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Die Spuren des vermissten Mannes waren in einem Seitenarm des Swakopriviers. Foto: Privat
Die Spuren des vermissten Mannes waren in einem Seitenarm des Swakopriviers. Foto: Privat

Der weiße Buschmann

Vom Wilderer zum Wildhüter
Im Jahre 1929 in Windhoek geboren, lernt Peter Stark, wie so viele „Südwester", schon als Kind den Umgang mit einer Jagdwaffe und von einem Farmarbeiter das Verhalten des Wildes. Seine Liebe zur freien Natur, dem Reitsport und vor allem der Jagd, verführten ihn zu Abenteuern, die ihn oft in Schwierigkeiten brachten. Seine Einstellung zur Jagd ändert sich drastisch, als er von der Abteilung Naturschutz der ehemaligen SWA-Administration angestellt wird und er nun Wilddiebe aufspüren muss, um das Wild im Etoscha-Nationalpark als Wildhüter zu beschützen.
91. Folge

Höhepunkt als Spurenleser 3/3

Erst nach neun Uhr, die Sonne brannte schon heiß, kamen die zwei Hubschrauber. Zwei frisch rasierte, geschniegelte Piloten stiegen aus. Ich hätte sie am liebsten erdrosselt. Aber es waren nicht meine Soldaten!!! Naudé bat mich, mitsuchen zu dürfen. Das war mir eine willkommene Idee. Wir beide, die zwei Spurenleser und der Radiotruppler flogen zu dem River, wo ich die letzten Spuren am vorherigen Tag aufgeben musste. Die Männer nahmen die Spuren auf. Naudé und ich flogen zum nächsten Höhenzug und beim nächsten Rivier setzte man uns ab. Nachdem ich die neuen Spuren gefunden hatte, zeigte ich ihm, wie die Spuren aussahen, da er selbst auch nach Spuren suchen wollte. Dann ließen wir unsere Helfer holen und setzten sie auf den neugefundenen Spuren an. Naudé und ich flogen wieder über den nächsten Höhenzug. Ich selbst suchte im angrenzenden Trockenfluss nach Spuren, Naudé ließ sich erst nach dem folgenden Höhenzug neben einem Rivier absetzen, also ein „Haus“ weiter als ich. Während ich noch in meinem Rivier nach Spuren suchte, ließ Naudé mich über Sprechfunk wissen, dass er bereits Spuren gefunden hätte, ich sollte bitte kommen und bestätigen, dass es die richtigen wären. Als ich bei ihm landete, stellte ich fest, dass es die richtigen Spuren waren. Die Spuren waren in einem Seitenarm des großen Swakopriviers. Wir folgten den Spuren bis der Seitenarm in den großen Swakop mündete. Dort verliefen sie nun mit dem Rivier nach Westen, im Sand waren die Spuren sehr deutlich. Sie schienen sehr frisch zu sein und den Spuren nach torkelte der Mann. Er musste am Ende seiner Kräfte sein. Da die Spuren sehr deutlich waren und mitten im Sand des Swakop verliefen, konnte man sie sogar von der Luft aus verfolgen. Ich ließ den Hubschrauber kommen und wir folgten den Spuren per Hubschrauber.

Gefunden!

Nach kurzer Zeit gewahrten wir den Gesuchten, wie er unter einem Busch hervorrollte. Er kniete, blickte zu uns empor und streckte beide Arme zur Seite. Er erinnerte mich lebhaft an eine Christusfigur. Wir hatten ihn gefunden!!! Er lebte!!! Wir landeten neben ihm. Mit letzter Kraft stellte er sich auf die Füße und kam wie ein Schwerbetrunkener auf mich zu getorkelt, nachdem ich aus dem Hubschrauber gestiegen war. Er wollte mich umarmen, aber ich hielt ihn mir vom Leibe. Es mag eigenartig klingen, aber im ersten Augenblick hatte ich Angst vor ihm. Vor mir stand eine lebendige, sich bewegende Mumie. Aus dem totenkopfähnlichen Gesicht blickten mich zwei riesengroße blaue Augen aus tiefen Höhlen an. Da er nicht sprechen konnte und nur unzusammenhängende Laute von sich gab, dachte ich, der Mann sei irre. Außerdem roch er fürchterlich. Deshalb hielt ich ihn mir vom Leibe. Aus den dick angeschwollenen blutverkrusteten Lippen kamen nur tierische Laute. Der Rest des Körpers war ein sich bewegendes Skelett, auf welches die Sonne unbarmherzig niedergebrannt hatte. Um ihn zu beruhigen, sagte ich immer wieder: „Beruhigen Sie sich, Sie sind gerettet, wir bringen Sie in ein Krankenhaus!“ Inzwischen war der zweite Hubschrauber auch neben uns gelandet. Wir verfrachteten den Mann in unseren Hubschrauber. Er saß in der Mitte, ich rechts von ihm, der eine Spurenleser links von ihm und so stützten wir ihn während des Fluges. Naudé hatte beschlossen, dass wir ihn mit dem Flugzeug nach Swakopmund bringen sollten, da das Lager abgebrochen werden musste und die zwei Hubschrauber nach Walvis Bay zurückfliegen sollten.

Als wir mit dem Gesuchten, ihn stützend, zum wartenden Flugzeug liefen, hatte sich vor dem Flugzeug ein Ehrenspalier aus der teilnehmenden Suchgesellschaft gebildet. Als wir durch das Spalier durch gingen, klatschten alle in die Hände und sangen ein Lied. So was gibt’s nur noch in Südwest!! Während des Fluges nach Swakopmund streichelte der Baron abwechselnd mir und dem neben ihn sitzenden Nama dankbar über die Wangen. Wegen der dick angeschwollenen Zunge und Lippen konnte er nur unverständlich lallen. Am Swakopmunder Flugplatz wartete eine Ambulanz, die ihn sofort ins Krankenhaus brachte.

Als Immo mich abholte, war in mir ein unendliches Gefühl der Dankbarkeit meinem Schöpfer gegenüber. Nur durch sein Zutun und seine Hilfe war es mir möglich gewesen, dieses Menschenleben zu retten!

Besuch im Krankenhaus

Am nächsten Morgen, dem Sonntag, wollte ich mit Leona und den Kindern zurück nach Hause fahren. Vorher aber wollte ich von der Ropp besuchen und mit ihm sprechen. Ich hatte mich fortwährend gewundert, wie er es fertig gebracht hatte, vier Tage ohne Wasser in der heißen Wüste zu überleben. Das war unmöglich, das wusste ich von Überlebenskursen her. Zwei Tage wären schon äußerst kritisch gewesen. Deshalb fuhren wir erst zum Krankenhaus. Er lag in einem weißen Bett und bekam Flüssigkeit und Nahrung durch die Adern. Er konnte nicht sprechen. Die Lippen und Zunge waren dick angeschwollen und er roch noch immer fürchterlich. Nach einigen Versuchen ihn zum Sprechen zu bringen, gab ich auf. Ich gab ihm einen Zettel mit meiner Adresse und der Bitte, mir einen Brief zu schreiben, in welchem er seine Erlebnisse schildern sollte und wie es möglich gewesen war, vier Tage ohne Wasser zu überleben. Wir verabschiedeten uns und fuhren mit den Kindern in die Republik. Wir hatten Herrn von der Ropp am 13. Dezember 1975 gefunden. Noch heute schickt er mir jedes Jahr zum 13. Dezember ein Buch, oft sehr schöne Pferdebücher, oder er schreibt mir einen Brief. Er betrachtet den 13. Dezember als das Datum seiner Wiedergeburt. Als das Jahr zu Ende ging, zu Silvester, läutete bei uns zu Hause das Telefon. Klaus von der Ropp meldete sich. Er war speziell in die Republik gefahren, um mir persönlich zu danken und um mir selbst seine Erfahrung zu schildern. Wir holten ihn in Potchefstroom ab. Abends, nach dem Essen, begann er zu erzählen. Angeregt unterhielten wir uns die ganze Nacht durch, bis am nächsten Morgen die Sonne aufging. Das war unser gemeinsames Silvester 1975.

Seine Erzählung

Von seiner „Fußwanderung in der Wüste“ erzählte er folgendes: „Ich war mit dem Reiseleiter losgegangen, um bei der Mine an der vermeintlichen Blutkuppe Hilfe zu holen. Spätnachmittag erkannte der Reiseleiter, dass er sich geirrt hatte. Er wollte weiter nach der Mine suchen und schickte mich zum Landrover zurück, da ich kein Hemd anhatte. Ich konnte den Landrover jedoch nicht mehr finden und verbrachte die erste Nacht in einer Höhle. Es wurde bitter kalt. Am nächsten Morgen ging ich weiter nach Norden, wo nach Aussage des Reiseleiters die Blutkuppe und die Mine gelegen sei. Ich hielt meinen Kurs nach Norden, fand aber nichts. Die zweite Nacht verbrachte ich wieder in einer Höhle. Der Durst plagte sehr. Am Mittwochmorgen kam ich an ein Rivier, wo viel Wild zu sehen war. Das Wild hatte Löcher in den Riviersand geschlagen auf der Suche nach Wasser. In einem der Löcher stand Wasser, mit welchem ich meinen Durst löschen konnte. Danach beschloss ich, weiter nach Norden zu gehen und übernachtete wieder in den Bergen. Am Donnerstag kam ich während meiner Wanderung an einer Kakteenart vorbei, die mir saftig und üppig erschien. Als ich eine abbrach, sprudelte eine herrliche weiße Milch aus der Bruchstelle. Ich beschloss davon zu trinken. Nach den ersten paar Schlucken fing mein Mund und Innerstes fürchterlich an zu brennen. Danach litt ich die fürchterlichsten Qualen. (Es war die giftige Euphorbia virosa, deren Gift die Damaras in die Wasserstellen werfen, um Wild damit zu töten.) Es war so schlimm, dass ich mir eine Höhle suchte, da ich nicht weiter konnte. In dieser Höhle verfiel ich in ein Delirium und hatte die schlimmsten Vorstellungen. Ich träumte, dass die Nazis mich peinigten und mich umbringen wollten. Am Freitag beschloss ich, mit letzter Kraft und unter fürchterlichen Schmerzen, weiter zu laufen. Immer wieder dröhnte über mir ein Flugzeug, aber keiner sah mich. Dann kam ich an einen großen Trockenfluss, der der Swakop hätte sein können. Ich beschloss, nach Westen abzudrehen, in der Hoffnung, eine Siedlung oder Swakopmund zu erreichen. Als die Hitze zu schlimm wurde, tat ich mich im Schatten eines Dornbusches nieder. Ich war am Ende meiner Kräfte. Plötzlich ertönte über mir wie Fanfaren aus dem Himmel das Geräusch des anfliegenden Hubschraubers. Dann kamt ihr!“

Am Neujahrsmorgen brachten wir den Besucher wieder nach Potchefstroom, von wo aus er weiterreiste.

Wie schon erwähnt, seitdem hielt von der Ropp durch Briefwechsel Verbindung mit mir. Da ich ein sehr fauler Briefschreiber bin, muss ich gestehen, dass ich nicht immer antworte. „Was lange währt, wird endlich gut!“ Ab und zu antworte ich doch. In Gedanken bin ich aber oft bei ihm. Dann gehen die Erlebnisse der Suche nach ihm immer wieder durch mein Gedächtnis. Wie viele Ereignisse in meinem Leben als Jäger und Fährtensucher hatten es mir möglich gemacht, diesen Höhepunkt als Spurenleser zu erreichen. Auch ein missratener erster Überlebenskursus spielte dabei eine große Rolle: das Bedürfnis, einen Verdurstenden retten zu können!

Auch negative Erfahrungen im Leben haben einen Sinn, nur muss man das Negative zum Positiven verwerten. Heute bin ich ein alter Mann, der kaum noch laufen kann. Viele Operationen nach schweren Krankheiten und Unfällen haben mich am Leben gehalten. Vorbei sind die tagelangen Fußmärsche durch tiefen Sand und Dornengestrüpp bei sengender Sonne. Man geht einen natürlichen Weg! Wenn ich nicht der Armee angehört hätte, hätte ich all diese Operationen finanziell nicht bestreiten können.

Ich glaube, mein Lebensweg war mir von Anfang an vorgeschrieben und Gott hat seine schützende Hand über mich gehalten.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2025-06-22

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