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Austern-der Geschmack des Meeres

Im Hafen von Walvis Bay herrscht eifriges Treiben, als wir kurz vor sieben Uhr eintreffen. Der Fischkutter Xeitos des Spaniers Manuel Romero wird beladen. Die Fahrt geht an die Austernplattformen, die 15 Kilometer entfernt vom Hafen, kurz vor Pelican Point liegen. Mit an Bord des Kutters sind Martin Wittneben und seine Partnerin Katja Radke, Gründer des Kleinunternehmens Namib Seawater Farming & Research. Sie sind seit gut einem Jahr dabei, Austern zu züchten und dürfen dazu eine der Plattformen Romeros für ihre Netze mitbenutzen.

"Die Idee der Austernzucht war schon lange vorhanden", so Wittneben, der zusammen mit Katja Radke in Bremen Biologie studierte. Für den geborenen Windhoeker war es keine Frage, nach dem abgeschlossenen Studium mit Schwerpunkt Botanik wieder nach Namibia zurückzukehren, um dort mit der Austernzucht zu beginnen.
"Wir wollen hier nur im kleinen Rahmen farmen und sind deshalb keine Konkurrenz für die ,großen' Austernfarmen", so Wittneben. Zuerst werden "Austernbabys" (so genannter Spat) gekauft. Diese gibt es kiloweise. Ein Kilo entspricht einer Menge von zirka 100 000 winzigen Muschelchen, die jeweils eine Größe von etwa 12 mm haben.
An Land wird ein Becken mit Algen angereichertem Seewasser gefüllt. In diesem wird der Spat dann groß gezogen. Immer wieder werden die Austernbabys ausgesiebt, bis sie eine Größe von etwa fünf Millimeter erreicht haben. Dann werden sie in feinen Netzen an den Austernplattformen ausgesetzt. Ab einer Größe von etwas 12 mm werden sie an die Austerfarmer ver-kauft. Drei bis vier Mal pro Woche fährt Martin Wittneben mit raus, um seine Netze zu überprüfen bzw. mit an Land zu nehmen.
Dort werden die Schalentiere sortiert und die Netze mit einem Hochdruckreiniger gesäubert. Das Säubern ist wichtig, da in dem nahrhaften Atlantik ein reichhaltiges Algenvorkommen herrscht. Diese dienen zwar als Nahrung der Austern, lassen jedoch auch die Netze zuwachsen. Da die Austern natürlich größer werden, muss der Netzinhalt immer wieder ausgedünnt werden.
Dadurch wird im Netz mehr Platz geschaffen, so dass sich die Austern durch die Dünung des Meeres nicht mehr gegenseitig mit ihren harten Schalen verletzen können.

Das Farmen mit Austern ist eine langwierige und aufwändige Sache, und genau wie die Farmer in der Landwirtschaft sind Austernfarmer von der Natur abhängig. Das Wasser des Atlantiks ist sehr nährstoffhaltig, was den großen Fischreichtum erklärt. Aufgrund dessen gibt es entsprechende Ablagerungen, unter denen sich Schwefelgase bilden. Immer wieder lösen sich diese Gase und steigen als Blasen an die Oberfläche auf. Je nach Größe der Blase und Witterung leuchtet die See an dieser Stelle in einem kräftigen Türkis. Der Nachteil dieses Phänomens ist, dass die Sauerstoffzufuhr abgeschnitten wird. Zwar können Austern ein bis zwei Tage ohne Sauerstoff auskommen, doch bei entsprechender Witterung kann der Schwefel sich über mehrere Tage an der Oberfläche halten. Im vergangenen Jahr führte dies zu einem Desaster, da ein Nordwind verhinderte, dass die Schwefeldecke aus der Bucht ins offene Meer gelangte. Deshalb erstickte der größte Teil der Austern und die Farmer, die infolgedessen schwere Verluste erlitten, mussten teilweise ganz von vorn beginnen.
Ein weiteres Problem sind die Fäulnisalgen. Deshalb ist es wichtig, die Schalentiere sauber zu halten.
Namib Seawater Farming & Research beschäftigt drei Angestellte. Ihre Produkte werden an renommierte Windhoeker Restaurants und Lebensmittelgeschäfte verkauft. Doch auch Privatbestellungen ab 50 Stück werden per Kurier versendet. Sorgfältig werden die Muscheln dazu mit der tieferen Unterseite nach unten verpackt. Das ist wichtig, da so das darin befindliche Meereswasser nicht herauslaufen kann und die Muschel länger frisch bleibt.

Für viele Feinschmecker gehören die namibischen Austern zu den Besten der Welt. Trotzdem ist es nicht einfach, einen größeren Absatzmarkt zu erschließen. "Für Europa machen es die EU-Bestimmungen schwierig zu liefern, denn es werden aktuelle Laborberichte über den Schwermetallgehalt des Wassers und der Austern verlangt", so Katja Radke. Da es in Namibia kein entsprechendes Labor gibt, müssten die Wasserproben nach Südafrika geschickt werden und die Ergebnisse der Untersuchung nach Deutschland. Erst dann dürften die Austern eingeführt werden. Doch dieser Prozess würde die Frische der Schalentiere beeinträchtigen. Natürlich haben auch andere Länder ihre Einfuhrbestimmungen. Deshalb sind die namibischen Austernfarmer am Überlegen, ob es nicht sinnvoll ist, ein Labor auf namibischenmBoden zu errichten.
Vielleicht machen sich einige Schlemmer beim Verzehr der Auster die Hoffnung, auf eine Perle zu stoßen. Jedoch: Perlen entstehen, wenn ein Sandkorn in eine Auster gelangt und die Auster dies nicht mehr loswerden kann. Da namibische Austern frei hängen, sucht man deshalb vergeblich nach den begehrten Schmuckstücken. Um sich vor dem Fremdkörper zu schützen, umhüllt die Muschel dieses mit einem Sekret, das erhärtet als Perlmutt bekannt ist. Heutzutage wird natürlich nicht mehr gewartet, bis sich ein Sandkorn mal verirrt. Es gibt, vor allem im asiatischen Raum, extra Perlenzuchten. Dazu wird an einer bestimmten Stelle im Fleisch der Auster ein Sandkorn oder auch ein kleines Kunststoffstückchen implantiert. Das Verfahren ist aufwändig und es dauert lange, bis die Perle die zum Verarbeiten geeignete Größe erreicht hat.
Doch auch ohne Perlen sind die namibischen Austern eine unschätzbare Köstlichkeit aus dem Atlantik.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2025-05-25

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