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Die Jäger konnten den Leoparden nicht aufspüren. Jedoch stießen sie auf einen großen Kudubullen. Foto: Pixabay
Die Jäger konnten den Leoparden nicht aufspüren. Jedoch stießen sie auf einen großen Kudubullen. Foto: Pixabay

Blauer Diamant

„Blauer Diamant" ist ein detailreicher und lesenswerter Roman über den Lebensweg eines Einwanderers in Deutsch-Südwestafrika zur Zeit der großen Diamantenfunde. Lassen Sie sich in das Jahr 1909 versetzen und fahren mit Willy, der Hauptperson dieses Romans, nach Südwestafrika nach Lüderitzbucht. In der Nähe hatte man Diamanten entdeckt. Wer ist die schöne Fremde auf dem Schiff Windhuk? Kann der reiche Diamanthändler Alexander Winter, Besitzer der Farm BLAUER DIAMANT, mit seinem von einem Leoparden entstellten Gesicht psychisch fertig werden? Wie war das beim Bau der Bahntrasse von Windhoek nach Keetmanshoop und wie heilte der Medizinmann Willy?
42. Folge

Als ich am Abend den Breuers von meinem bevorstehenden Auszug in die Wildnis erzählte, war die erste Reaktion von Herrn Breuer: „Dann müssen Sie jetzt aber endlich mit Ihrem neuen Gewehr üben, das seit vier Wochen unbenutzt in der Ecke steht. Können Sie überhaupt damit umgehen? Das ist hier in der Wildnis unverzichtbar. In Deutschland trifft man draußen im Wald höchstens auf streunende Hunde oder verwilderte Hauskatzen, die man mit einem Fußtritt noch zur Räson bringen kann. Die Katzen bei uns sind jedoch wesentlich größer und schwer zu beeindrucken. Da die Farmer immer weiter in die Lebensräume der Wildkatzen vordringen, haben sie auch besonders unter den Raubkatzen zu leiden. Sie haben uns gebeten, ihnen bei der Jagd zu helfen und so sind wir des Öfteren zu einer Jagd eingeladen. Das nächste Mal werde ich Sie mitnehmen, aber zunächst werden wir zu unserem Schießstand gehen. Dort können Sie Ihr Gewehr einschießen und am nächsten Wochenende kommen Sie mit auf die Jagd. Keine Widerrede! Wir brauchen jeden Mann.“

Ich nickte zustimmend. „Ich danke Ihnen für Ihren Vorschlag und will Ihnen ja gar nicht widersprechen. Das Schießen habe ich zwar bereits zu Hause gelernt, aber Ihr Angebot für ein Training nehme ich gerne an und komme auch gern mit auf die Jagd.“

„Übrigens werden wir nicht allein sein“, fuhr Herr Breuer fort. „Zu uns stoßen noch ein Herr Dr. Pahl, Offizier und Arzt der Schutztruppe und ein weiterer Bekannter, ein Herr Schultz aus der Verwaltung. Dr. Pahl ist nebenbei gesagt nicht nur ein Arzt, dessen Anwesenheit in einer Jagdgesellschaft immer gern gesehen ist, sondern auch ein ausgezeichneter Schütze und ein hervorragender Fährtenleser.“

Herr Breuer hatte gute Beziehungen zum Kriegerverein Windhuk und durch seine Protektion konnte ich auf dem vereinseigenen Schießstand üben. Dort war ich nicht allein. Gewarnt durch den Hereroaufstand, der auch vielen Weißen das Leben gekostet hatte, wollte man vorsichtshalber in Übung bleiben. Nach einigen Übungsstunden und vielen Ratschlägen der Kriegsveteranen und Hinweisen der Jäger war ich für das Überleben in der Wildnis bestens ausgebildet. Ich hatte mir zwar, wie ich Julia versprochen hatte, ein Gewehr gekauft und bei meinen Besuchen immer mitgenommen, aber geschossen hatte ich damit bisher noch nicht. Es war mir klar, dass ich spätestens, wenn ich mit dem Bautrupp in die Wildnis zog, ein Gewehr brauchte und dann müsste ich damit auch sicher umgehen können.

Ich saß mit Herrn Breuer noch eine Weile bei einem Glas Wein zusammen. Herr Breuer las den Lokalteil der umfangreichen Samstagsausgabe der Allgemeinen Zeitung und reichte mir den übrigen Teil. Auf mehreren Seiten erfuhr man das Neueste aus der Heimat, die nächsten Seiten waren Neuigkeiten aus unseren anderen Kolonien gewidmet und auf der letzten Seite gab es Neues aus aller Welt. Interessiert sah ich den Teil mit Nachrichten aus Deutschland durch und stieß auf einen Artikel, der mich fesselte. Es war eine Notiz über eine anonyme Anzeige. Dort stand: „Berlin. Wie wir aus gut unterrichteter Quelle erfahren haben, wurde die Berliner Diamanthandelsgesellschaft W. in einer anonymen Anzeige aus Amsterdam des Diamantenschmuggels in großem Stil bezichtigt. In Berlin wurde eine Gruppe des Kaiserlichen Zollamtes unter der Leitung des Zolloberinspektors Hauser mit der Klärung der Vorwürfe beauftragt. Außerdem soll sich diese Gruppe mit dem überhand nehmenden Diamanten¬schmuggel in unserer Kolonie Deutsch-Südwestafrika befassen. Man schätzt, dass mehr als zehn Prozent der geförderten Diamanten auf dem schwarzen Markt verschwinden.“

Ob mit der Berliner Diamanthandelsgesellschaft W. wohl das Winter‘sche Diamantimperium gemeint war?

„Darf ich Sie in Ihrer Lektüre stören?“, fragte ich Herrn Breuer. Der sah aus seiner Zeitung auf. „Natürlich dürfen Sie das. Worum geht es denn?“

„Ich lese hier gerade, dass jemand anonym eine Berliner Diamanthandelsgesellschaft W. des Diamantschmuggels in großem Stil anonym angezeigt hat. Ob damit wohl das Handelshaus Winter, das auch in Lüderitzbucht vertreten ist und hier in der Nähe eine Farm besitzt, gemeint ist? Viele Diamanthandelsgesellschaften mit W. wird es in Berlin sicher nicht geben.“

„Das ist durchaus möglich“, meinte Herr Breuer. „Obwohl ich mir das bei Winter nicht vorstellen kann. Ich kenne ihn als äußerst seriös erscheinenden Menschen. Und anonyme Anzeigen sind immer mit Vorsicht zu betrachten. Vielleicht ist es nur ein neidischer Konkurrent, der auf diese Weise einen Wettbewerber aus dem Rennen schmeißen will.“

Wir leerten unsere Gläser und ich verabschiedete mich sogleich nach oben in mein Bett, denn die Nacht würde kurz sein.

Die erste Jagd

Bestens vorbereitet machten wir uns am frühen Sonntagmorgen wohl versorgt mit Getränken und Wurstbroten auf den Weg. Wir trafen uns am Pferdestall. Apoll hatte vermutlich geglaubt, an diesem Sonntag endlich einmal seine Ruhe zu haben, aber daraus wurde wieder nichts.

Ich hatte erwartet, dass Offizier Dr. Pahl in der schneidigen Uniform der Schutztruppler erschien. Diese malerischen Uniformen fand ich ausgesprochen schön, sie waren ausgesprochen dekorativ. Die blaugrünen Jacken mit blassblauen Manschetten und einem, den Hals eng umschließenden Stehkragen waren mit silbernen Schnüren verziert. Die gleichfarbigen Hosen steckten in braunen Gamaschen und die linke Seite zierte ein imposanter Säbel. Den besonderen Pfiff stellten die breitkrempigen Hüte dar. Die rechte Seite der Krempe war hochgeklappt und mittels einer Kokarde am Hut befestigt. Aber der Offizier kam heute im braun-oliven Kampfanzug und ohne Säbel. Allerdings, nur wegen einer schönen Uniform wollte ich mich doch nicht bei der Schutztruppe melden. Man kann ja etwas schön finden, ohne es zu praktizieren.

Nach etwas mehr als einer Stunde Ritt in Richtung Auasgebirge erreichten wir eine kleinere Farm. Hier hatte ein Leopard vor einigen Tagen zwei Schafe gerissen und war mit einem Schaf verschwunden. Der Farmer hatte ihn aber bisher trotz Suche noch nicht erwischt. Nun konnte ein Farmer ja nicht tagelang nur jagen, er hatte auch noch die Äcker zu bestellen und das Vieh zu versorgen und so hatte er mit Herrn Breuer gesprochen, ob wir nicht, wenn wir schon gerne auf die Jagd gingen, nach dem Leoparden suchen und ihm den Garaus machen könnten. Dies Angebot war zu verlockend, als dass er hier nein sagen konnte. Also hatte er mit seinen Freunden zugesagt und deshalb waren wir jetzt unterwegs. Mir, als Neuling, wurde bedeutet, ich solle immer in der Nähe der Truppe bleiben und dann möglichst am hinteren Ende. Ich sollte sozusagen zunächst als Lehrling den erfahrenen Jägern zusehen.

Die drei erfahrenen Jäger diskutierten die Gewohnheiten eines Leoparden und die Möglichkeiten, seiner habhaft zu werden. Also ritten wir auf das felsige Gelände im Osten der Farm zu, wo es genügend Verstecke für Leoparden gab und wo die Wildkatze vermutet wurde. Ständig wurde nach allen Seiten Ausschau gehalten und nach Anhaltspunkten gesucht, die auf die Nähe des Leoparden schließen ließen. Aber der ahnte wohl, was da für ein Trupp unterwegs war und was der gegen ihn im Schilde führte. Der Leopard blieb jedenfalls zu unserem Leidwesen unsichtbar. Dafür sahen wir eine Vielzahl anderes Wild. Besonders schön war ein majestätischer Kudubock, der das Leittier einer kleineren Kuduherde war. Er wurde von den Jägern auf über 200 Kilo geschätzt und trug ein enormes, korkenzieherartiges Gehörn. Normalerweise wäre dieses Gehörn eine begehrte Trophäe, aber meine Begleiter waren offensichtlich tierlieb, sie ließen ihn laufen. Ich war froh, dass dieses prächtige Tier seiner Herde erhalten blieb. Wir hätten den erlegten Kudu auch nicht transportieren können und nur wegen der Trophäe das Tier erschießen und den Rest liegen lassen? Nein, das wollten meine Begleiter dann doch nicht. Nach einigen Stunden kehrten wir zur großen Enttäuschung des Farmers ohne Leopard wieder zurück und mein erster Jagdausflug endete ohne einen einzigen Schuss. Es hatte sich unter den Leoparden offensichtlich herumgesprochen, dass Menschen mit stockähnlichen Geräten in der Hand äußerst gefährlich für Leoparden waren und man ihnen auf keinen Fall zu nahe kommen durfte.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2025-05-15

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