Loading svg Please wait while we translate the article
  • Startseite
  • Kultur
  • „Ich mag es, an Orte zu gehen, an denen man mich nicht erwartet, und darin aufzublühen"

„Ich mag es, an Orte zu gehen, an denen man mich nicht erwartet, und darin aufzublühen"

Der US-Produzent WLPWR spricht über die psychologischen Fähigkeiten eines Musikproduzenten, schwarze Künstler in der Country-Musik und den Tod und die Wiedergeburt des Hip-Hop.
Von Katharina Moser

Es ist Freitagabend in Nashville, Tennessee, die Abenddämmerung bricht über die East Iris Studios herein, Eiswürfel klirren in Whiskeygläsern in tätowierten Händen, und die Studiolichter leuchten in der Dunkelheit der Sommernacht auf der Veranda. Eine Klang tanzt in der Luft, summt durch die Straßen und raschelt im Laub der blühenden Magnolienbäume - und er führt einen direkt in die East Iris Studios, in einen Raum, wo die Türen versiegelt sind und das Mischpult im Halbdunkel dämmert. In seiner Mitte sitzt der Ursprung des Sounds, der lässig Beats und Drums testet, ein Mann, der sich rühmen kann, einer der vielseitigsten und stilistisch ausgeprägtesten Hip-Hop-Produzenten unserer Zeit zu sein: WLPWR, Gründer von SupaHotBeats und BNDWTH, eine Ikone der Branche, die mit niemand Geringerem als bekannten Namen wie Eminem, Wiz Khalifa oder Killer Mike gearbeitet hat.

„Mir geht es super gut, ich mache viel Musik und komme gut voran", sagt WLPWR einen Tag später im selben Studio und lächelt breit. Es war eine arbeitsreiche Woche für ihn, nur wenige Tage vor der Veröffentlichung des Albums War Story des US-Rappers Yelawolf, für den WLPWR eine wesentliche Hälfte des Doppelalbums produziert hat. Der ursprünglich aus Atlanta stammende Produzent ist vor drei Monaten nach Nashville gezogen – und nun kann sich Nashville rühmen, das neue Zentrum eines der bemerkenswertesten Produktionsstile zu sein, die sich in letzter Zeit im Hip-Hop etabliert haben. „Ich bin bekannt für meine Drum-Auswahl, meine Kadenzen und meine 808s. Ich habe auch diese interessanten Melodien, die die Leute wiedererkennen", sagt WLPWR. „Ich habe schon immer die typischen Elemente des Hip-Hop auf unkonventionelle Weise mit Melodien versehen."

Es ist diese Sensibilität dafür, wie sich Musik anfühlt und wie sie bei Menschen ankommt, die uns daran erinnert, dass Musik zu produzieren so viel mehr ist, als nur Knöpfe zu drücken und Schalter umzulegen – es bedeutet, die innere Welt des Künstlers, seine tiefsten Gedanken und Emotionen, in greifbare Klänge und Frequenzen zu übersetzen. Was braucht ein Produzent also, um mit einem Künstler zu arbeiten? „Es geht immer zuerst um den Vibe. Es ist wichtig, mit einem Künstler zu sprechen, ihn kennen zu lernen." Manchmal kennt ein Produzent einen Künstler schon seit Jahren und hat ein tiefes Verständnis für dessen Ausdrucksweise. „Aber dann gibt es auch Künstler, die ich zum ersten Mal treffe und man hat nur eine Stunde Zeit, um sich kennenzu lernen. In diesem Fall führen wir Gespräche, und ich versuche einfach, mich darauf einzulassen, wer sie sind und worauf sie stehen. Ich interessiere mich dafür, was sie hören und was sie an Musik begeistert, und ich finde Wege, das als Ausgangspunkt dafür zu nehmen, wohin wir musikalisch gehen sollten." Um ein Gespür für das Gefühlsleben des Künstlers zu bekommen, muss der Produzent die Energie aufspüren, die der Künstler ins Studio mitbringt – ob Aufregung oder Herzschmerz, Freude oder Traurigkeit. „Das ist mein Job: Ich muss die Energie und die Frequenz der Menschen auffangen. Was wollen sie wirklich sagen? Meine Aufgabe ist es, das in die Produktion zu übertragen."

„Ein Produzent muss gut zuhören“

Viele denken, dass ein Produzent nur ein Programmierer oder Beatmaker ist. Das ist ein Teil davon. „Aber der andere Teil ist, dass man in der Lage sein muss, mit Menschen zu kommunizieren und aus einem Künstler das herauszuholen, was in ihm steckt. Du musst ihnen helfen, das Ziel zu erreichen, das sie musikalisch anstreben. Man muss in der Lage sein, sich in dort hineinzuversetzen, wo der Künstler sich an diesem Tag mental befindet."

Das ist keine geringe Verantwortung – oft genug kommt ein Künstler erst dann auf einen guten Songtext, wenn der Produzent schon einen Beat und eine Grundstruktur für den Song gelegt hat. Wie macht er das – das beste Potenzial aus einem Künstler herauskitzeln? „Ich höre wirklich gut zu. Während ich produziere, sammle ich Informationen über den Künstler und seine Ideen. Mein Job ist es, das Potenzial zu maximieren", erklärt WLPWR. „Und dann muss ich in meine mentale Bibliothek gehen und herausfinden, wo der große Song darin ist. Es muss die beste Version von sich selbst sein."

WLPWRs mentale Bibliothek, so könnte man sagen, ist nicht die eines typischen Rap-Produzenten – sie schöpft vielmehr aus einer Vielzahl verschiedener Musikgenres und -stile. Er arbeitet mit Rock- und Country-Elementen und verbindet diese überzeugend mit Traditionen des Hip-Hop. „Als Produzent möchte ich auf eine Art und Weise arbeiten, die mich herausfordert und mich dazu bringt, etwas zu tun, woran ich nicht gedacht habe. Ich bin begeistert, wenn sich mir die Gelegenheit bietet, mit einem Rock- oder Country-Künstler zu arbeiten", sagt WLPWR. „Ich mag es, an Orte zu gehen, an denen man mich nicht erwartet, und darin aufzublühen."

Das bringt auf den Punkt, was WLPWR auf seinem Lebensweg geprägt hat. „Ich bin eine Militärkind. Mein Vater war an verschiedenen Orten stationiert und wir mussten immer mit ihm umziehen. Ich war an allen möglichen Orten im Süden der USA", beschreibt der Produzent sein Aufwachsen. „Ich wurde in so viele Kulturen eingeführt. Ich habe gelernt, mich dem anzupassen" Das hat ihn auch musikalisch geformt. „Ich habe nie nur eine bestimmte Art von Musik gehört. Ich hatte weiße Freunde, die Rockmusik hörten, Schwarze Freunde, die Hip-Hop hörten. Das ständige Umziehen hat mir geholfen zu lernen, wie ich mich immer wieder neu in neue Situationen einbringen kann. Es half mir herauszufinden, wo ich hingehöre."

Genre-Mauern niederreißen

Sein Aufstieg als erfolgreicher Hip-Hop-Produzent mag eine wundersame Reise sein, aber sie passt zu WLPWRs Fähigkeiten, sich in verschiedenen Räumen zurechtzufinden, mit Menschen in Kontakt zu treten und seine künstlerische Präsenz herauszuarbeiten. WLPWRs Karriere begann in einer Band. „Ich wollte es als Sänger schaffen, habe es nicht geschafft. Aber ich verliebte mich in den Prozess des Musikmachens. Ich hatte damals einen ziemlich starken Produzenten, von dem ich nicht einmal wusste, dass er das war, als ich ihn traf. Ich verstand den Job überhaupt nicht. Aber ich fand es toll, was er tat und in welcher Position er war", sagt WLPWR. „Ich beschloss also ziemlich früh, dass ich in der Musik genau das machen wollte. Und das hat sich schnell manifestiert." Nach der Schule ging er nach New York, wo er den Rapper Yelawolf kennenlernte. „Von da an war ich immer derjenige, der hilft, einen Song zu kreieren und zu bedienen. Als Produzent muss ich den Song von der Idee bis zur Verwirklichung begleiten. Und das liebe ich", sagt WLPWR.

Als jemand, der immer ein offenes Ohr für alles hat, was in der Musikindustrie passiert, hat WLPWR beobachtet, dass Schwarze Künstler in letzter Zeit zunehmend Country-Musik machen – nicht zuletzt Beyoncé mit ihrem Album „Cowboy Carter". „Als Yelawolf und ich 2012 das Album Love Story gemacht haben, waren wir die ersten, von denen ich weiß, die authentischen Country und authentischen Hip-Hop miteinander verbiunden haben. Da ich ein Schwarzer Kreativer bin, haben mich viele meiner Freunde gefragt, was ich da mache... bis wir das Album fertig hatten und sie merkten, wie gut es war", erzählt WLPWR. „Ich sage den Leuten immer, dass es nur Musik ist. Ich verstehe, dass es eine Geschichte mit Country-Musik gibt und dass die Leute sagen, sie sei nichts für Schwarze Menschen. Aber das ist sie durchaus. Denn in dieser Musik steckt eine Menge Wahrheit und eine Menge Gefühl. Und Hip-Hop ist nichts anderes.“

Obwohl Country zumeist als ein überwiegend weißes, bisweilen Redneck-lastiges Genre bezeichnet wird, das ein als weiß empfundenes amerikanisches Kernland anspricht, ist sie von ihren historischen Ursprüngen her ein von afroamerikanischen Klängen und Stilen geprägtes Genre. „Schwarze Menschen haben Country miterschaffen. Das ist nicht neu für uns. Wir haben es nur nicht angenommen", sagt WLPWR. „Ich liebe es zu sehen, wenn Genre-Mauern niedergerissen werden und neue Kreative eintreten können. Dabei spielt Hautfarbe keine Rolle."

In diesem Sinne Country-Musik Schwarzer Künstler eigentlich keine Übernahme, sondern die Rückgewinnung eines alten Erbes. „Ich verstehe, dass es schräg ist, wenn Beyoncé Country-Musik macht. Aber ich schätze es trotzdem. Denn es gibt nur wenige Menschen, die Kultur verändern können, und sie ist eine von ihnen", argumentiert WLPWR. „Die Leute sagen, ihr Country-Album sei nicht so gut gewesen. Ich glaube nicht einmal, dass das der Punkt war. Es ging darum, dass alle wissen, dass es uns gibt. Und dass auch wir Country können."

Hip-Hop in einer Krise

Warum, denkt WLPWR, passiert das ausgerechnet jetzt? „Ich glaube, es liegt daran, dass Hip-Hop im Moment zu kämpfen hat. Seine Definition hat sich stark verändert. Die Jüngeren haben ihre Version von Hip-Hop, und die Älteren haben ihre. Ich glaube nicht, dass sie sich einig sind. Das wirkt sich auf die Darbietung und die Rezeption der Musik aus", sagt WLPWR. „Es gibt zu viel Hip-Hop. Also gehen Kreative natürlich dorthin, wo sie gehört werden können, und versuchen, Räume zu finden, die nicht überladen sind.“ Hip-Hop befindet sich laut WLPWR in einer Krise. „Aber ich glaube nicht, dass Hip-Hop verschwinden wird, weil so viel Kunst von Hip-Hop beeinflusst wird, dass Hip-Hop auch in anderen Genres Einzug halten wird."

Aus diesem Grund sieht WLPWR die Zukunft des Hip-Hops im Experimentellen. Macht er sich Sorgen, dass der Hip-Hop einfach ausstirbt? „Für mich ist er zyklisch. Es wird Höhen und Tiefen geben, und wir befinden uns in einer Flaute. Es ist Zeit für eine Veränderung." WLPWR ist gespannt, wie diese neuen Ideen aussehen könnten. „Ich mag es, zu experimentieren und alles in Hip-Hop zu verwandeln. Meine Antwort ist, dass Hip-Hop zu anderen Genres werden wird. So wird er am Leben bleiben."

Trotz der düsteren Aussichten für das Genre ist sich WLPWR sicher, dass er Hip-Hop nicht so bald aufgeben wird. Der Produzent hat bei allem Erfolg in der Branche noch ein paar Ziele und Träume in petto. Ein weiterer Punkt auf seiner Bucket List: ein großer Chart-Erfolg, ein Top-40-Song. „Aber ich bin nicht bereit, dafür meine Integrität zu riskieren. Ich will es mit einem Song schaffen, er meine eigene Version eines großartigen Songs ist. Ich möchte Musik produzieren, die immer kreativ bleibt. Und ich hoffe, dass ich bei den Leuten weiterhin diesen Hunger nach gutem Hip-Hop finde." Hip-Hop ist im Wandel, Epochen gehen zu Ende. „Ich bin bereit für neue Sounds", sagt WLPWR. Und ganz sicher ist er nicht nur bereit dafür – sondern auch ein Schlüssel, um sie zu erschaffen.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2025-03-24

Zu diesem Artikel wurden keine Kommentare hinterlassen

Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar zu hinterlassen