Zeitreise zu den Wurzeln des Jazz
Katutura, 2001: Erste Begegnung mit der Vergangenheit. Nghidipo Nangolo steht vor einer Haustür, klingelt, wartet auf Antwort. Er weiß, wer in diesem Haus wohnt - Nachbarn haben ihm den Weg gezeigt: Es ist Frederik Kamburutue, ein Mann von dem der 33-Jährige zwar viel gehört hat - gesehen hat er ihn bislang nicht. Hinter der Tür bellt ein Hund, Nangolo macht ein paar Schritte zurück. "Frederik", ruft er, "Frederik, komm mal raus ...!"
So (oder zumindest so ähnlich) wird es sich abgespielt haben, als Nghidipo Nangolo die "Original Jazz Masters" zusammenbrachte - eine Band, deren Geschichte bis tief in die 50-er zurückreicht. "Frederik war der Erste", erinnert sich der Filmproduzent bei einer Tasse Kaffee im Windhoeker Zoo-Cafe. "Er war der Schlüssel, der mich zu den anderen führte. Sein Saxophon lag irgendwo im Schrank, ein uraltes Ding. Gespielt hatte er schon seit Ewigkeiten nicht mehr."
Ein bisschen erinnert Nangolos Geschichte an das Hollywood-Märchen von den "Blues Brothers", an die späte Wiedergeburt des "Buena Vista Social Club" auf Kuba: Bei seinen Recherchen - damals arbeitete er noch bei der NBC - stößt der dreifache Familienvater auf die Spuren des Township-Jazz, einer Musik, an die sich heute kaum noch jemand erinnert. "In meiner Freizeit", sagt er, "ging ich oft ins Nationalarchiv und sammelte Material über die Menschen der Region. Als ich die ganzen Fotos dann irgendwann sichtete, fiel es mir auf: Ich hatte eine Menge Bilder, die Menschen mit Musik-Instrumenten zeigen ..."
Das war der Anfang, Nangolo entwickelte eine Vision: Er würde die alten Jazz-Größen zusammentrommeln (sofern sie denn überhaupt noch lebten), würde einen Dokumentarfilm produzieren und ihre Musik in einem Tonstudio festhalten. Irgendwann, zwischen den 50er und 70er Jahren, hatten diese Menschen in den Windhoeker Townships für Stimmung gesorgt, hatten die Nachtschwärmer in Absteigen und Ballrooms zum Tanzen gebracht.
Aber was war nach all den Jahren aus ihnen geworden? Obwohl Nangolo selbst in Katutura lebt, hatte er nie von ihnen gehört. "Monatelang ging ich von Tür zu Tür, führte Interviews und zeigte den alten Leuten meine Fotos. Einige erkannten irgendjemanden und erklärten mir dann, wo er wohnt."
Frederik war der Erste, den er aufstöberte. Andere folgten. Irgendwann stellte Nangolo fest, dass er "eine Band zusammen" hatte - sechs Musiker, die seit Jahrzehnten nicht mehr gemeinsam auf der Bühne gestanden hatten: Der Bassist Andreas "Kuta" Kavandje, der Gitarrist Mannetjie "Manoks" Shivute, Stephanus "Kookwater" /Hoebeb am Tenor-Saxophon, der Schlagzeuger Reinhardt "Toto" Muinjo und Joseph "Gorab" Hoeseb am Akkordeon. "Diese alten Leute waren verantwortungsvolle Familienmenschen", sagt er, "aber ein bisschen gelangweilt waren sie schon. Sie waren längst in Rente und wussten nicht so recht, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollten."
Nangolo kaufte Musikinstrumente, die alten waren nicht mehr zu gebrauchen. Etwa 60.000 Dollar legte er dafür auf den Tisch - aus eigener Kasse. Dann begannen die Proben im Windhoeker Nationaltheater. "Ich wollte sie ein bisschen testen, bevor wir ins Studio gingen." Die erste Woche sei frustrierend gewesen, die alten Jazzgrößen hatten offenbar Schwierigkeiten, sich an die neue Situation zu gewöhnen. Oder hatte Nangolo auf das falsche Pferd gesetzt? Hatte er sich zuviel von den alten Herren versprochen? Zweifel beschlichen den Produzenten, der auf dem besten Weg war, seine finanzielle Sicherheit für das ehrgeizige Doppel-Projekt zu zerstören. "Erst in der zweiten Woche klappte es", sagt er. "Da habe ich mir dann irgendwann gesagt: Ja, du hast die richtigen Leute gefunden."
Zwei Township-Jazz-CDs entstanden unter dem Label seiner eigenen Produktionsfirma "Third Eye Film and Audio"; auch der Dokumentarfilm nahm Formen an. Obwohl Nangolo die "Original Jazz Masters" um sich geschart hatte, beschloss er, einen anderen in den Mittelpunkt zu stellen - einen Musiker, von dem die Zeitzeugen mit Ehrfurcht sprachen: Den ehemaligen Goldminen-Arbeiter, Polizisten, Journalisten und Saxophonisten Johannes Andreas Mureko, genannt "Skymaster". "Viele sagten mir, dass Mureko ihr Lehrer war, dass Skymaster sie zur Musik gebracht habe." So ist Nangolos Dokumentarfilm auch eine Reminiszenz an diesen Mann, huldigt einem Künstler, der die Township-Musikszene zwanzig Jahre lang geprägt hat: In vielen Interviews, nachgestellten Szenen (Panduleni Hailundu spielt Johannes Mureko) und vergilbten Originalaufnahmen aus längst vergangenen Tagen wird der Township-Jazz lebendig, bekommt der Zuschauer eine Vorstellung vom nächtlichen Treiben in den "Shabeens".
Am vergangenen Samstag präsentierte Nghidipo Nangolo seinen Film im Warehouse Theatre, gefolgt von einem Auftritt der "Original Jazz Masters". Etwa N$ 174.000 hat er in das Filmprojekt investiert - zuzüglich der Kosten für das Equipment. "Wenn du ein namibischer Film-Produzent bist", sagt er, "dann ist da niemand, der dir hilft." Zwar gebe es die namibische Film-Kommission, aber die habe sich andere Aufgaben auf die Fahnen geschrieben: "Die Leute von der Kommission sorgen dafür, dass amerikanische oder europäische Produktionsfirmen in Namibia drehen", glaubt Nangolo. "Mit der Förderung lokaler Filmemacher hat das nichts zu tun."
Die Zukunft erwartet der Windhoeker mit gemischten Gefühlen: Einerseits hat er seinen Film beim "Wild Cinema Film Festival" eingereicht, plant die Produktion einer dritten CD und denkt sogar darüber nach, einen zweiten Film über den Township-Jazz zu drehen - einen "richtigen", mit Drehbuch und vielen verschiedenen Schauspielern. Andererseits vergeht die Zeit, und die Jazz-Masters werden nicht jünger: "Ich fürchte", sagt er, "dass ich sie irgendwann einmal verlieren könnte."
So (oder zumindest so ähnlich) wird es sich abgespielt haben, als Nghidipo Nangolo die "Original Jazz Masters" zusammenbrachte - eine Band, deren Geschichte bis tief in die 50-er zurückreicht. "Frederik war der Erste", erinnert sich der Filmproduzent bei einer Tasse Kaffee im Windhoeker Zoo-Cafe. "Er war der Schlüssel, der mich zu den anderen führte. Sein Saxophon lag irgendwo im Schrank, ein uraltes Ding. Gespielt hatte er schon seit Ewigkeiten nicht mehr."
Ein bisschen erinnert Nangolos Geschichte an das Hollywood-Märchen von den "Blues Brothers", an die späte Wiedergeburt des "Buena Vista Social Club" auf Kuba: Bei seinen Recherchen - damals arbeitete er noch bei der NBC - stößt der dreifache Familienvater auf die Spuren des Township-Jazz, einer Musik, an die sich heute kaum noch jemand erinnert. "In meiner Freizeit", sagt er, "ging ich oft ins Nationalarchiv und sammelte Material über die Menschen der Region. Als ich die ganzen Fotos dann irgendwann sichtete, fiel es mir auf: Ich hatte eine Menge Bilder, die Menschen mit Musik-Instrumenten zeigen ..."
Das war der Anfang, Nangolo entwickelte eine Vision: Er würde die alten Jazz-Größen zusammentrommeln (sofern sie denn überhaupt noch lebten), würde einen Dokumentarfilm produzieren und ihre Musik in einem Tonstudio festhalten. Irgendwann, zwischen den 50er und 70er Jahren, hatten diese Menschen in den Windhoeker Townships für Stimmung gesorgt, hatten die Nachtschwärmer in Absteigen und Ballrooms zum Tanzen gebracht.
Aber was war nach all den Jahren aus ihnen geworden? Obwohl Nangolo selbst in Katutura lebt, hatte er nie von ihnen gehört. "Monatelang ging ich von Tür zu Tür, führte Interviews und zeigte den alten Leuten meine Fotos. Einige erkannten irgendjemanden und erklärten mir dann, wo er wohnt."
Frederik war der Erste, den er aufstöberte. Andere folgten. Irgendwann stellte Nangolo fest, dass er "eine Band zusammen" hatte - sechs Musiker, die seit Jahrzehnten nicht mehr gemeinsam auf der Bühne gestanden hatten: Der Bassist Andreas "Kuta" Kavandje, der Gitarrist Mannetjie "Manoks" Shivute, Stephanus "Kookwater" /Hoebeb am Tenor-Saxophon, der Schlagzeuger Reinhardt "Toto" Muinjo und Joseph "Gorab" Hoeseb am Akkordeon. "Diese alten Leute waren verantwortungsvolle Familienmenschen", sagt er, "aber ein bisschen gelangweilt waren sie schon. Sie waren längst in Rente und wussten nicht so recht, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollten."
Nangolo kaufte Musikinstrumente, die alten waren nicht mehr zu gebrauchen. Etwa 60.000 Dollar legte er dafür auf den Tisch - aus eigener Kasse. Dann begannen die Proben im Windhoeker Nationaltheater. "Ich wollte sie ein bisschen testen, bevor wir ins Studio gingen." Die erste Woche sei frustrierend gewesen, die alten Jazzgrößen hatten offenbar Schwierigkeiten, sich an die neue Situation zu gewöhnen. Oder hatte Nangolo auf das falsche Pferd gesetzt? Hatte er sich zuviel von den alten Herren versprochen? Zweifel beschlichen den Produzenten, der auf dem besten Weg war, seine finanzielle Sicherheit für das ehrgeizige Doppel-Projekt zu zerstören. "Erst in der zweiten Woche klappte es", sagt er. "Da habe ich mir dann irgendwann gesagt: Ja, du hast die richtigen Leute gefunden."
Zwei Township-Jazz-CDs entstanden unter dem Label seiner eigenen Produktionsfirma "Third Eye Film and Audio"; auch der Dokumentarfilm nahm Formen an. Obwohl Nangolo die "Original Jazz Masters" um sich geschart hatte, beschloss er, einen anderen in den Mittelpunkt zu stellen - einen Musiker, von dem die Zeitzeugen mit Ehrfurcht sprachen: Den ehemaligen Goldminen-Arbeiter, Polizisten, Journalisten und Saxophonisten Johannes Andreas Mureko, genannt "Skymaster". "Viele sagten mir, dass Mureko ihr Lehrer war, dass Skymaster sie zur Musik gebracht habe." So ist Nangolos Dokumentarfilm auch eine Reminiszenz an diesen Mann, huldigt einem Künstler, der die Township-Musikszene zwanzig Jahre lang geprägt hat: In vielen Interviews, nachgestellten Szenen (Panduleni Hailundu spielt Johannes Mureko) und vergilbten Originalaufnahmen aus längst vergangenen Tagen wird der Township-Jazz lebendig, bekommt der Zuschauer eine Vorstellung vom nächtlichen Treiben in den "Shabeens".
Am vergangenen Samstag präsentierte Nghidipo Nangolo seinen Film im Warehouse Theatre, gefolgt von einem Auftritt der "Original Jazz Masters". Etwa N$ 174.000 hat er in das Filmprojekt investiert - zuzüglich der Kosten für das Equipment. "Wenn du ein namibischer Film-Produzent bist", sagt er, "dann ist da niemand, der dir hilft." Zwar gebe es die namibische Film-Kommission, aber die habe sich andere Aufgaben auf die Fahnen geschrieben: "Die Leute von der Kommission sorgen dafür, dass amerikanische oder europäische Produktionsfirmen in Namibia drehen", glaubt Nangolo. "Mit der Förderung lokaler Filmemacher hat das nichts zu tun."
Die Zukunft erwartet der Windhoeker mit gemischten Gefühlen: Einerseits hat er seinen Film beim "Wild Cinema Film Festival" eingereicht, plant die Produktion einer dritten CD und denkt sogar darüber nach, einen zweiten Film über den Township-Jazz zu drehen - einen "richtigen", mit Drehbuch und vielen verschiedenen Schauspielern. Andererseits vergeht die Zeit, und die Jazz-Masters werden nicht jünger: "Ich fürchte", sagt er, "dass ich sie irgendwann einmal verlieren könnte."
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Allgemeine Zeitung
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