund, hoffe, daß ich vor dem Fieber jetzt wieder ein ganzes Jahr Ruhe haben werde.
Die Rinderpest ist noch immer nicht erloschen. Jetzt aber bricht sie überall wieder aus, am Omatako und am Omuramba bis oben hin. Das Fleisch wird gewiß noch sehr im Preis steigen. Es ist nämlich nur der Zeitpunkt abzuwarten, bis die Viehbestände, welche viele Storebesitzer noch haben, erschöpft sind. Auch wird viel Vieh ausgeführt werden, denn man soll ja im englischen Gebiet kolossale Summen für Schlachtochsen bezahlen. Es kostet allerdings 20 Mark pro Ochsen, der über die Grenze geht. Wenn nur erst in Südafrika Frieden käme. Dann würde Südwest leer werden. Alle Buren in erster Linie würden gehen, dann die ganzen Arbeiter und viele, sehr viele Ansiedler. Denn die sozialen Verhältnisse haben sich hier sehr zugespitzt. Nirgends ist Geld. Die Eisenbahn, der Zoll, die Abgaben und Strafen, die die Regierung über die Ansiedler verhängt, haben alles ruiniert.
Es ist größtenteils die reine Scheinexistenz, die die Ansiedler und Frachtfahrer und Händler führen. Auch viele Groß-Storeleute stehen auf sehr schwachen Füßen. Es sind jetzt wieder mehrere durchgebrannt, die große Summen bei Stores gepumpt hatten. Alles, was früher Fracht gefahren hat, weiß jetzt vor Angst nicht mehr, was er machen soll. Verschiedene Leute, die ich kenne, die noch Fracht fahren, fahren sich nur in die Schulden hinein, obwohl es sehr solide Leute sind. Nur die Herrn Beamten, Schreiberseelen, Offiziere und Polizisten haben es gut hier, da sie ein verhältnismäßig hohes Gehalt beziehen und dabei nichts zu tun haben, als nur die paar Ansiedler in Schranken zu halten!! Denn einem Kaffern tut die Regierung nichts, ob aus Angst oder aus Bequemlichkeit, ich weiß es nicht. Den deutlichsten Beweis für den deutschen Humanitätsdusel den Eingeborenen gegenüber bildet doch der Fall „Prinz Ahrenberg” (von Arenberg). Der Mann hat eine große Strafe bekommen. Ich will nicht sagen, daß sie ungerecht ist, aber vergleiche nur den Fall Hübner damit. Ein Unteroffizier, der einen Ansiedler (Hofmann, ein spezieller Freund von mir, Invalide, dem in der Naukluft durchs Bein geschossen) mit kaltem Blut, mit voller Überlegung, mit einem Seitengewehr absticht, ein solcher Schuft bekommt ½ Jahr. Und jetzt hat er oben bei Gobabis von der deutschen Regierung eine Farm und eine Anstellung bekommen! Es ist himmelschreiend. So etwas kann tatsächlich in Rußland nicht vorkommen! Aber das ist der Verdienst von den Herren, die hier an der Spitze stehen; die freuen sich jedenfalls, wenn ein Deutscher, der Invalidengeld bezieht, abgemurkst wird. Und ein anderer, ein Mann, der 20 Mark gestohlen haben soll, bekommt 2 Jahre. Das ist der Verdienst des Herrn von Lindequist.
Lieber Vater, erkundige dich doch mal danach, was die neuen Gewehre kosten. Modell 98, die so gut schießen. Die Gewehre darf man hier führen. Wenn du übrigens mal einen Artikel in die Zeitung setzen wolltest darüber, daß ein Mann, der draußen im Feld lebt, nicht genug Patronen bekommt, dann wäre ich dir sehr dankbar. Man muß wegen 50 Patronen monatlich 8 Tagereisen weit schicken von Waterberg nach Okahandja. Das ist aber das Verkehrte, daß Leute, die auf einem größeren Platz leben und solche wie ich, die weit von solchem Platz sich aufhalten, alle über einen Kamm geschoren werden und nur 50 Patronen zur Zeit bekommen sollen.
Aber jetzt will ich schließen. Hoffentlich geht’s euch gut, desgleichen allen Geschwistern. Grüßt Friedel, Gretchen und Else und ihren Mann vielmals von mir.
Hiermit verbleibe ich in herzlicher Liebe
Euer Sohn Hans
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Allgemeine Zeitung
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