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Julia soielt gerne Klavier. Foto: Pixabay
Julia soielt gerne Klavier. Foto: Pixabay

Blauer Diamant

„Blauer Diamant" ist ein detailreicher und lesenswerter Roman über den Lebensweg eines Einwanderers in Deutsch-Südwestafrika zur Zeit der großen Diamantenfunde. Lassen Sie sich in das Jahr 1909 versetzen und fahren mit Willy, der Hauptperson dieses Romans, nach Südwestafrika nach Lüderitzbucht. In der Nähe hatte man Diamanten entdeckt. Wer ist die schöne Fremde auf dem Schiff Windhuk? Kann der reiche Diamanthändler Alexander Winter, Besitzer der Farm BLAUER DIAMANT, mit seinem von einem Leoparden entstellten Gesicht psychisch fertig werden? Wie war das beim Bau der Bahntrasse von Windhoek nach Keetmanshoop und wie heilte der Medizinmann Willy?
40. Folge

Wir saßen noch eine Weile auf der Terrasse und genossen das schöne Wetter und unsere Gegenwart. Es war ein wunderbares, eigenartiges Gefühl. Wir sahen uns an und ohne etwas zu sagen, spürten wir den Einklang unserer Seelen. Da stand Julia unverhofft auf, ging durch die weit geöffnete Terrassentür in das Wohnzimmer und setzte sich an den Flügel. Ich war ihr gefolgt und setzte mich zu ihr in den großen Sessel neben der Tür.

„Ich werde etwas für dich spielen. Vielleicht kennst du es?“ Sie schlug die ersten Tasten an und ich erkannte sofort den Liebestraum von Liszt.

Ich stand auf, ging leise zu ihr und küsste zärtlich ihr seidiges Haar und ihren weißen Nacken. Auch wenn man es nicht vermutet, als gefühlsbetonter Mensch habe ich sehr nahe am Wasser gebaut, und in glücklichen Momenten, wie in diesem, treten mir schnell Tränen in die Augen. Natürlich versuche ich, diese Schwäche vor anderen zu verbergen. Ich blieb hinter Julia stehen, damit sie meine Rührung nicht bemerkte und sah dem Spiel ihrer Hände zu, die flink und absolut sicher über die Tasten glitten, wobei die linke Hand manchmal über die rechte sprang.

„Ich liebe dich“, flüsterte ich Julia mit belegter Stimme ins Ohr. „Ich möchte dich ganz für mich allein. Für immer.“

In diesem Moment bedauerte ich, dass ich nicht auch Klavier spielen konnte. Vierhändig mit Julia spielen wäre phantastisch gewesen.

„Du spielt traumhaft schön“ sagte ich voller Begeisterung, nachdem sie das Stück beendet hatte. Einen Moment blieb Julia wie in sich gekehrt vor dem Flügel sitzen, während ich den Liebestraum noch in mir nachklingen ließ.

„Nun, es geht. Ich habe es ja auch auf dem Konservatorium gelernt. Bevor ich Alexander geheiratet habe, war ich gerade mit meinem Musikstudium fertig geworden und hatte erste Konzerte gegeben. Nach der Heirat war es dann mit den eigenen Konzerten vorbei, Alexander wollte es nicht.“

„Das war aber sehr egoistisch von ihm.“ Ich meinte das ehrlich.

Julia zuckte nur die Schultern. „So ist er nun mal. Was ihm gehört, und dazu zählt er auch mich, will er alles nur für sich allein.“

Wir setzten uns beide auf die große Ledercouch und Julia lehnte ihren Kopf an meine Brust. Ich nahm sie zärtlich in meinen Arm. So blieben wir eine Weile stumm sitzen. Mich durchflutete ein großes Glücksgefühl und ich war sicher, dass Julia das gleiche empfand.

Mehr über Julia

„Erzähl mir von dir“, bat ich Julia.

„Da gibt es nicht viel zu erzählen“, meinte Julia, aber dann lieferte sie mir doch eine Erklärung, wieso sie Alexander geheiratet hatte.

„Während meines Musikstudiums habe ich in Berlin einmal im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung vorgespielt. Unter den Zuhörern war zufällig Alexander. Nach meinem Spiel hat er mich angesprochen und mich mit Komplimenten überhäuft. Natürlich hat es mir sehr geschmeichelt, dass ein vornehmer, wenn auch älterer Herr so von mir begeistert war. Er lud mich zum Essen ein und brachte mich nach Hause. Allerdings war mein Zuhause in Berlin nur ein bescheidenes Hotelzimmer. Als Alexander das sah, meinte er, das müssen wir ändern. Er mietete mir ein nettes Appartement im Hotel und bat mich, noch etwas in Berlin zu bleiben. Von nun an überhäufte er mich mit Geschenken. Ja und eines Tages waren wir dann verheiratet. Als er erreicht hatte, dass ich ihm gehörte, widmete er sich wieder intensiv seinen Geschäften, seinen Hunden und seiner Pferdezucht. Wenn dann den jungen Pferden das Brandzeichen der Farm eingebrannt wurde, war ich nie dabei. Irgendwie hatte ich das Gefühl, bei der Gelegenheit würde ich Gefahr laufen, selber Alexanders Besitzzeichen eingebrannt zu bekommen. Alexander ist mir gegenüber sehr großzügig, was die finanzielle Seite angeht, auf der anderen Seite ist er jedoch sehr eifersüchtig. Man weiß nie, was in ihm vorgeht und was er denkt. In der Beziehung ist er absolut nicht zugänglich. Manchmal scheint er mir sogar völlig fremd. Unsere Beziehung ist inzwischen fast so wie das Verhältnis zwischen Vater und Tochter, wobei der Vater die Tochter eifersüchtig bewacht und keinem anderen gönnt. Jedenfalls spielt sich im Bett zwischen uns nichts ab. Aber das interessiert mich eigentlich nicht mehr. Darüber möchte ich jedoch nicht weiter sprechen.“

Eine eigenartige Beziehung. Julias Gefühle Alexander gegenüber schienen erloschen. Das erklärte vieles. Auch Julias Bereitschaft, mit mir eine Liaison anzufangen. Julia war außergewöhnlich attraktiv und hatte einen außergewöhnlich reichen und auch noch gut aussehenden Mann. Aber trotzdem war keine Liebe zu spüren, wenn sie von Alexander sprach. Warum nur? Doch ich stellte keine Fragen.

„Aber genug von mir“, meinte Julia. „Nun, wo du meine Geschichte kennst, erzähl mir auch etwas von dir. Ich weiß über dich ebenfalls praktisch nichts.“

„Was soll ich erzählen? Ich stelle mir in letzter Zeit immer wieder die Frage, wer bin ich überhaupt und was will ich eigentlich. Das Leben ist so kompliziert. Eines weiß ich, ich möchte reich sein. Ein Luxus, so wie ich ihn hier erlebe, wäre mir nicht unangenehm. Dann ist das Leben viel einfacher und bequemer. Doch wie kann ich reich werden? Ich habe noch kein Rezept gefunden.“

Julia unterbrach mich: „Glaube nicht, dass reich sein auch automatisch glücklich macht. Das ist ein Trugschluss, dem viele unterliegen. Aber sprich nur weiter, ich wollte dich nicht unterbrechen.“

„Allerdings erleichtert es doch vieles“, meinte ich und fuhr mit meiner Geschichte fort. „Ich frage mich in letzter Zeit, ist das, was ich jetzt tue, richtig? Ich weiß es nicht. Doch je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr habe ich das Gefühl, langsam zu mir selbst zu finden. Nachdenken hilft.

Eines muss ich dir jedoch gestehen, ich bin, bevor ich dich kennen gelernt habe, mit Damenbekanntschaften immer etwas locker, um nicht zu sagen, oberflächlich und egoistisch umgegangen. Dabei habe ich mir wenig Gedanken darum gemacht, was ich mit meinem Verhalten eventuell anrichte. Meine Familiengeschichte war etwas turbulent und ich denke, daraus resultierte auch mein bisheriges, manchmal unmögliches Verhalten in der Liebe. Seit ich dich kenne, habe ich zur Liebe eine völlig andere Einstellung gewonnen. Es ist, als hättest du in meiner Gefühlswelt eine mir bisher unbekannte Seite aufgeschlagen.“

Und so kam es, dass ich meine Vergangenheit mit unserem Niedergang noch einmal durchlebte. Allerdings hatte ich durch Julias Liebe mein in der Vergangenheit begründetes generelles Misstrauen den Frauen gegenüber verloren. Ich hatte dazugelernt. Die Liebe hatte inzwischen bei mir den hohen Stellenwert erreicht, der ihr gebührt.

Ganz in träumerische Gedanken versunken ritt ich gegen Abend nach Hause und überließ Apoll das Tempo. Der hatte es nicht eilig. Mir gingen Julias geheimnisvolle Worte nicht aus dem Kopf, als sie sagte: „Du ahnst nicht, was du mir mit deiner Liebe gegeben hast.“ Was wollte sie damit ausdrücken? Was ahnte ich nicht? Hatte ich ihr die Liebe gegeben, die sie bei Alexander nicht fand? Jedenfalls war es ein wunderbarer Tag gewesen, obwohl wir nicht ins Bett gegangen waren. Das hätte, glaube ich, auch nicht zu diesem Tag gepasst und außerdem, Sex mit Julia in Alexanders Haus? Mir war der Gedanke unangenehm. Dafür hatten wir für den nächsten Sonntag wieder einen Ausflug zu der versteckten kleinen Hütte im bayerischen Stil vorgesehen.

Es wurde April und der afrikanische Sommer ging dem Ende zu. Die Tage waren jetzt nicht mehr so heiß. Fünf Monate war ich nun schon in Windhuk. Die Treffen mit Julia waren fast zu einer festen Einrichtung geworden, zumindest, solange ihr Mann in Europa und im fernen China war.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2025-04-20

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