„Ich möchte den Protest zur Party bringen“
Von Katharina Moser
Es ist früher Abend in Kalifornien, und die milde Oktobersonne taucht die Kleinstadt Petaluma in ihr rosafarbenes Licht. Die Straßen sind belebt, doch Niko Otis ist die Ruhe in Person. Indigenius steht auf seinem schwarzen Kapuzenpulli, wie ein Versprechen, oder eine Vorahnung. „Ich komme aus einer sehr musikalischen Familie“, sagt der kalifornische Rapper. „Mein Vater ist Schlagzeuger und mein Großvater ein berühmter Blueskünstler.“ Aber Otis machte seine Stimme zu seinem Instrument und bahnte sich seinen Weg in die Hip-Hop-Szene. Schon mit elf Jahren begann er, seine eigenen Verse zu schreiben. Jetzt ist er 28 und bereit, die Szene im Sturm zu erobern.
Während sich seine Musik durch den energiegeladenen Flow seiner Beats und die Lyrik seiner Verse auszeichnet, hat sich Wortschmied mit Lakota-Wurzeln nie gescheut, in seinen Texten die drängenden Probleme unserer Zeit anzusprechen – im Gegenteil: Otis sieht seine Verantwortung als Rapper darin, sich zu den Ungerechtigkeiten dieser Welt zu äußern. „Ich will den Protest zur Party bringen. Ich will, dass meine Musik aggressiv, aber gleichzeitig positiv ist, was eine verrückte Balance ist. Schon als Kind war es mir ein Herzensanliegen, laut über Dinge zu sprechen, die wichtig sind, um positive Veränderungen zu bewirken“, sagt Otis. Das ist ihm umso wichtiger, da er zur Gemeinschaft der Native Americans gehört – den Menschen, die den amerikanischen Kontinent seit Tausenden von Jahren bewohnen, und durch die Kolonialisierung seit der „Entdeckung“ Amerikas durch Columbus und der Gründung der USA Genozid, Enteignung kultureller Unterdrückung ausgesetzt waren, deren Folgen bis heute zu spüren sind.
Indem er sich weigert, die Bequemlichkeit der Leute zu bedienen, und mit seinem unerschütterlichen Engagement, den Zustand dieser Welt zu beleuchten, stellt sich Otis in eine lange Tradition des Hip-Hop – die Musik des Underdogs und des Widerstands. „Ich denke, dass Rap-Musik in ihrem Kern mit Widerstand und Protest begann. Als American Indian fühle ich mich definitiv dafür verantwortlich, das fortzuführen“, sagt Otis. „Das fehlt mir heutzutage oft im Hip-Hop. Viele Künstler rappen, weil es cool ist, oder um das große Geld zu machen, aber sie haben keine wirkliche Leidenschaft oder Liebe für diese Kunstform. Es gibt so viele Leute, die versuchen, Künstler zu sein, dass sie manchmal das Warum aus den Augen verlieren – warum sie ein Künstler sein wollen“, ist er überzeugt. Für Otis ist das Warum völlig klar – die Liebe zur Kunstform und die Berufung, für seine indigenen Mitmenschen zu sprechen.
Musik für alle Menschen
„Ich wende mich nicht nur an ein indigenes Publikum. Ich mache meine Musik für alle Menschen. Aber ich möchte durchaus eine indigene Botschaft einfließen lassen, um mehr Verständnis zu schaffen“, erklärt Otis. „Es gibt immer noch Leute, die so tun, als gäbe es keine indigenen Menschen in den USA mehr. Dabei gibt es so viele American Indians, die sich um Repräsentation bemühen. Wenn ich als Native American das nicht anspreche, habe ich das Gefühl, dass ich meine Aufgabe nicht erfülle. Aber gleichzeitig müssen indigene Künstler nicht die ganze Zeit darüber reden, dass sie indigen sind. Ich kann einfach über mein tägliches Leben sprechen, aber mit dem Respekt für die Traditionen und die Kultur, die ich aufrechterhalten möchte.“
Um so weit zu kommen, hat Otis eine bewegte Kindheit und Jugend hinter sich. „Meine Mutter ist Miniconjou Lakota. Mein Vater ist schwarz, philippinisch und griechisch. Da ist also eine Menge Mischung drin. Aber meine Mutter hat dafür gesorgt, dass wir stolz auf unsere indigenen Wurzeln sind. Uns wurde beigebracht, dass das Blutquantum kein wichtiger Bestandteil unserer indigenen Identität ist“, erklärt Otis. Das Blutquantum ist ein höchst umstrittenes Maß für die Menge an „indianischem Blut“, die ein Mensch in den USA hat. Das Blutquantum war ursprünglich ein System, das die US-Regierung den indigenen Bewohnern der USA auferlegte, um ihre Staatsbürgerschaft einzuschränken. Weiße Kolonialherren beschlossen damals, man sei nur dann ein echter sogenannter „Indianer“, wenn man einen bestimmten Prozentsatz „indianischen Bluts“ in sich trage. Viele indianische Nationen, darunter die Navajo Nation und die Turtle Mountain Band of Chippewa Indians, verwenden es immer noch als Teil ihrer Mitgliedschaftsanforderungen – was für viele Natives, vor allem solche, die eine gemischte Familiengeschichte haben wie die meisten, schwierige Fragen über Identität und Zugehörigkeit aufwirft. „Es ist ein Kampf, sich damit abzufinden, denn manchmal hat man das Gefühl, nicht genug zu sein. Aber das Blutquantum war nur ein Instrument der Kolonisierung, um die Kultur der Indigenen auszulöschen, weil sie diese als Bedrohung für das ansahen, was sie mit diesem Land vorhatten. Es ist wichtig, sich das vor Augen zu halten. Ich weiß, wer ich bin. Ich kenne meine Identität. Ich bin stolz auf meine Wurzeln, und ich vertiefe diese Verbindungen stets weiter“, stellt Otis klar.
Bewegte Jugend
Der junge Künstler wuchs in Sebastopol auf, einer kleinen Stadt in Sonoma County, Kalifornien. Otis ist eines von sieben Geschwistern, er hat zwei ältere Brüder, drei jüngere Brüder und eine jüngere Schwester. „Meine ganze Familie lebte auf demselben Grundstück. Ich bin mit viel Freiheit in der Wildnis aufgewachsen, einfach als kleiner Native, der nackt herumlief, Obst pflückte und einfach frei war“, erinnert sich Otis. Geprägt wurde er vor allem durch seinen Großvater, der das Künstlerische in ihm förderte. Doch nachdem dieser schwer erkrankte, erschwerte sich die finanzielle Situation der Familie. „Als ich etwa sieben oder acht Jahre alt war, mussten wir unser Zuhause verlassen, meine Eltern trennten sich, und wir zogen nach Bakersfield, ins Ghetto.“
Von Bakersfield ging es nach Lake County, und die Familie hatte es finanziell nicht einfach. „Es gab Zeiten, in denen es keinen Strom gab, weil wir die Stromrechnung nicht bezahlen konnten, oder wir umziehen mussten, weil wir die Miete nicht bezahlen konnten, oder wir kaum Essen kaufen konnten, so dass uns nichts anderes blieb als ein Glas Erdnussbutter, das wir teilen mussten. Aber wir hatten eine Menge Liebe im Haus und eine wirklich gute Familie. Meine jüngeren Geschwister haben einen anderen Vater als mein Vater. Ihr Vater ist Äthiopier. Ich bin also mit jüngeren äthiopischen Brüdern und einem äthiopischen Stiefvater aufgewachsen, und der Vater meiner beiden älteren Brüder ist Ire. Wir waren eine sehr gemischte Familie. Die vielen verschiedenen Kulturen und Perspektiven haben mir als Kind wirklich die Augen geöffnet, und dafür bin ich dankbar.“
Die Erfahrungen, die er als Kind gemacht hat, inspirieren auch das, worüber er heute in seinen Texten spricht. „Ich habe einige persönliche Ungerechtigkeiten erlebt, als ich aufwuchs: Oh, du bist ein Native, heißt das, dass du im Wald lebst und den ganzen Tag Gras rauchst? Das ist die grundlegende Ignoranz, die alle Native Americans durchmachen müssen“, sagt er. „Vieles in meiner neuen Musik ist sehr politisch aufgeladen. Ich möchte Aussagen machen. Ich möchte eine gute Stimme sein.“
Am wichtigsten ist, so Otis, dass die Menschen verstehen, dass es nicht den einen „Native“ gibt, sondern dass sie sich in ihren Geschichten, ihren Ansichten und Meinungen unterscheiden. Und viele von ihnen wollen Veränderung. „Weil die Kolonialherren in Amerika jahrhundertelang versuchten, uns und unsere Kulturen auszulöschen, haben wir uns teils von unserer Kultur entfernt. Ich bin Lakota mütterlicherseits, aber der Vater meiner Mutter, der Lakota war, starb vor meiner Geburt. Dadurch konnte er vieles von seinem Wissen nicht weitergeben. Meine Mutter musste sich selbst auf den Weg machen, um die Verbindung wiederherzustellen, und sie hat viel dafür getan, dass dies auch bei ihren Kindern lebendig bleibt. Aber die Auslöschung der Kultur ist sehr real“, erklärt Otis.
Ein stolzes Erbe
Wie können also junge Native Americans in einem Umfeld, das dies nicht unterstützt, mit ihrer Kultur in Verbindung bleiben? „Habt keine Angst davor, etwas nicht zu wissen, sondern findet Trost darin, Fragen zu stellen. Keiner kann dir sagen, dass du kein echter Native seist. Viele Natives, die versuchen, wieder Anschluss zu finden oder mehr über ihre Kultur zu erfahren, haben Angst, nicht akzeptiert zu werden. Aber oft ist es genau das, was unsere Ältesten zu tun versuchen: die Kultur weiter voranzutreiben. Sie wollen nur, dass die Leute sich bemühen.“
Wie würde er beschreiben, was es heißt, heute in Amerika Land jung und Lakota zu sein? „Es gibt vieles, was einen wütend macht, aber da ist auch ein immenses Gefühl von Stolz, dass es uns noch gibt. Wir haben überlebt. Und wir haben eine so reiche, erstaunliche Kultur, die so viele Menschen inspiriert“, erklärt Otis leidenschaftlich.
Er will seine ganze Kraft in seine Musik stecken, unzählige weitere Songs schreiben und in Zukunft auf den großen Bühnen der Nation vor Tausenden von Menschen stehen – sein künstlerisches Schaffen entschlossen, leidenschaftlich und visionär. „Die Menschen lieben es, über die Tragödie zu sprechen, der die Native Americans zum Opfer gefallen sind. Manchmal gehen die Leute zu sehr darin auf, wie sehr sie alles bedauern“, sagt Otis. „Sei ein verständnisvoller Mensch und bereit, zu lernen und aufgeschlossen zu sein, aber fokussiere dich nicht zu sehr auf die Schuldfrage“, rät Otis. „Ich bin nicht zerstört. Ich bin immer noch hier, ich lebe mein Leben und habe eine tolle Zeit. Die Leute sagen: Es tut uns so leid, was wir dir angetan haben. Aber ich liege doch nicht auf dem Boden und sterbe.“ Otis grinst, mit der gleichen Positivität, die er gerne in seine Songs einfließen lässt. „Es ist einfach wichtig zu sagen, dass wir immer noch hier sind und dass es so viel Schönheit in den Kulturen gibt, die wir in uns tragen.“
Es ist früher Abend in Kalifornien, und die milde Oktobersonne taucht die Kleinstadt Petaluma in ihr rosafarbenes Licht. Die Straßen sind belebt, doch Niko Otis ist die Ruhe in Person. Indigenius steht auf seinem schwarzen Kapuzenpulli, wie ein Versprechen, oder eine Vorahnung. „Ich komme aus einer sehr musikalischen Familie“, sagt der kalifornische Rapper. „Mein Vater ist Schlagzeuger und mein Großvater ein berühmter Blueskünstler.“ Aber Otis machte seine Stimme zu seinem Instrument und bahnte sich seinen Weg in die Hip-Hop-Szene. Schon mit elf Jahren begann er, seine eigenen Verse zu schreiben. Jetzt ist er 28 und bereit, die Szene im Sturm zu erobern.
Während sich seine Musik durch den energiegeladenen Flow seiner Beats und die Lyrik seiner Verse auszeichnet, hat sich Wortschmied mit Lakota-Wurzeln nie gescheut, in seinen Texten die drängenden Probleme unserer Zeit anzusprechen – im Gegenteil: Otis sieht seine Verantwortung als Rapper darin, sich zu den Ungerechtigkeiten dieser Welt zu äußern. „Ich will den Protest zur Party bringen. Ich will, dass meine Musik aggressiv, aber gleichzeitig positiv ist, was eine verrückte Balance ist. Schon als Kind war es mir ein Herzensanliegen, laut über Dinge zu sprechen, die wichtig sind, um positive Veränderungen zu bewirken“, sagt Otis. Das ist ihm umso wichtiger, da er zur Gemeinschaft der Native Americans gehört – den Menschen, die den amerikanischen Kontinent seit Tausenden von Jahren bewohnen, und durch die Kolonialisierung seit der „Entdeckung“ Amerikas durch Columbus und der Gründung der USA Genozid, Enteignung kultureller Unterdrückung ausgesetzt waren, deren Folgen bis heute zu spüren sind.
Indem er sich weigert, die Bequemlichkeit der Leute zu bedienen, und mit seinem unerschütterlichen Engagement, den Zustand dieser Welt zu beleuchten, stellt sich Otis in eine lange Tradition des Hip-Hop – die Musik des Underdogs und des Widerstands. „Ich denke, dass Rap-Musik in ihrem Kern mit Widerstand und Protest begann. Als American Indian fühle ich mich definitiv dafür verantwortlich, das fortzuführen“, sagt Otis. „Das fehlt mir heutzutage oft im Hip-Hop. Viele Künstler rappen, weil es cool ist, oder um das große Geld zu machen, aber sie haben keine wirkliche Leidenschaft oder Liebe für diese Kunstform. Es gibt so viele Leute, die versuchen, Künstler zu sein, dass sie manchmal das Warum aus den Augen verlieren – warum sie ein Künstler sein wollen“, ist er überzeugt. Für Otis ist das Warum völlig klar – die Liebe zur Kunstform und die Berufung, für seine indigenen Mitmenschen zu sprechen.
Musik für alle Menschen
„Ich wende mich nicht nur an ein indigenes Publikum. Ich mache meine Musik für alle Menschen. Aber ich möchte durchaus eine indigene Botschaft einfließen lassen, um mehr Verständnis zu schaffen“, erklärt Otis. „Es gibt immer noch Leute, die so tun, als gäbe es keine indigenen Menschen in den USA mehr. Dabei gibt es so viele American Indians, die sich um Repräsentation bemühen. Wenn ich als Native American das nicht anspreche, habe ich das Gefühl, dass ich meine Aufgabe nicht erfülle. Aber gleichzeitig müssen indigene Künstler nicht die ganze Zeit darüber reden, dass sie indigen sind. Ich kann einfach über mein tägliches Leben sprechen, aber mit dem Respekt für die Traditionen und die Kultur, die ich aufrechterhalten möchte.“
Um so weit zu kommen, hat Otis eine bewegte Kindheit und Jugend hinter sich. „Meine Mutter ist Miniconjou Lakota. Mein Vater ist schwarz, philippinisch und griechisch. Da ist also eine Menge Mischung drin. Aber meine Mutter hat dafür gesorgt, dass wir stolz auf unsere indigenen Wurzeln sind. Uns wurde beigebracht, dass das Blutquantum kein wichtiger Bestandteil unserer indigenen Identität ist“, erklärt Otis. Das Blutquantum ist ein höchst umstrittenes Maß für die Menge an „indianischem Blut“, die ein Mensch in den USA hat. Das Blutquantum war ursprünglich ein System, das die US-Regierung den indigenen Bewohnern der USA auferlegte, um ihre Staatsbürgerschaft einzuschränken. Weiße Kolonialherren beschlossen damals, man sei nur dann ein echter sogenannter „Indianer“, wenn man einen bestimmten Prozentsatz „indianischen Bluts“ in sich trage. Viele indianische Nationen, darunter die Navajo Nation und die Turtle Mountain Band of Chippewa Indians, verwenden es immer noch als Teil ihrer Mitgliedschaftsanforderungen – was für viele Natives, vor allem solche, die eine gemischte Familiengeschichte haben wie die meisten, schwierige Fragen über Identität und Zugehörigkeit aufwirft. „Es ist ein Kampf, sich damit abzufinden, denn manchmal hat man das Gefühl, nicht genug zu sein. Aber das Blutquantum war nur ein Instrument der Kolonisierung, um die Kultur der Indigenen auszulöschen, weil sie diese als Bedrohung für das ansahen, was sie mit diesem Land vorhatten. Es ist wichtig, sich das vor Augen zu halten. Ich weiß, wer ich bin. Ich kenne meine Identität. Ich bin stolz auf meine Wurzeln, und ich vertiefe diese Verbindungen stets weiter“, stellt Otis klar.
Bewegte Jugend
Der junge Künstler wuchs in Sebastopol auf, einer kleinen Stadt in Sonoma County, Kalifornien. Otis ist eines von sieben Geschwistern, er hat zwei ältere Brüder, drei jüngere Brüder und eine jüngere Schwester. „Meine ganze Familie lebte auf demselben Grundstück. Ich bin mit viel Freiheit in der Wildnis aufgewachsen, einfach als kleiner Native, der nackt herumlief, Obst pflückte und einfach frei war“, erinnert sich Otis. Geprägt wurde er vor allem durch seinen Großvater, der das Künstlerische in ihm förderte. Doch nachdem dieser schwer erkrankte, erschwerte sich die finanzielle Situation der Familie. „Als ich etwa sieben oder acht Jahre alt war, mussten wir unser Zuhause verlassen, meine Eltern trennten sich, und wir zogen nach Bakersfield, ins Ghetto.“
Von Bakersfield ging es nach Lake County, und die Familie hatte es finanziell nicht einfach. „Es gab Zeiten, in denen es keinen Strom gab, weil wir die Stromrechnung nicht bezahlen konnten, oder wir umziehen mussten, weil wir die Miete nicht bezahlen konnten, oder wir kaum Essen kaufen konnten, so dass uns nichts anderes blieb als ein Glas Erdnussbutter, das wir teilen mussten. Aber wir hatten eine Menge Liebe im Haus und eine wirklich gute Familie. Meine jüngeren Geschwister haben einen anderen Vater als mein Vater. Ihr Vater ist Äthiopier. Ich bin also mit jüngeren äthiopischen Brüdern und einem äthiopischen Stiefvater aufgewachsen, und der Vater meiner beiden älteren Brüder ist Ire. Wir waren eine sehr gemischte Familie. Die vielen verschiedenen Kulturen und Perspektiven haben mir als Kind wirklich die Augen geöffnet, und dafür bin ich dankbar.“
Die Erfahrungen, die er als Kind gemacht hat, inspirieren auch das, worüber er heute in seinen Texten spricht. „Ich habe einige persönliche Ungerechtigkeiten erlebt, als ich aufwuchs: Oh, du bist ein Native, heißt das, dass du im Wald lebst und den ganzen Tag Gras rauchst? Das ist die grundlegende Ignoranz, die alle Native Americans durchmachen müssen“, sagt er. „Vieles in meiner neuen Musik ist sehr politisch aufgeladen. Ich möchte Aussagen machen. Ich möchte eine gute Stimme sein.“
Am wichtigsten ist, so Otis, dass die Menschen verstehen, dass es nicht den einen „Native“ gibt, sondern dass sie sich in ihren Geschichten, ihren Ansichten und Meinungen unterscheiden. Und viele von ihnen wollen Veränderung. „Weil die Kolonialherren in Amerika jahrhundertelang versuchten, uns und unsere Kulturen auszulöschen, haben wir uns teils von unserer Kultur entfernt. Ich bin Lakota mütterlicherseits, aber der Vater meiner Mutter, der Lakota war, starb vor meiner Geburt. Dadurch konnte er vieles von seinem Wissen nicht weitergeben. Meine Mutter musste sich selbst auf den Weg machen, um die Verbindung wiederherzustellen, und sie hat viel dafür getan, dass dies auch bei ihren Kindern lebendig bleibt. Aber die Auslöschung der Kultur ist sehr real“, erklärt Otis.
Ein stolzes Erbe
Wie können also junge Native Americans in einem Umfeld, das dies nicht unterstützt, mit ihrer Kultur in Verbindung bleiben? „Habt keine Angst davor, etwas nicht zu wissen, sondern findet Trost darin, Fragen zu stellen. Keiner kann dir sagen, dass du kein echter Native seist. Viele Natives, die versuchen, wieder Anschluss zu finden oder mehr über ihre Kultur zu erfahren, haben Angst, nicht akzeptiert zu werden. Aber oft ist es genau das, was unsere Ältesten zu tun versuchen: die Kultur weiter voranzutreiben. Sie wollen nur, dass die Leute sich bemühen.“
Wie würde er beschreiben, was es heißt, heute in Amerika Land jung und Lakota zu sein? „Es gibt vieles, was einen wütend macht, aber da ist auch ein immenses Gefühl von Stolz, dass es uns noch gibt. Wir haben überlebt. Und wir haben eine so reiche, erstaunliche Kultur, die so viele Menschen inspiriert“, erklärt Otis leidenschaftlich.
Er will seine ganze Kraft in seine Musik stecken, unzählige weitere Songs schreiben und in Zukunft auf den großen Bühnen der Nation vor Tausenden von Menschen stehen – sein künstlerisches Schaffen entschlossen, leidenschaftlich und visionär. „Die Menschen lieben es, über die Tragödie zu sprechen, der die Native Americans zum Opfer gefallen sind. Manchmal gehen die Leute zu sehr darin auf, wie sehr sie alles bedauern“, sagt Otis. „Sei ein verständnisvoller Mensch und bereit, zu lernen und aufgeschlossen zu sein, aber fokussiere dich nicht zu sehr auf die Schuldfrage“, rät Otis. „Ich bin nicht zerstört. Ich bin immer noch hier, ich lebe mein Leben und habe eine tolle Zeit. Die Leute sagen: Es tut uns so leid, was wir dir angetan haben. Aber ich liege doch nicht auf dem Boden und sterbe.“ Otis grinst, mit der gleichen Positivität, die er gerne in seine Songs einfließen lässt. „Es ist einfach wichtig zu sagen, dass wir immer noch hier sind und dass es so viel Schönheit in den Kulturen gibt, die wir in uns tragen.“
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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