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Willy und Julia machten es sich in der Hütte gemütlich. Foto: Pixabay
Willy und Julia machten es sich in der Hütte gemütlich. Foto: Pixabay

Blauer Diamant

„Blauer Diamant" ist ein detailreicher und lesenswerter Roman über den Lebensweg eines Einwanderers in Deutsch-Südwestafrika zur Zeit der großen Diamantenfunde. Lassen Sie sich in das Jahr 1909 versetzen und fahren mit Willy, der Hauptperson dieses Romans, nach Südwestafrika nach Lüderitzbucht. In der Nähe hatte man Diamanten entdeckt. Wer ist die schöne Fremde auf dem Schiff Windhuk? Kann der reiche Diamanthändler Alexander Winter, Besitzer der Farm BLAUER DIAMANT, mit seinem von einem Leoparden entstellten Gesicht psychisch fertig werden? Wie war das beim Bau der Bahntrasse von Windhoek nach Keetmanshoop und wie heilte der Medizinmann Willy?
37. Folge

Seit ich auf diesem Seitenweg ritt, wurde ich immer nervöser. Das Gelände war jetzt hügelig und licht bewaldet. Dichte, fast undurchdringliche Wälder, wie ich sie aus der Heimat kannte, gab es hier nirgends. Überall lagen mannshohe Steine herum, dadurch hatte ich teilweise keine weite Sicht nach vorn. Ungeduldig wartete ich darauf, endlich auf die Hütte zu stoßen. Ob Julia wohl schon in der Hütte war? Hoffentlich war nichts dazwischen gekommen. Andererseits, was sollte denn dazwischen kommen? Vielleicht eine einsame Nachbarin von der weit entfernten Nachbarfarm? Unsinn, die Nachbarn waren heute, wenn sie unterwegs waren, bestimmt in der Kirche. Oder war eventuell der Verwalter bei einem morgendlichen Ausritt? Ein großer Felsbrocken versperrte den jetzt geraden Weg und die Sicht und zwang den einsamen Reiter, ihn zu umrunden. Die Gegend war hier waldähnlich, das heißt, es gab hier viele, allerdings etwas weiter auseinanderstehende Bäume und dazwischen viel Buschwerk. Und dann sah ich plötzlich eine Hütte im Schatten großer Bäume. Mir entfuhr unwillkürlich ein lauter Pfiff. Ein prächtiger Schimmelhengst stand, noch gesattelt, an einem dünnen Baum angeleint. Es war Odin, Julias Lieblingspferd, ein wundervolles Vollblut. Sie war also schon da. Doch was hatte der Sattel auf dem Schimmel zu bedeuten? Hatte sie aus irgendeinem Grunde doch keine Zeit?

Julia hatte den Pfiff gehört und kam aus der Hütte. Weiße Bluse, Reithose und Stiefel. Die Hose betonte ihre schmale Taille. Sie sah einfach hinreißend aus.

„Da bist du ja endlich“, rief sie mir zu, als ich vom Pferd sprang. Das heißt, so ganz elegant herunter springen war nicht meine Sache mit 110 kg. Ich glitt mehr herunter, aber ich bemühte mich, beim Absteigen eine gute Figur zu machen. Am liebsten wäre ich auf sie zugestürmt, aber irgendwie strahlte sie in diesem Moment eine so vornehme Lebensart und damenhafte Eleganz aus, dass ich dadurch in meinem Drang gehemmt wurde und selbst hier in der Wildnis zumindest zunächst nicht auf zivilisierte Umgangsformen verzichtete. Ich fingerte mein kleines Geschenkpäckchen aus meiner Jackentasche und ging auf Julia zu. Nach einem Blick auf meine Taschenuhr sagte ich: „Entschuldige bitte, ich bin fünf Minuten zu früh.“

Sie streckte mir die Hand entgegen und ich begrüßte sie mit einem eleganten Handkuss.

„Ein Mann von Welt und das in der afrikanischen Wildnis!“, Julia war begeistert. „Geht deine Uhr auch richtig? Ich bin heute etwas früher hier gewesen, weil ich die Hütte noch lüften und etwas herrichten wollte.“

„Ich habe dir eine Kleinigkeit mitgebracht.“ Ich reichte ihr das Päckchen.

Interessiert nahm sie es entgegen und meinte: „Du weißt, Frauen sind generell neugierig und sehr empfänglich für Geschenke und deshalb werde ich das Päckchen sofort hier draußen aufmachen.“

„Und ich werde inzwischen den Pferden die Sättel abnehmen.“

Nach dem Absatteln führte ich die beiden Pferde unter das seitlich überstehende Dach der Hütte. Hier waren sie vor neugierigen Blicken geschützt und konnten Erfahrungen austauschen.

Julia hatte inzwischen vorsichtig das Geschenkpapier entfernt und war begeistert. Ich hatte ihr die neueste Parfümkreation von Creed mitgebracht. Zwar hatte es mich einen Teil meines Gehaltes gekostet, aber was tut man nicht für eine schöne Frau. Hat nicht mancher Mann sich für eine schöne Frau sogar schon zugrunde gerichtet? So schlimm war es bei mir aber nicht. Und was gibt es Schöneres als eine Investition in eine schöne Frau?

Julia öffnete das kleine Fläschchen und schnupperte erwartungsvoll daran. Zufrieden mit dem Prüfungsergebnis tupfte sie sich etwas Parfüm hinter die Ohren und auf den Hals. Es roch überwältigend verführerisch.

„Da hast du dich aber in große Unkosten gestürzt“, meinte sie mit Kennermiene.

„Erinnerst du dich? Als ich das erste Mal auf der Farm war, sagtest du, du würdest gern an neuen Kreationen schnuppern. Ich hoffe, dass du dieses Parfüm noch nicht hast. Jetzt gehörst du in die Gruppe des Hochadels, meine Königin Julia!“ Ich lächelte sie an. „Schon die Königin Victoria von England, die französische Kaiserin Eugénie und die österreichische Kaiserin Sisi waren den Düften von Creed erlegen. Dabei bist du mir jedoch lieber als alle diese Königinnen zusammen.“

Julia trat dicht an mich heran und gab mir einen Kuss auf die Wange.

„Wunderbar! Das musste doch nicht sein, dass du dich so in Unkosten stürzt. Aber wo du es nun schon einmal getan hast, danke ich dir. Nein, dieses Parfüm habe ich tatsächlich noch nicht, obwohl Creed mir nicht unbekannt ist. Doch jetzt komm in meine kleine Hütte.“ Sie hielt die Tür auf und ließ mich eintreten.

Bayrische Hütte in der Wildnis

Ich war überwältigt. Das hatte ich hier in der Wildnis nicht erwartet. Nein, die Hütte war nicht luxuriös eingerichtet, die Überraschung war der absolut bayrische Stil. Mit weiß-blauen Scheibengardinen und einem derben Holztisch unter dem Fenster und zwei Bänken davor. An der Seite stand ein Feldbett, auf dem Decken lagen. In einer Ecke lehnte ein Jagdgewehr. Auf dem mit einem weiß-blauen Tischtuch bedeckten Tisch standen trotz der Mittagszeit eine brennende Kerze, ein Topfkuchen, zwei Tassen und eine Thermoskanne mit Kaffee. Ja, und dann waren da noch zwei Gläser und eine Flasche „Heidsieck Monopole“!

Julia bemerkte wohl meine Verwunderung wegen der bayrischen Dekoration.

Ich sah sie fragend an und meinte dann etwas irritiert: „Ich komme mir wie in Oberbayern vor, blau-weiße Vorhänge, blau-weiße Tischdecke und die rustikale Einrichtung.“

„Typisch norddeutsch! Das ist nicht blau-weiß, sondern weiß-blau! Sage in Bayern zu den bayerischen Landesfarben nur nicht blau-weiß, das gibt Ärger.“

Und dann erklärte sie: „Die Hütte habe ich eingerichtet. Sie erinnert mich an meine Heimat und das bayerische Interieur passt gut zu einer Hütte im Wald. Ich komme nämlich aus Bayern. Genauer gesagt, aus der bayerischen Metropole. Hatte ich das nicht gesagt?“

„Nein, hast du nicht. Das hätte ich nicht vermutet“, gestand ich. „Du hast doch überhaupt keinen bayerischen Akzent.“

„In unserer Familie wurde ja auch immer hochdeutsch gesprochen, aber wenn es sein muss, kann ich auch echtes, breites Bayerisch.“

„Ich weiß offensichtlich nichts von dir“, stellte ich fest. „Aber das wird sich ändern.“

Nachdem meine Verwunderung verflogen war, schlug Julia vor: „Ich denke, wir trinken heute Nachmittag eine Tasse Kaffee und essen Topfkuchen. Den habe ich selber gebacken. Nicht, dass du glaubst, ich lasse alles nur vom Personal machen. Jetzt in der Mittagszeit ist es für Kuchen noch zu früh. Deshalb...“ Sie brach den Satz ab und nahm die Champagnerflasche in die Hand. „Du erinnerst dich?“

„Welche Frage! „Heidsieck Monopole“! Es war mein schönster Abend bisher. Das konnte ich dir damals ja nur nicht mehr sagen, weil du so schnell zur Tür hinaus warst.“

„Dann lass uns jetzt auf den vergangenen Abend nachträglich anstoßen, wenn du die Flasche geöffnet hast.“ Julia reichte mir die Flasche.

Ich entfernte die Zinnfolie und den Drahtkorb und drehte vorsichtig den Korken. Es zischte leise. „Perfekt wie damals“, meinte Julia.

„Das ist der Vorteil von Champagner gegenüber Wein. Man kommt auch in der Wildnis ohne Korkenzieher an den Inhalt heran. Ich werde versuchen, in allen Dingen perfekt zu sein, nicht nur im Flaschenöffnen.“

Vorsichtig goss ich die beiden Gläser voll. Der Champagner war angenehm kühl. Julia hatte die Flasche in feuchte Tücher gewickelt und so die Flasche kühl gehalten. Wir prosteten uns zu und tranken einen Schluck. Dann kam wieder dieser halb belustigte, halb forschende Blick, als wolle sie in meinem Gesicht lesen. Die Stimmung war jetzt etwas eigenartig, da jeder wusste, was der andere wollte, aber keiner mochte es aussprechen.

Es wird romantisch

„Nun?“ Julias Ausdruck veränderte sich und die belustigte Komponente verschwand. Es war, als ginge eine Verwandlung in ihr vor. Jetzt strahlten ihre dunklen Augen nur noch Verlangen nach Liebe aus.

Ich stellte mein Glas auf den Tisch und ging zu ihr. Sie war inzwischen auch aufgestanden und so standen wir voreinander und sahen uns wortlos in die Augen. Eine Welle grenzenloser Liebe erfasste mich. Ich umschlang Julia fest mit meinen Armen und ich spürte, wie sie sich dabei an mich presste. So standen wir eine Weile umschlungen mitten in der einsamen Hütte mitten in der afrikanischen Wildnis und gaben uns ganz unseren Gefühlen hin. Keiner sagte ein Wort. Es war ein unbeschreibliches Gefühl der Zusammengehörigkeit, das mich durchflutete und ich war sicher, dass Julia ebenso fühlte.

Ganz leise drang das Wort „Komm“ an mein Ohr und ich verspürte einen sanften Zug in Richtung Feldbett. Eine alles verzehrende Liebe hatte von uns Besitz ergriffen und drohte uns zu verbrennen.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2025-03-26

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