Blauer Diamant
„Blauer Diamant" ist ein detailreicher und lesenswerter Roman über den Lebensweg eines Einwanderers in Deutsch-Südwestafrika zur Zeit der großen Diamantenfunde. Lassen Sie sich in das Jahr 1909 versetzen und fahren mit Willy, der Hauptperson dieses Romans, nach Südwestafrika nach Lüderitzbucht. In der Nähe hatte man Diamanten entdeckt. Wer ist die schöne Fremde auf dem Schiff Windhuk? Kann der reiche Diamanthändler Alexander Winter, Besitzer der Farm BLAUER DIAMANT, mit seinem von einem Leoparden entstellten Gesicht psychisch fertig werden? Wie war das beim Bau der Bahntrasse von Windhoek nach Keetmanshoop und wie heilte der Medizinmann Willy?
2. Folge
Er zeigte volles Verständnis für meine Entscheidung und holte ein weiteres Informationsblatt hervor. Mit dem Zeigefinger deutete er auf eine Spalte und meinte: „Kaufmann sind Sie. Sehen Sie, hier steht es schwarz auf weiß, dass man Sie braucht. Es werden zurzeit dringend junge kaufmännische Mitarbeiter für verschiedenste Aufgaben gesucht. Das wäre doch etwas für Sie.“
Das hörte sich wirklich interessant an.
„Und was kostet eine Überfahrt?“, wollte ich wissen.
„Nun, da gibt es mehrere Preiskategorien. Für die Passage nach Swakopmund müssen Sie in der 1. Klasse 750,- Reichsmark rechnen, die 2. Klasse kostet 500,- Mark und die 3. Klasse 350,- Mark. Im Preis ist die Verpflegung inbegriffen. Ich persönlich würde die 2. Klasse nehmen. Dritte Klasse ist zu unbequem. Da sind Sie mit vier oder fünf Ihnen unbekannten Menschen zusammen in einer Kabine und das Essen ist, sagen wir, nahrhaft, aber eintönig. Die Kabinen liegen im unteren Teil des Schiffes über den Maschinenräumen. Was das bedeutet, können Sie sich sicher ohne große Mühe vorstellen. Das monotone Geräusch der Schiffsdampfmaschinen kann bei manchen Menschen allerdings auch wunderbar schlaffördernd wirken.
Die 1. Klasse dagegen ist etwas für ältere und versnobte Leute, wenn Sie mich fragen. Dort erwartet Sie selbstverständlich ein hervorragender Service, der Ihnen freilich manchmal auch auf die Nerven gehen kann. Man muss immer korrekt angezogen sein, denn man legt in der 1. Klasse großen Wert auf Etikette. Zu den Tischzeiten müssen Sie sich also immer umziehen und können nicht in salopper Kleidung erscheinen. Außerdem geht es dort ziemlich steif zu. Allerdings würden Sie mit Ihrer stattlichen Erscheinung natürlich dort eine gute Figur machen. In der 2. Klasse gibt es dagegen keinen Garderobenzwang und vor allem, das Essen ist dort fast das gleiche, wie in der 1. Klas¬se. Die Verpflegung umfasst ein reichhaltiges Frühstück, ein Mittagessen mit mehreren Gängen und abends wahlweise ein warmes Essen oder ein kaltes Buffet. Ach ja, die 1. Klasse hat selbstverständlich Tischmusik, die fehlt allerdings in der 2. Klasse. Wenn Sie nicht ohne Musik essen können, müssen Sie natürlich 1. Klasse buchen.“ Er machte eine Kunstpause. „Kleiner Scherz am Rande.“
Er griff noch einmal in das Regal und breitete eine Landkarte von Deutsch- Südwestafrika auf dem Tisch aus.
„Sehen Sie, hier ist Swakopmund und hier Windhuk.“ Er deutete auf einen Punkt im Landesinneren. „Zwischen beiden Städten haben Sie eine Bahnverbindung. Die Schiffe laufen, wenn Sie nicht weiter nach Ostafrika fahren, allerdings zunächst den südlicheren Hafen Lüderitzbucht an und danach, quasi auf dem Rückweg, erst Ihr Ziel, Swakopmund. Sie können selbstverständlich auch die Fahrt unterbrechen und in Lüderitzbucht von Bord gehen, sich dort umsehen und später mit der Bahn oder dem Schiff nach Swakopmund reisen. Der Weg nach Windhuk führt allerdings generell über Swakopmund.“
Auf nach Deutsch- Südwestafrika
Nach dieser Information stand für mich fest: Das ist es! Auf nach Deutsch- Südwestafrika, unsere Kolonie braucht mich. Dort könnte ich sicher auch schnell reich werden.
Ich musste jetzt nur noch klären, wann ich reisen könnte und fragte nach den Abfahrtsterminen.
„Der nächste Termin ist am Sonntag nächster Woche, aber das ist sicherlich zu kurzfristig“, meinte mein freundlicher Berater. „Dann hätten wir als nächsten Termin Sonntag, den 3. Oktober, also in etwa fünf Wochen. Wie wäre es damit? Da hätten Sie genügend Zeit, sich auf die Reise vorzubereiten. Es gibt ja sicher noch einiges zu erledigen.“ Er schaute mich fragend an.
Nun, eigentlich wollte ich, nachdem ich die vergangenen Jahre Weihnachten in Dresden verbracht hatte, dieses Jahr das Weihnachtsfest und Neujahr zu Hause verbringen. Ich hatte schon mit Kurt über eine gemeinsame Silvesterfeier gesprochen. Andererseits reizte mich auch die Vorstellung, Weihnach-ten unter Palmen und südlicher Sonne zu verbringen. Jetzt wollte ich meinen spontanen Entschluss auch nicht mehr auf die lange Bank schieben, doch bis zum nächsten Sonntag würde ich nicht alles regeln können. Nach kurzer Überlegung stimmte ich dem 3. Oktober zu.
„Dann werde ich für Sie die Formalitäten erledigen und die Unterlagen besorgen. Wenn Sie mir jetzt Ihren Namen und die Adresse geben würden, dann fülle ich das Formular für Sie aus.“
Er holte unter der Theke ein Formular hervor und sagte mehr zu sich selbst: „Also Reisetermin 3. Oktober 1909“, und trug das Datum ein. Ich nannte ihm Namen und Adresse und er trug auch dies in das Formular ein. Bevor ich etwas sagen konnte, hatte er meinen Vornamen schon mit zwei „i“ geschrieben. Ich korrigierte: „Willy schreibt sich hinten ausnahmsweise mit Ypsilon. Da lege ich Wert darauf.“
Er änderte meinen falsch geschriebenen Vornamen und machte aus dem zweiten „i“ ein „y“ und meinte dann: „Wollen Sie die Passage sofort bezahlen?“
Ich sah ihn überrascht an. „Oh, ich war nicht darauf eingestellt, heute in Braunschweig soviel Geld zu benötigen. Wissen Sie, ich nehme normalerweise nie viel Bargeld mit“, erklärte ich ihm. „Aber ich könnte Ihnen eine Anzahlung von, sagen wir, fünfzig Mark geben, würde das reichen?“
„Natürlich geht das in Ordnung. Wenn Sie in der nächsten Woche am Montag wieder hereinschauen, wird alles fertig sein und Sie können dann die restlichen vierhundertundfünfzig Mark mitbringen. Übrigens noch etwas zu Ihrer Information: Sie fahren mit der Windhuk. Sehr passend, der Name. Das ist ein gecharterter Dampfer der Hamburg-Amerika-Linie.“
Damit war alles klar und ich bedankte mich für die Beratung. Auf dem Weg zur Tür fiel mir noch etwas ein.
„Fast hätte ich es vergessen. Können Sie mir sagen, wie lange man mit dem Schiff bis Swakopmund unterwegs ist?“
Ohne zu überlegen antwortete er: „Sie müssen mit etwa drei Wochen Fahrzeit rechnen. Zwischendurch laufen Sie noch die Kanarischen Inseln an. In Las Palmas übernimmt das Schiff Kohle und Wasser für die Weiterfahrt. Ich hatte Ihnen ja schon vorhin gesagt, dass ich mich selber mit dem Gedanken trage, für einige Zeit nach Windhuk zu gehen. Deshalb habe ich mich genauestens über die Überfahrt und Deutsch-Südwestafrika informiert. Ich kann im Moment hier nur nicht weg, mein Vater ist sehr krank. Verstehen Sie? Sonst könnten wir fast zusammen fahren. Ich beneide Sie. Aber genug! Wenn Ihnen in der Zwischenzeit noch Fragen einfallen, stehe ich Ihnen, wenn Sie wiederkom¬men, gern zur Verfügung. Bis dann.“
Er zeigte volles Verständnis für meine Entscheidung und holte ein weiteres Informationsblatt hervor. Mit dem Zeigefinger deutete er auf eine Spalte und meinte: „Kaufmann sind Sie. Sehen Sie, hier steht es schwarz auf weiß, dass man Sie braucht. Es werden zurzeit dringend junge kaufmännische Mitarbeiter für verschiedenste Aufgaben gesucht. Das wäre doch etwas für Sie.“
Das hörte sich wirklich interessant an.
„Und was kostet eine Überfahrt?“, wollte ich wissen.
„Nun, da gibt es mehrere Preiskategorien. Für die Passage nach Swakopmund müssen Sie in der 1. Klasse 750,- Reichsmark rechnen, die 2. Klasse kostet 500,- Mark und die 3. Klasse 350,- Mark. Im Preis ist die Verpflegung inbegriffen. Ich persönlich würde die 2. Klasse nehmen. Dritte Klasse ist zu unbequem. Da sind Sie mit vier oder fünf Ihnen unbekannten Menschen zusammen in einer Kabine und das Essen ist, sagen wir, nahrhaft, aber eintönig. Die Kabinen liegen im unteren Teil des Schiffes über den Maschinenräumen. Was das bedeutet, können Sie sich sicher ohne große Mühe vorstellen. Das monotone Geräusch der Schiffsdampfmaschinen kann bei manchen Menschen allerdings auch wunderbar schlaffördernd wirken.
Die 1. Klasse dagegen ist etwas für ältere und versnobte Leute, wenn Sie mich fragen. Dort erwartet Sie selbstverständlich ein hervorragender Service, der Ihnen freilich manchmal auch auf die Nerven gehen kann. Man muss immer korrekt angezogen sein, denn man legt in der 1. Klasse großen Wert auf Etikette. Zu den Tischzeiten müssen Sie sich also immer umziehen und können nicht in salopper Kleidung erscheinen. Außerdem geht es dort ziemlich steif zu. Allerdings würden Sie mit Ihrer stattlichen Erscheinung natürlich dort eine gute Figur machen. In der 2. Klasse gibt es dagegen keinen Garderobenzwang und vor allem, das Essen ist dort fast das gleiche, wie in der 1. Klas¬se. Die Verpflegung umfasst ein reichhaltiges Frühstück, ein Mittagessen mit mehreren Gängen und abends wahlweise ein warmes Essen oder ein kaltes Buffet. Ach ja, die 1. Klasse hat selbstverständlich Tischmusik, die fehlt allerdings in der 2. Klasse. Wenn Sie nicht ohne Musik essen können, müssen Sie natürlich 1. Klasse buchen.“ Er machte eine Kunstpause. „Kleiner Scherz am Rande.“
Er griff noch einmal in das Regal und breitete eine Landkarte von Deutsch- Südwestafrika auf dem Tisch aus.
„Sehen Sie, hier ist Swakopmund und hier Windhuk.“ Er deutete auf einen Punkt im Landesinneren. „Zwischen beiden Städten haben Sie eine Bahnverbindung. Die Schiffe laufen, wenn Sie nicht weiter nach Ostafrika fahren, allerdings zunächst den südlicheren Hafen Lüderitzbucht an und danach, quasi auf dem Rückweg, erst Ihr Ziel, Swakopmund. Sie können selbstverständlich auch die Fahrt unterbrechen und in Lüderitzbucht von Bord gehen, sich dort umsehen und später mit der Bahn oder dem Schiff nach Swakopmund reisen. Der Weg nach Windhuk führt allerdings generell über Swakopmund.“
Auf nach Deutsch- Südwestafrika
Nach dieser Information stand für mich fest: Das ist es! Auf nach Deutsch- Südwestafrika, unsere Kolonie braucht mich. Dort könnte ich sicher auch schnell reich werden.
Ich musste jetzt nur noch klären, wann ich reisen könnte und fragte nach den Abfahrtsterminen.
„Der nächste Termin ist am Sonntag nächster Woche, aber das ist sicherlich zu kurzfristig“, meinte mein freundlicher Berater. „Dann hätten wir als nächsten Termin Sonntag, den 3. Oktober, also in etwa fünf Wochen. Wie wäre es damit? Da hätten Sie genügend Zeit, sich auf die Reise vorzubereiten. Es gibt ja sicher noch einiges zu erledigen.“ Er schaute mich fragend an.
Nun, eigentlich wollte ich, nachdem ich die vergangenen Jahre Weihnachten in Dresden verbracht hatte, dieses Jahr das Weihnachtsfest und Neujahr zu Hause verbringen. Ich hatte schon mit Kurt über eine gemeinsame Silvesterfeier gesprochen. Andererseits reizte mich auch die Vorstellung, Weihnach-ten unter Palmen und südlicher Sonne zu verbringen. Jetzt wollte ich meinen spontanen Entschluss auch nicht mehr auf die lange Bank schieben, doch bis zum nächsten Sonntag würde ich nicht alles regeln können. Nach kurzer Überlegung stimmte ich dem 3. Oktober zu.
„Dann werde ich für Sie die Formalitäten erledigen und die Unterlagen besorgen. Wenn Sie mir jetzt Ihren Namen und die Adresse geben würden, dann fülle ich das Formular für Sie aus.“
Er holte unter der Theke ein Formular hervor und sagte mehr zu sich selbst: „Also Reisetermin 3. Oktober 1909“, und trug das Datum ein. Ich nannte ihm Namen und Adresse und er trug auch dies in das Formular ein. Bevor ich etwas sagen konnte, hatte er meinen Vornamen schon mit zwei „i“ geschrieben. Ich korrigierte: „Willy schreibt sich hinten ausnahmsweise mit Ypsilon. Da lege ich Wert darauf.“
Er änderte meinen falsch geschriebenen Vornamen und machte aus dem zweiten „i“ ein „y“ und meinte dann: „Wollen Sie die Passage sofort bezahlen?“
Ich sah ihn überrascht an. „Oh, ich war nicht darauf eingestellt, heute in Braunschweig soviel Geld zu benötigen. Wissen Sie, ich nehme normalerweise nie viel Bargeld mit“, erklärte ich ihm. „Aber ich könnte Ihnen eine Anzahlung von, sagen wir, fünfzig Mark geben, würde das reichen?“
„Natürlich geht das in Ordnung. Wenn Sie in der nächsten Woche am Montag wieder hereinschauen, wird alles fertig sein und Sie können dann die restlichen vierhundertundfünfzig Mark mitbringen. Übrigens noch etwas zu Ihrer Information: Sie fahren mit der Windhuk. Sehr passend, der Name. Das ist ein gecharterter Dampfer der Hamburg-Amerika-Linie.“
Damit war alles klar und ich bedankte mich für die Beratung. Auf dem Weg zur Tür fiel mir noch etwas ein.
„Fast hätte ich es vergessen. Können Sie mir sagen, wie lange man mit dem Schiff bis Swakopmund unterwegs ist?“
Ohne zu überlegen antwortete er: „Sie müssen mit etwa drei Wochen Fahrzeit rechnen. Zwischendurch laufen Sie noch die Kanarischen Inseln an. In Las Palmas übernimmt das Schiff Kohle und Wasser für die Weiterfahrt. Ich hatte Ihnen ja schon vorhin gesagt, dass ich mich selber mit dem Gedanken trage, für einige Zeit nach Windhuk zu gehen. Deshalb habe ich mich genauestens über die Überfahrt und Deutsch-Südwestafrika informiert. Ich kann im Moment hier nur nicht weg, mein Vater ist sehr krank. Verstehen Sie? Sonst könnten wir fast zusammen fahren. Ich beneide Sie. Aber genug! Wenn Ihnen in der Zwischenzeit noch Fragen einfallen, stehe ich Ihnen, wenn Sie wiederkom¬men, gern zur Verfügung. Bis dann.“
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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