Der weiße Buschmann
Vom Wilderer zum Wildhüter
Im Jahre 1929 in Windhoek geboren, lernt Peter Stark, wie so viele „Südwester", schon als Kind den Umgang mit einer Jagdwaffe und von einem Farmarbeiter das Verhalten des Wildes. Seine Leibe zur freien Natur, dem Reitsport und vor allem der Jagd, verführten ihn zu Abenteuern, die ihn oft in Schwierigkeiten brachten. Seine Einstellung zur Jagd ändert sich drastisch, als er von der Abteilung Naturschutz der ehemaligen SWA-Administration angestellt wird und er nun die Wilddiebe aufspüren muss, um das Wild im Etoscha-Nationalpark als Wildhüter zu beschützen.
61. Folge
Beinahe Löwenfutter geworden
Wenn man fast täglich mit Löwen zu tun hat, wird man leichtsinnig. Auf Okaukuejo war nach einiger Zeit noch ein zweiter Naturschutzbeamter angestellt worden, André Duvenhage.
Da in Etoscha die Naturschutzbeamten keinerlei Fleisch für den Eigenbedarf schießen durften, kam es vor, dass wir Feldwächter manchmal von dem Fleisch einer Löwenbeute uns einen Teil zueigneten. Hatten die Löwen ein Tier frisch geschlagen, haben wir bei Gelegenheit die Löwen mit Steinen verjagt und für uns selbst ein Stück abgeschnitten. Es musste aber immer noch genug für die Löwen übrigbleiben. Eines Tages kam André von einer Patrouille mit seinem schwer verletzten Helfer zurück. Sie hatten die vorige Nacht im Busch verbracht, ein Löwe hatte den Buschmann, der neben ihm schlief, gegriffen und weggeschleppt. André hatte auf den Löwen geschossen, der Löwe hatte den Buschmann fallen lassen und war weggelaufen. Während André von seinem Feldbett aufgesprungen war und mit dem Gewehr in die Richtung des schreienden Buschmanns rannte, sprang ein anderer Löwe hinter Andrés Rücken auf das Feldbett, das dabei umfiel. Der Löwe erschreckte sich und verschwand wieder. André hatte nur das Geräusch des fallenden Bettes gehört. André hob den Verletzten auf und brachte ihn zum Lager zurück. Dort fand er sein umgefallenes Feldbett, er brach das Lager ab und fuhr mit dem verletzten Helfer nach Okaukuejo, von wo aus man ihn zur ärztlichen Behandlung nach Outjo brachte.
Da das Ganze ein sehr ernsthafter Vorfall war, und ich den Ruf eines guten Spurenlesers hatte, sollte ich mit André zum Tatort fahren und das ganze Ereignis nachprüfen. Auf der Fahrt zum Lager gestand André mir, dass er und sein Buschmann am vorigen Tag Aasgeier hatten niederstreichen sehen. Sie fanden ein Rudel Löwen an einem frisch geschlagenen Gemsbockkadaver. Sie verjagten die Löwen und nahmen sich Fleisch von dem Gemsbock. Da es schon später Nachmittag war, suchten sie sich eine geeignete Stelle zum Übernachten. Sie hängten das Fleisch an einen Baum direkt über sich, was ein grober Fehler war. Am Nachtlager suchte ich dann nach den Spuren. Das Erste, was mir auffiel war, dass es nur ein ganz kleines Lagerfeuer gewesen sein musste. Auf meine Frage, warum, sagte André, dass er den Rauch eines Feuers nicht vertragen könne. Ein Lagerfeuer, welches die ganze Nacht über brennt, ist gegen Löwen auf jeden Fall ein Abschreckmittel. Hätte man uns Feldwächtern wenigstens einen Hund erlaubt, wäre das Übernachten im Busch sehr viel einfacher und sicherer. Es braucht nur ein kleiner Terrier zu sein, der in der Nacht an Hand seines Geruchsinns vorzeitig warnen kann. Ich weiß, dass man in Südafrika den Feldwächtern im Kruger Park einen bzw. mehrere Hunde erlaubt.
Zwei grobe Fehler
Den ersten groben Fehler, den die beiden machten, war, dass sie das Gemsbockfleisch direkt über sich aufgehängt hatten. Der zweite grobe Fehler, dass das Lagerfeuer gelöscht wurde. Man kann auch oberhalb eines Lagerfeuers schlafen. An Hand der Spuren stellte ich fest, dass ein großes Rudel Löwen immer im Kreis um das Lager geschlichen war, wahrscheinlich schon während die beiden noch am Feuer saßen und ihre Abendmahlzeit bereiteten. Wie leicht hätte ein Hund da schon zeitig warnen können! So geschah es, dass ein Löwe den Buschmann ergriff und wegschleppte und als André aufsprang und hinter dem schreienden Buschmann hinterherlief, ein anderer Löwe den Mut schöpfte, um André anzugreifen. Dabei sprang er auf das Feldbett, dies fiel um und der Löwe erschreckte sich und ließ von seinem Vorhaben ab. Was wäre geschehen, wenn der zweite Löwe André von hinten ergriffen und getötet hätte? André war ein feister Braten. Das große Rudel Löwen hätte beide getötet und verspeist und niemand hätte gewusst, wo das Auto stand. Wahrscheinlich erst Tage später hätte man die beiden vermisst und nach langer, mühseliger Nachsuche hätte man das Lager gefunden, mit ein paar zerrissenen blutigen Kleiderfetzen. Der Buschmann wurde wieder gesund; zurück allerdings blieben ein paar daumentiefe Narben. Er selbst weigerte sich fortan, wieder im Feld zu schlafen, er wurde als Hilfe im Kamp angestellt.
Bei einer anderen Begebenheit hatten wir tagelang versucht, einen Grasbrand zu löschen. An der Nordgrenze, in der Nähe von Narawandu, hatten wir abends endlich das Feuer unter Kontrolle. Weil wir so müde waren, legten wir uns einfach dort schlafen, wo wir die letzten Flammen gelöscht hatten. Da es eine löwenarme Gegend war, gingen wir sorglos schlafen. Kurz nach Mitternacht wurde ich von einem lauten „Voetsek, voetsek“ Geschrei wach (der landesübliche Ausdruck, um einen Hund zu verjagen). Als ich von meinem Lager mit dem Gewehr in der Hand aufsprang, hörte ich nur noch die verhallenden Galoppsprünge eines großen Löwen. Moses, der oft nachts rauchte, war nach Mitternacht wach geworden und hatte sich eine Pfeife angesteckt. Tobias schlief ganz in seiner Nähe. Als er zu Tobias hinschaute, gewahrte er einen großen Mähnenlöwen neben dessen Kopf. Daraufhin schlug Moses Alarm. Wieder war es Tobias, auf den die Löwen es abgesehen hatten.
Ein andermal waren wir dabei die Tränke bei Ozonjuitji m’bari zu mauern, nicht weit von Leeubron entfernt. Wir schlugen das Lager nicht weit vom Windmotor auf. Ich schlief zu ebener Erde auf der einen Seite vom Feuer, die Buschmänner auf der anderen, wie wir das so oft taten. Am nächsten Morgen saßen wir alle ums Feuer herum. Tobias hatte ein bisschen länger in seinen Decken gelegen, als das Kaffeewasser kochte, setzte er sich verschlafen aufrecht auf seine Matratze. Plötzlich sagte er nur: „Mû re, mû re!“ (Guck bitte, guck bitte). Er deutete entsetzt auf die andere Seite seines Betts. Direkt neben ihm waren die Spuren einer jungen Löwin. Sie hatte nicht nur dort gestanden, sondern sich auch friedlich wie eine Miezekatze neben ihn gelegt! - Was die wohl gedacht hat? - Das ganze Rudel Leeubronlöwen hatte uns besucht. Anscheinend waren alle von der Löwenparty vollgefressen und sie waren nur neugierig, Moses, der Oberspötter, musste furchtbar lachen und meinte: „Tobias, du solltest dir doch lieber deine eigene Frau mitbringen!“
Beinahe Löwenfutter geworden
Wenn man fast täglich mit Löwen zu tun hat, wird man leichtsinnig. Auf Okaukuejo war nach einiger Zeit noch ein zweiter Naturschutzbeamter angestellt worden, André Duvenhage.
Da in Etoscha die Naturschutzbeamten keinerlei Fleisch für den Eigenbedarf schießen durften, kam es vor, dass wir Feldwächter manchmal von dem Fleisch einer Löwenbeute uns einen Teil zueigneten. Hatten die Löwen ein Tier frisch geschlagen, haben wir bei Gelegenheit die Löwen mit Steinen verjagt und für uns selbst ein Stück abgeschnitten. Es musste aber immer noch genug für die Löwen übrigbleiben. Eines Tages kam André von einer Patrouille mit seinem schwer verletzten Helfer zurück. Sie hatten die vorige Nacht im Busch verbracht, ein Löwe hatte den Buschmann, der neben ihm schlief, gegriffen und weggeschleppt. André hatte auf den Löwen geschossen, der Löwe hatte den Buschmann fallen lassen und war weggelaufen. Während André von seinem Feldbett aufgesprungen war und mit dem Gewehr in die Richtung des schreienden Buschmanns rannte, sprang ein anderer Löwe hinter Andrés Rücken auf das Feldbett, das dabei umfiel. Der Löwe erschreckte sich und verschwand wieder. André hatte nur das Geräusch des fallenden Bettes gehört. André hob den Verletzten auf und brachte ihn zum Lager zurück. Dort fand er sein umgefallenes Feldbett, er brach das Lager ab und fuhr mit dem verletzten Helfer nach Okaukuejo, von wo aus man ihn zur ärztlichen Behandlung nach Outjo brachte.
Da das Ganze ein sehr ernsthafter Vorfall war, und ich den Ruf eines guten Spurenlesers hatte, sollte ich mit André zum Tatort fahren und das ganze Ereignis nachprüfen. Auf der Fahrt zum Lager gestand André mir, dass er und sein Buschmann am vorigen Tag Aasgeier hatten niederstreichen sehen. Sie fanden ein Rudel Löwen an einem frisch geschlagenen Gemsbockkadaver. Sie verjagten die Löwen und nahmen sich Fleisch von dem Gemsbock. Da es schon später Nachmittag war, suchten sie sich eine geeignete Stelle zum Übernachten. Sie hängten das Fleisch an einen Baum direkt über sich, was ein grober Fehler war. Am Nachtlager suchte ich dann nach den Spuren. Das Erste, was mir auffiel war, dass es nur ein ganz kleines Lagerfeuer gewesen sein musste. Auf meine Frage, warum, sagte André, dass er den Rauch eines Feuers nicht vertragen könne. Ein Lagerfeuer, welches die ganze Nacht über brennt, ist gegen Löwen auf jeden Fall ein Abschreckmittel. Hätte man uns Feldwächtern wenigstens einen Hund erlaubt, wäre das Übernachten im Busch sehr viel einfacher und sicherer. Es braucht nur ein kleiner Terrier zu sein, der in der Nacht an Hand seines Geruchsinns vorzeitig warnen kann. Ich weiß, dass man in Südafrika den Feldwächtern im Kruger Park einen bzw. mehrere Hunde erlaubt.
Zwei grobe Fehler
Den ersten groben Fehler, den die beiden machten, war, dass sie das Gemsbockfleisch direkt über sich aufgehängt hatten. Der zweite grobe Fehler, dass das Lagerfeuer gelöscht wurde. Man kann auch oberhalb eines Lagerfeuers schlafen. An Hand der Spuren stellte ich fest, dass ein großes Rudel Löwen immer im Kreis um das Lager geschlichen war, wahrscheinlich schon während die beiden noch am Feuer saßen und ihre Abendmahlzeit bereiteten. Wie leicht hätte ein Hund da schon zeitig warnen können! So geschah es, dass ein Löwe den Buschmann ergriff und wegschleppte und als André aufsprang und hinter dem schreienden Buschmann hinterherlief, ein anderer Löwe den Mut schöpfte, um André anzugreifen. Dabei sprang er auf das Feldbett, dies fiel um und der Löwe erschreckte sich und ließ von seinem Vorhaben ab. Was wäre geschehen, wenn der zweite Löwe André von hinten ergriffen und getötet hätte? André war ein feister Braten. Das große Rudel Löwen hätte beide getötet und verspeist und niemand hätte gewusst, wo das Auto stand. Wahrscheinlich erst Tage später hätte man die beiden vermisst und nach langer, mühseliger Nachsuche hätte man das Lager gefunden, mit ein paar zerrissenen blutigen Kleiderfetzen. Der Buschmann wurde wieder gesund; zurück allerdings blieben ein paar daumentiefe Narben. Er selbst weigerte sich fortan, wieder im Feld zu schlafen, er wurde als Hilfe im Kamp angestellt.
Bei einer anderen Begebenheit hatten wir tagelang versucht, einen Grasbrand zu löschen. An der Nordgrenze, in der Nähe von Narawandu, hatten wir abends endlich das Feuer unter Kontrolle. Weil wir so müde waren, legten wir uns einfach dort schlafen, wo wir die letzten Flammen gelöscht hatten. Da es eine löwenarme Gegend war, gingen wir sorglos schlafen. Kurz nach Mitternacht wurde ich von einem lauten „Voetsek, voetsek“ Geschrei wach (der landesübliche Ausdruck, um einen Hund zu verjagen). Als ich von meinem Lager mit dem Gewehr in der Hand aufsprang, hörte ich nur noch die verhallenden Galoppsprünge eines großen Löwen. Moses, der oft nachts rauchte, war nach Mitternacht wach geworden und hatte sich eine Pfeife angesteckt. Tobias schlief ganz in seiner Nähe. Als er zu Tobias hinschaute, gewahrte er einen großen Mähnenlöwen neben dessen Kopf. Daraufhin schlug Moses Alarm. Wieder war es Tobias, auf den die Löwen es abgesehen hatten.
Ein andermal waren wir dabei die Tränke bei Ozonjuitji m’bari zu mauern, nicht weit von Leeubron entfernt. Wir schlugen das Lager nicht weit vom Windmotor auf. Ich schlief zu ebener Erde auf der einen Seite vom Feuer, die Buschmänner auf der anderen, wie wir das so oft taten. Am nächsten Morgen saßen wir alle ums Feuer herum. Tobias hatte ein bisschen länger in seinen Decken gelegen, als das Kaffeewasser kochte, setzte er sich verschlafen aufrecht auf seine Matratze. Plötzlich sagte er nur: „Mû re, mû re!“ (Guck bitte, guck bitte). Er deutete entsetzt auf die andere Seite seines Betts. Direkt neben ihm waren die Spuren einer jungen Löwin. Sie hatte nicht nur dort gestanden, sondern sich auch friedlich wie eine Miezekatze neben ihn gelegt! - Was die wohl gedacht hat? - Das ganze Rudel Leeubronlöwen hatte uns besucht. Anscheinend waren alle von der Löwenparty vollgefressen und sie waren nur neugierig, Moses, der Oberspötter, musste furchtbar lachen und meinte: „Tobias, du solltest dir doch lieber deine eigene Frau mitbringen!“
Kommentar
Allgemeine Zeitung
Zu diesem Artikel wurden keine Kommentare hinterlassen