Auf Kupfersuche in Lüderitzland
Erlebnisse des Bergmannes Robert Baer 1884-1885
Im Oktober des Jahres 1884 betritt der 23-jahrige Bergmann Robert Baer in Angra Pequena, dem heutigen Lüderitzbucht, erstmals afrikanischen Boden. Kurzentschlossen hatte er das Angebot angenommen sich als Assistent des Leiters einer 10-köpfigen Bergbauexpedition an der Suche nach Bodenschätzen in dem erst kurz zuvor unter Reichsschutz gestellten „Lüderitzland" zu beteiligen. Die Expedition stand unter enormen Erfolgsdruck. Das Auffinden von abbauwürdigen Erzen war Lüderitz' letzte Hoffnung aus dem von ihm erworbenen Landstrich an der südwestafrikanischen Küste doch noch die dringend benötigten Gewinne zu erwirtschaften. Robert Baers Briefe und Tagebucheintragungen bilden die Grundlage dieses Buches, das neue Einblicke in die Anfänge des ehemaligen deutschen Schutzgebietes gewährt.
1. Folge
Vorwort
Am 28. 08.1884 erschien in den Dresdner Nachrichten ein Artikel, der über eine sächsische Bergbauexpedition berichtete, die von dem Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz „zum Zwecke wissenschaftlicher Forschungen nach dessen Besitzungen in Südwestafrika gesandt wurde“. Einer der zehn Expeditionsteilnehmer war Robert Julius Baer, der Urgroßvater meiner Frau, damals ein 23-jähriger Absolvent der königlich-sächsischen Bergschule zu Freiberg, der als sog. „Bergwerkscandidat“ bei den Freiherrlich von Burgkschen Steinkohlenwerken im heutigen Freital beschäftigt war.
Im Jahre 1884 war die deutsche Öffentlichkeit von einem regelrechten „Kolonialfieber“ befallen. Die neu erworbenen Kolonien bzw. „Schutzgebiete“, wie die offizielle Bezeichnung lautete, waren eines der vorherrschenden Themen in der damaligen Presse. Reichskanzler Fürst Otto von Bismarck, dessen Außenpolitik bis dahin eher von kolonialer Zurückhaltung bestimmt war, hatte dem Drängen der immer stärker werdenden innerdeutschen Kolonialbewegung nachgegeben und, eine günstige außenpolitische Konstellation nutzend, die Lüderitzschen Erwerbungen zusammen mit anderen überseeischen Gebieten unter „Reichsschutz“ gestellt. Es waren vorrangig wirtschaftliche Interessen, aber auch risikobereiter Unternehmergeist, die Kaufleute wie Lüderitz dazu bewogen hatten, das Wagnis einzugehen, sich in einem noch weitgehend unbekannten Erdteil zu engagieren. Nachdem die politische Unterstützung gesichert war, galt es zu erforschen, ob in dem von Kritikern als „Sandbüchse“ bezeichneten südwestafrikanischen Gebiet durch die Ausbeutung von Bodenschätzen auch Gewinne zu erzielen waren.
Nirgendwo sonst hat die nur 30 Jahre andauernde deutsche Kolonialgeschichte so deutliche Spuren hinterlassen wie in Namibia. Hierzu gehören nach wie vor zahlreiche Ortsnamen, das architektonische Bild in Städten wie Windhoek, Swakopmund und Lüderitzbucht, sowie die Feststellung, dass die deutsche Sprache immer noch eine gewisse Verbreitung und Bedeutung hat. Heute leben noch fast 20.000 deutschsprachige Namibier im Land. Jährlich sind mehrere zehntausend deutsche Touristen von dessen faszinierender Natur und Landschaft beeindruckt. Es ist daher naheliegend, dass das deutsch-namibische Verhältnis durch enge kulturelle Brücken gepflegt und gefördert wird. Hierzu gehört auch die Beschäftigung mit der gemeinsamen Geschichte, gerade weil diese durch blutige Kolonialkriege, in denen der deutsche Herrschaftsanspruch vor allem im Hererokrieg zeitweise zur Vernichtungsstrategie ausartete, belastet ist.
Dabei stand am Anfang keine militärische Eroberung, sondern eine Landnahme durch Verhandlung, Kauf und Vertragsabschlüsse mit den einheimischen Häuptlingen, auf deren Kooperation man zunächst angewiesen war. Von einigen Marineoffizieren abgesehen, die hin und wieder mit ihren Kriegsschiffen eher symbolisch „Flagge zeigten“, waren es neben den bereits seit Beginn des 19. Jahrhunderts wirkenden Missionaren Kaufleute, Naturforscher, Geologen, Jäger und Ingenieure, die die Aktivitäten der ersten Jahre dominierten.
Die frühe Phase der deutschen Besitzergreifung war nach Horst Gründer noch von einem „weitgehend gleichberechtigten, kaum rassistisch eingefärbten Verkehr zwischen den Kolonialeroberern und den Großleuten und Kapitänen“ bestimmt. Gleichwohl wird man bereits aus den Berichten der frühen Kolonialpioniere ein als selbstverständlich empfundenes kulturelles Überlegenheitsgefühl des Europäers und ein gewisses Sendungsbewusstsein, mit der Kolonisierung auch die „Errungenschaften“ einer modernen Industrienation zu verbreiten, unschwer heraushören können. Viele Deutsche, auch solche mit gehobener Bildung, konnten sich dem damals vorherrschenden Zeitgeist sozialdarwinistischer Prägung nicht entziehen.
Tagebuch und Briefe aufbewahrt
Dies gilt auch für Robert Baer. Er hat über sein mehr als einjähriges Afrikaabenteuer Tagebuch geführt und in insgesamt 23 Briefen seinen Eltern ausführlich von seinen Erlebnissen berichtet. Die Dokumente wurden sorgfältig aufbewahrt, von Generation zu Generation weitergegeben und sind noch heute vollzählig im Familienbesitz. Robert Baers Enkel, mein Schwiegervater Eberhard Baer, begann etwa hundert Jahre nach der Expedition mit deren Auswertung. Seine umfangreichen Vorarbeiten, die er leider nicht zum Abschluss bringen konnte, habe ich fortgesetzt und aus den Tagebuchaufzeichnungen, den Briefen und der das Thema begleitenden Literatur den folgenden Beitrag zur frühen Geschichte der deutschen Kolonialzeit im heutigen Namibia zusammengestellt. Vor allem kommt es mir darauf an, die bisher nur marginale Berichterstattung über eine der ersten Forschungsexpeditionen in Südwestafrika zu ergänzen und die eher negative Tendenz früherer Bewertungen dieses Unternehmens zu korrigieren und zu objektivieren.
Die in Tagebuchform verfassten Briefe bilden das Gerüst des Berichtes und sind dementsprechend immer wieder als Zitate eingearbeitet, werden allerdings in der heutigen Schriftweise wiedergegeben. Mein besonderer Dank gilt meiner Schwiegermutter Charlotte Baer, die mir bei der Entzifferung der altdeutschen Handschrift sehr geholfen hat. Darüber hinaus bedanke ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des sächsischen Hauptarchivs in Dresden, des Universitätsarchivs und der Bibliothek der Technischen Universität/ Bergakademie Freiberg, der Abteilung Berlin-Lichterfelde des Bundesarchivs, des Staatsarchivs Bremen und insbesondere bei Frau Christa Unger vom Bergarchiv Freiberg für die Hilfe und tatkräftige Unterstützung bei der Auswahl und dem Auffinden des Archivmaterials aus dem 19. Jahrhundert. Sehr herzlich darf ich mich bei der Namibia Wissenschaftlichen Gesellschaft für die Herausgabe des Buches bedanken. Insbesondere Frau Waltraut Fritzsche und Frau Conny von Dewitz haben seine Entstehung in konstruktiver Zusammenarbeit und vielen guten Ratschlägen begleitet.
Die abgebildeten historischen Schwarzweißfotos vermitteln den Eindruck einer kargen und eher tristen Landschaft. Sie werden daher durch einige moderne Farbaufnahmen ergänzt, da nur diese die tatsächliche, überaus beeindruckende Farbenpracht der Wüsten- bzw. Halbwüstenlandschaft Namibias zum Ausdruck bringen können. Einen Teil davon haben dankenswerterweise Erika und Rolf Gerken zur Verfügung gestellt, die uns auf unserer ersten Namibiareise im Jahre 2008 begleitet haben.
Die Beschäftigung mit unserer kolonialen Vergangenheit hat in der Geschichtsforschung der vergangenen Jahre deutlich an Fahrt aufgenommen, zumal sie immer mehr als Vorgeschichte zum vieldiskutierten Globalisierungsprozess interpretiert wird. Die Vorlesung von Privatdozent Dr. Roland Wenzlhuemer zur „Einführung in die deutsche Kolonialgeschichte“, die ich im Sommersemester 2012 an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Gasthörer besuchen durfte, hat mir in diesem Sinne wichtige Anregungen zur Beschäftigung mit den historischen Rahmenbedingungen gegeben.
Abschließend bedanke ich mich vor allem bei meiner Frau Barbara Dick, geb. Baer, der Urenkelin von Robert Baer, für ihre Unterstützung.
Jürgen Dick, im Juni 2013
Vorwort
Am 28. 08.1884 erschien in den Dresdner Nachrichten ein Artikel, der über eine sächsische Bergbauexpedition berichtete, die von dem Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz „zum Zwecke wissenschaftlicher Forschungen nach dessen Besitzungen in Südwestafrika gesandt wurde“. Einer der zehn Expeditionsteilnehmer war Robert Julius Baer, der Urgroßvater meiner Frau, damals ein 23-jähriger Absolvent der königlich-sächsischen Bergschule zu Freiberg, der als sog. „Bergwerkscandidat“ bei den Freiherrlich von Burgkschen Steinkohlenwerken im heutigen Freital beschäftigt war.
Im Jahre 1884 war die deutsche Öffentlichkeit von einem regelrechten „Kolonialfieber“ befallen. Die neu erworbenen Kolonien bzw. „Schutzgebiete“, wie die offizielle Bezeichnung lautete, waren eines der vorherrschenden Themen in der damaligen Presse. Reichskanzler Fürst Otto von Bismarck, dessen Außenpolitik bis dahin eher von kolonialer Zurückhaltung bestimmt war, hatte dem Drängen der immer stärker werdenden innerdeutschen Kolonialbewegung nachgegeben und, eine günstige außenpolitische Konstellation nutzend, die Lüderitzschen Erwerbungen zusammen mit anderen überseeischen Gebieten unter „Reichsschutz“ gestellt. Es waren vorrangig wirtschaftliche Interessen, aber auch risikobereiter Unternehmergeist, die Kaufleute wie Lüderitz dazu bewogen hatten, das Wagnis einzugehen, sich in einem noch weitgehend unbekannten Erdteil zu engagieren. Nachdem die politische Unterstützung gesichert war, galt es zu erforschen, ob in dem von Kritikern als „Sandbüchse“ bezeichneten südwestafrikanischen Gebiet durch die Ausbeutung von Bodenschätzen auch Gewinne zu erzielen waren.
Nirgendwo sonst hat die nur 30 Jahre andauernde deutsche Kolonialgeschichte so deutliche Spuren hinterlassen wie in Namibia. Hierzu gehören nach wie vor zahlreiche Ortsnamen, das architektonische Bild in Städten wie Windhoek, Swakopmund und Lüderitzbucht, sowie die Feststellung, dass die deutsche Sprache immer noch eine gewisse Verbreitung und Bedeutung hat. Heute leben noch fast 20.000 deutschsprachige Namibier im Land. Jährlich sind mehrere zehntausend deutsche Touristen von dessen faszinierender Natur und Landschaft beeindruckt. Es ist daher naheliegend, dass das deutsch-namibische Verhältnis durch enge kulturelle Brücken gepflegt und gefördert wird. Hierzu gehört auch die Beschäftigung mit der gemeinsamen Geschichte, gerade weil diese durch blutige Kolonialkriege, in denen der deutsche Herrschaftsanspruch vor allem im Hererokrieg zeitweise zur Vernichtungsstrategie ausartete, belastet ist.
Dabei stand am Anfang keine militärische Eroberung, sondern eine Landnahme durch Verhandlung, Kauf und Vertragsabschlüsse mit den einheimischen Häuptlingen, auf deren Kooperation man zunächst angewiesen war. Von einigen Marineoffizieren abgesehen, die hin und wieder mit ihren Kriegsschiffen eher symbolisch „Flagge zeigten“, waren es neben den bereits seit Beginn des 19. Jahrhunderts wirkenden Missionaren Kaufleute, Naturforscher, Geologen, Jäger und Ingenieure, die die Aktivitäten der ersten Jahre dominierten.
Die frühe Phase der deutschen Besitzergreifung war nach Horst Gründer noch von einem „weitgehend gleichberechtigten, kaum rassistisch eingefärbten Verkehr zwischen den Kolonialeroberern und den Großleuten und Kapitänen“ bestimmt. Gleichwohl wird man bereits aus den Berichten der frühen Kolonialpioniere ein als selbstverständlich empfundenes kulturelles Überlegenheitsgefühl des Europäers und ein gewisses Sendungsbewusstsein, mit der Kolonisierung auch die „Errungenschaften“ einer modernen Industrienation zu verbreiten, unschwer heraushören können. Viele Deutsche, auch solche mit gehobener Bildung, konnten sich dem damals vorherrschenden Zeitgeist sozialdarwinistischer Prägung nicht entziehen.
Tagebuch und Briefe aufbewahrt
Dies gilt auch für Robert Baer. Er hat über sein mehr als einjähriges Afrikaabenteuer Tagebuch geführt und in insgesamt 23 Briefen seinen Eltern ausführlich von seinen Erlebnissen berichtet. Die Dokumente wurden sorgfältig aufbewahrt, von Generation zu Generation weitergegeben und sind noch heute vollzählig im Familienbesitz. Robert Baers Enkel, mein Schwiegervater Eberhard Baer, begann etwa hundert Jahre nach der Expedition mit deren Auswertung. Seine umfangreichen Vorarbeiten, die er leider nicht zum Abschluss bringen konnte, habe ich fortgesetzt und aus den Tagebuchaufzeichnungen, den Briefen und der das Thema begleitenden Literatur den folgenden Beitrag zur frühen Geschichte der deutschen Kolonialzeit im heutigen Namibia zusammengestellt. Vor allem kommt es mir darauf an, die bisher nur marginale Berichterstattung über eine der ersten Forschungsexpeditionen in Südwestafrika zu ergänzen und die eher negative Tendenz früherer Bewertungen dieses Unternehmens zu korrigieren und zu objektivieren.
Die in Tagebuchform verfassten Briefe bilden das Gerüst des Berichtes und sind dementsprechend immer wieder als Zitate eingearbeitet, werden allerdings in der heutigen Schriftweise wiedergegeben. Mein besonderer Dank gilt meiner Schwiegermutter Charlotte Baer, die mir bei der Entzifferung der altdeutschen Handschrift sehr geholfen hat. Darüber hinaus bedanke ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des sächsischen Hauptarchivs in Dresden, des Universitätsarchivs und der Bibliothek der Technischen Universität/ Bergakademie Freiberg, der Abteilung Berlin-Lichterfelde des Bundesarchivs, des Staatsarchivs Bremen und insbesondere bei Frau Christa Unger vom Bergarchiv Freiberg für die Hilfe und tatkräftige Unterstützung bei der Auswahl und dem Auffinden des Archivmaterials aus dem 19. Jahrhundert. Sehr herzlich darf ich mich bei der Namibia Wissenschaftlichen Gesellschaft für die Herausgabe des Buches bedanken. Insbesondere Frau Waltraut Fritzsche und Frau Conny von Dewitz haben seine Entstehung in konstruktiver Zusammenarbeit und vielen guten Ratschlägen begleitet.
Die abgebildeten historischen Schwarzweißfotos vermitteln den Eindruck einer kargen und eher tristen Landschaft. Sie werden daher durch einige moderne Farbaufnahmen ergänzt, da nur diese die tatsächliche, überaus beeindruckende Farbenpracht der Wüsten- bzw. Halbwüstenlandschaft Namibias zum Ausdruck bringen können. Einen Teil davon haben dankenswerterweise Erika und Rolf Gerken zur Verfügung gestellt, die uns auf unserer ersten Namibiareise im Jahre 2008 begleitet haben.
Die Beschäftigung mit unserer kolonialen Vergangenheit hat in der Geschichtsforschung der vergangenen Jahre deutlich an Fahrt aufgenommen, zumal sie immer mehr als Vorgeschichte zum vieldiskutierten Globalisierungsprozess interpretiert wird. Die Vorlesung von Privatdozent Dr. Roland Wenzlhuemer zur „Einführung in die deutsche Kolonialgeschichte“, die ich im Sommersemester 2012 an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Gasthörer besuchen durfte, hat mir in diesem Sinne wichtige Anregungen zur Beschäftigung mit den historischen Rahmenbedingungen gegeben.
Abschließend bedanke ich mich vor allem bei meiner Frau Barbara Dick, geb. Baer, der Urenkelin von Robert Baer, für ihre Unterstützung.
Jürgen Dick, im Juni 2013
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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