Ertrinkt Afrika in Textilmüll?

Von Katharina Moser, WindhoekWährend Müll und Müllentsorgung einige der zentralsten Probleme der Umweltverschmutzung weltweit sind, bleibt der globale Süden überproportional stark von den Auswirkungen einer von Profit und Geschwindigkeit geleiteten Textilindustrie betroffen. Darauf hat zuletzt der „International Day of Zero Waste“ der Vereinten Nationen im März hingewiesen.Demnach ertrinkt unser Planet in Abfall, der durch nicht nachhaltige Produktion und nicht nachhaltigen Konsum verursacht wird: Weltweit erzeuge die Menschheit jedes Jahr zwischen 2,1 Milliarden und 2,3 Milliarden Tonnen Siedlungsabfälle. Wenn die derzeitigen Trends anhielten, so die UN, würden wir bis 2050 jährlich 3,8 Milliarden Tonnen erzeugen. „Jede Woche wird das Äquivalent einer Stadt von der Größe von Paris gebaut, um den Anforderungen der rasanten Urbanisierung gerecht zu werden, die eine der fünf Hauptursachen für Umweltveränderungen ist. Der meiste Bau- und Abbruchschutt wird auf Deponien entsorgt und verschmutzt Luft, Boden und Wasser“ so die UN im März. Die Abfallwirtschaft sei der drittgrößte Emittent von Methan und trage erheblich zur kurzfristigen globalen Erwärmung bei. Nach Angaben der globalen Umweltorganisation World Resources Institute ist allein die Bekleidungsindustrie bereits für bis zu 8 % der weltweiten Kohlenstoffemissionen verantwortlich.Mitschuldig an dieser besorgniserregenden Entwicklung: der Trend von „Fast Fashion“, ein Geschäftsmodell in der Modeindustrie, das darauf abzielt, schnell und kostengünstig aktuelle Modetrends zu produzieren und zu verkaufen. Es zeichnet sich durch eine rasche Abfolge neuer Kollektionen, geringe Produktionskosten und eine hohe Verfügbarkeit zu niedrigen Preisen aus. Die Produktions- und Verbrauchsmengen von Textilien steigen rapide an und verstärken die Auswirkungen des Sektors, die die Fortschritte bei der Nachhaltigkeit seiner Produkte und Praktiken übertreffen. Nach UN-Angaben fallen jedes Jahr weltweit 92 Millionen Tonnen Textilabfälle an – das entspreche der Menge eines Müllwagens voller Kleidung, die jede Sekunde verbrannt oder auf Mülldeponien abgeladen werde. „Weltweit verlieren die Verbraucher jedes Jahr etwa 460 Milliarden US-Dollar an Wert, indem sie Kleidung wegwerfen, die sie weiterhin tragen könnten, und es wird geschätzt, dass einige Kleidungsstücke bereits nach sieben bis zehnmaligem Tragen weggeworfen werden.“ Elf Prozent aller Kunststoffabfälle stammten aus Kleidung und Textilien und stünden damit an dritter Stelle nach Verpackungen (40 Prozent) und Konsumgütern (12 Prozent). Nur acht Prozent der Textilfasern im Jahr 2023 seien aus recycelten Quellen hergestellt worden, wobei weniger als ein Prozent des gesamten Fasermarktes aus dem Textil-zu-Textil-Recycling stamme. Der Mangel an Recyclingpraktiken für Textilfasern werde auf einen jährlichen Materialwertverlust von mehr als 100 Milliarden US-Dollar geschätzt.Die weggeworfene Kleidung landet zumeist in einer Region: dem globalen Süden. Dort fehle, so die UN, die Infrastruktur für eine angemessene Wiederverwendung, was dazu führe, dass die Kleidung als Abfall entsorgt, in einkommensschwachen Gebieten verbrannt oder auf informellen Mülldeponien gelagert werde. „Die Ausweitung der Nutzung von Textilien ist wichtig für die Schaffung von Lebensgrundlagen in Entwicklungsländern. In Kenia beispielsweise beschäftigt der Handel mit Altkleidern 2 Millionen Menschen, das sind fast 10 Prozent der Erwerbsbevölkerung des Landes.“Doch die Wiederverwertung gebrauchter Kleidung auf dem afrikanischen Kontinent hat bei Weitem nicht nur positive Effekte. In ganz Afrika überschwemmten Fast-Fashion-Marken die Märkte mit Kleidung, die nur wenige Menschen wollten oder gebrauchen könnten, schreibt Nature Africa. Demnach werden auf dem Kantamanto-Markt in Ghanas Hauptstadt Accra jede Woche schätzungsweise 1500 Tonnen Secondhand-Kleidung angeliefert, wie es in einem von Greenpeace Afrika veröffentlichten Bericht aus dem Jahr 2024 verlautet. Fast eine halbe Million dieser Kleidungsstücke würden zu Abfall und überforderten die Gemeinden, trotz der Bemühungen, die Kleidung zu reparieren und wiederzuverwerten. „Etwa 89 % der Kleidungsstücke enthalten synthetische Fasern, die sich in Mikroplastik auflösen“, sagt Sam Quashie-Idun, Untersuchungsleiter von Greenpeace Afrika, der den Bericht mitverfasst hat, gegenüber Nature Africa. „In einigen Fällen werden Textilabfälle sogar als Brennstoff für öffentliche Badehäuser verwendet, wodurch giftige, krebserregende Chemikalien in die Luft gelangen“, sagt er.Für Quashie-Idun ist die Überflutung der afrikanischen Märkte mit unbrauchbaren Kleidungsstücken eine Art „Abfallkolonialismus“. „Die Modeindustrie verschließt die Augen vor den unvermeidlichen unerwünschten und unbrauchbaren Secondhand-Kleidungsstücken, die [Afrika] überschwemmen“, sagt Quashie-Idun in Nature Africa. Diese Last sollte nicht auf den afrikanischen Ländern liegen. „Marken und Regulierungsbehörden im globalen Norden müssen zur Verantwortung gezogen werden“, sagt er. Zu den Lösungen gehöre die Entwicklung eines neuen Modells nachhaltiger Mode, das in afrikanischen Werten verwurzelt sei und die lokale Kreativität und Wirtschaft unterstütze. „Gemeinschaften verwandeln bereits Textilabfälle in Arbeitsplätze, Kunst und Möglichkeiten“, sagt er. „Aber ein echter Wandel erfordert mutige Investitionen, echte Verantwortlichkeit und eine Modeindustrie, die den Menschen vor den Profit stellt.“

Ertrinkt Afrika in Textilmüll?

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2025-07-28

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