Zwölfstimmige Botschafter Namibias

Windhoek (uk) - Eine Touristin mit Rollkoffer in der Christuskirche? Jetzt, vor Konzertbeginn? Eifrig kommt sie daher, schaut sich um und fängt an zu erzählen: Ihre Erwartungen an die Reise sind groß: Alles will sie sehen, kennenlernen, Namibia in seiner ganzen Vielfalt erleben. Im nächsten Augenblick ist die Bühne gefüllt. Farbenfroh, lebendig. 35 Frauen und Männer in der traditionellen Kleidung aller im Land vertretenen kulturellen Gruppen setzen zum ersten Lied an und füllen den Raum mit einem überwältigenden vielstimmigen Klang. Sie sprühen vor Elan. Alle Songs sind durchchoreografiert, gespickt mit Gags. Was beim Singen geschieht, geschieht voller Leichtigkeit und Hingabe. Bei den ersten Takten schon springt der Funke aufs Publikum über. Das sind sie: die Maranatha Singers.
Vor zwei Wochen präsentierten sie ihr Programm „United in Songs“ in der Christuskirche. Mit eben dieser musikalischen Reise durch alle Regionen Namibias gehen sie gerade auf Deutschlandtournee. Ihre Konzerttour führt sie in den kommenden drei Wochen in viele Kirchen mehrerer Bundesländer. Am 18. Mai steht zur Aufführung von Mozarts „Requiem“ sogar ein Abstecher nach Budapest in Ungarn an, um dann für weitere Konzerte bis zum 24. Mai nach Deutschland zurückzukehren.
Was die Maranatha Singers so besonders macht, lässt sich bei einem Probenbesuch beobachten. Es ist Montagabend. Man trifft sich in einem einfachen Raum mit schwarz getünchten Wänden, im hinteren Bereich des Unigeländes. Als sich eine ältere, unscheinbare Dame mit zarter Stimme an die Sängerinnen und Sänger richtet, lauschen ihr augenblicklich alle. Evy George ist weit mehr als die Gründerin der Maranatha Singers. Ihr gelang es, den familiären Singekreis, den sie vor neun Jahren aus Freude an der Musik ins Leben rief, zu einem der besten Chöre Windhoeks zu entwickeln. Einem, der Chorstücke mit bis zu zwölf Stimmen vorträgt. Viele der heutigen Mitglieder haben sich voller Faszination beworben, nachdem sie ihn einmal live erlebten.
„Sie kennt die Stärken jedes einzelnen und weiß sie zu fördern“, schwärmt Cara Mia Dunaiski und erntet sogleich große Zustimmung. Doch diese Frau ist vor allem auch die gute Seele der Maranathas. Erich Meier erzählt: „Ich liebe die Musik, die Atmosphäre. Es ist wie ein familiärer Verband. Ich fühle mich zu Hause.“ Allen Shekupe formuliert es so: „Sie ändert Dein Denken. Ich kann wütend zur Probe kommen, aber durch sie vergesse ich das und fühle mich inspiriert.“
Der Name des Chors steht sinngemäß für „Jesus wird kommen“. Evy Georges' Ansatz von „Mission und Vision“ prägt diese Gemeinschaft. Sie sieht den Chor als Brückenbauer zwischen den verschiedenen Kulturen im Land selbst und als Botschafter nach außen. Ganz bewusst nehmen die Maranatha Singers wohl an Festivals, nicht aber an Wettbewerben teil. „Der religiöse Charakter passt nicht dazu“, erklärt Vize-Chorleiter Ivan Scheffers. Die aktuelle Tournee ist bereits die dritte nach Deutschland. Was die Mitglieder umso mehr freut: „Wir sehen Freunde wieder“, sagt Natalia Halweendo. „Die Deutschen schätzen unsere Musik sehr. Hier ist sie nichts Besonderes, aber dort sieht man das Interesse daran in den Augen des Publikums.“
In der Probe ist „Du bist heilig“ an der Reihe. Evy George geht es noch einmal um die genaue Aussprache der deutschen Wörter. „Ich habe das Gefühl, ihr vergesst alles, wenn ihr euch zu bewegen beginnt“, erklärt sie ihren Schützlingen. Schon breitet sich ein weiter Klang aus. In den Stimmen und Blicken liegt Leidenschaft. Auf den Stühlen sitzen 22- bis 65-Jährige. Vom Anzug bis zum Sportdress sind alle Kleidungsstile vertreten. Unter den Mitgliedern sind Pädagogen und Regierungsmitarbeiter genauso wie Anwälte, Laboranten und Arbeitssuchende. Die Maranatha Singers vereinen zwar die meisten kulturellen Gruppen Namibias, stellen aber alle in ihrem Programm vor.
Evy George bittet einen jungen Mann nach vorn. Weil er mit Klicklauten aufgewachsen ist, darf er die Aussprache des nächsten Liedes mit dem Chor durchgehen. Bei einem anderen Song in wieder anderer Sprache, holt sie sich die Unterstützung eines anderen Chormitglieds. Liederweise bezieht sie einzelne Mitglieder in die Chorleitung ein, überlässt ihnen die Bühne. Ganz selbstverständlich.
Auch im Konzert nimmt sie sich zurück. Evy George lässt ihre Maranathas wirken. Das gut zweistündige Konzert in der Christuskirche wird von Begeisterungsstürmen des Publikums getragen. Und da ist sie wieder: die deutsche Touristin mit Rollkoffer. Nur dass sie nun zusätzlich mit Rasseln, Fellen und allerlei Geschenken behangen ist. Die Abreise naht. Traurig zieht sie von dannen. Um es sich kurzerhand anders zu überlegen und - „Wait, wait, wait“ rufend - doch wieder zum Chor zurück zu hasten. Am Ende schwenken alle Mitglieder singend Namibia-Fähnchen. Das Schlussbild - eine Liebeserklärung.
Die Tourneedaten der Maranatha Singers finden sich auf Facebook (https://www.facebook.com/events/636759673075770/).